"Unsere Zukunft sieht sehr düster aus"
Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem damit, wie sich Hongkong als sogenannte chinesische "Sonderverwaltungszone" entwickelt hat. Der Buchhändler Daniel Lee spricht in der "FAZ" von subtilen Veränderungen.
"Ein 'Schnitz' war der Teil einer Sekunde, den man nach Schnitzlers Anblick auf dem Bildschirm zum Umschalten brauchte." Die Tageszeitung TAZ klärt uns auf, wie das früher vor dem DDR-Fernseher war, wenn Karl-Eduard von Schnitzlers "Schwarzer Kanal" lief und die Zuschauer in Schnitz-Bruchteilen zu einem anderen Programm wechselten.
"Als Scharfmacher machte er seine 20-minütige One-Man-Show zur legendärsten Sendung des DDR-Fernsehens neben dem Sandmännchen - und zu dessen Gegenstück in der Beliebtheit", schreibt Gunnar Leue über den lupenreinen DDR-Sozialisten mit ganz eigenem Lebensstil. "Der Mann war ein klassischer Bonze, dessen Frau in Westberlin einkaufen durfte und dort auch noch beim Klauen erwischt wurde." Jetzt ist die "DDR-Politpropaganda zu Zeiten des Kalten Krieges" als DVD-Sammlung erschienen - mit all dem, was sich Karl-Eduard von Schnitzler aus dem Westfernsehen so an abschreckendem Material zum Kommentieren herausgesucht hatte: "Drogentote, Arbeitsplatzunsicherheit", fasst Gunnar Leue in der TAZ zusammen. Nicht zu vergessen: "Wohnungsnot - wobei Letztere übrigens 1989 zu fast gleichlautenden Unmutsäußerungen von Bundesbürgern gegen die DDR-Flüchtlinge führte wie heute gegen die Kriegsflüchtlinge."
Deutschland und die vietnamesischen "boat people"
Hoch seriös zum Thema Flüchtlinge ging es bei einem Treffen von Historikern zu. "Die Flüchtlinge machten sich in überfüllten Booten auf den Weg über das Meer, um in anderen Ländern Zuflucht zu suchen." Das lesen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG: "Teilweise wurden sie von Hilfsschiffen gerettet und nach Deutschland gebracht. In Hamburg wurde ein Flüchtlingsheim angezündet; zwei Menschen starben." Was so aktuell und nach heute klingt, ist hingegen fast 40-jährige Geschichte – die der vietnamesischen "boat people" nämlich. "In den Siebziger- und Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wurden sie in großer Zahl von der Bundesrepublik aufgenommen", schreibt Bettina Wolff anlässlich einer Konferenz des Instituts für Zeitgeschichte in München, das unsere aktuelle Flüchtlingsdebatte versachlichen möchte.
"Auch was jetzt neu erscheine, habe es alles schon in der Vergangenheit gegeben", wird der Historiker Magnus Brechtken zitiert. Dazu passt, was sein Kollege Tobias Hof darüber berichtete, wie Flüchtlinge in der Öffentlichkeit und den Medien schon immer gerne wahrgenommen wurden. "Solange Geflüchtete auf dem Weg der Flucht sind, werden sie als Opfer beschrieben. Nachdem sie Deutschland erreicht haben, wird versucht, ein anderes Bild von ihnen zu geben, in einigen Fällen sogar das des Täters", fasst die FRANKFURTER ALLGEMEINE die Thesen von Tobias Hof zusammen - und zitiert dann noch Michael Schwartz vom Institut für Zeitgeschichte: "Wir brauchen ein europaweites Einwanderungsrecht."
Das wird auch Daniel Lee interessieren. "Eine halbe bis eine Million Hongkonger leben in Übersee, in Kanada, in Großbritannien", erzählt er im Interview der FRANKFURTER ALLGEMEINEN - wie sich die einstige britische Kronkolonie Hongkong als sogenannte "Sonderverwaltungszone" unter Herrschaft der Volksrepublik China entwickelt hat. "Unsere Zukunft sieht sehr düster aus", sagt der Buchhändler Daniel Lee: "Im Prinzip kann hier jeder immer noch sagen, was er will. Die Veränderungen sind subtiler. Zum Beispiel sind die meisten unserer Zeitungen inzwischen von Investoren aus Festlandchina aufgekauft worden. Das Gleiche gilt für RTHK, die wichtigste Radio- und Fernsehstation in Hongkong. Sie alle üben nun eine Art Selbstzensur aus." Und wie sieht es in seiner eigenen Branche aus? "In den großen Buchhandelsketten, die ebenfalls in der Hand von Festlandchinesen sind, stehen kritische Bücher in dunklen Regalecken."
Das erinnert an die Zeiten von Karl-Eduard von Schnitzler.