Varoufakis und sein Traum vom demokratischen Europa
Er habe die soziale Krise Griechenlands "kontrolliert verschärft", um die Eurozone umgestalten zu können: Diesen Vorwurf macht der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis seinem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble in einem Gastbeitrag für die "Zeit".
"Hallololöchen", titelt die Tageszeitung DIE WELT, in der Michael Pilz einen Essay "Zur Udopie der Lindianer" schreibt, und zwar anlässlich des Konzerts von Udo Lindenberg im Berliner Olympiastadion am vergangenen Montag.
Kaum nötig zu sagen, dass die Formulierung "Zur Udopie der Lindianer" Pilz' hohen Anspruch offenbart oder zumindest in lindianischer Manier ironisiert. Versprechen doch erlesene "Zur…"-Titel wie Nietzsches Zur Genealogie der Moral stets ein Extra-Quantum an Stoffbeherrschung und Stilbewusstsein.
Tatsächlich zählt Pilz den heute 69-jährigen Schnodder-Barden Lindenberg zu den Schöpfern des modernen Deutschlands:
"Bei allen Zumutungen, die sein Stadionkonzert so bietet, weiß man, als er dann als Woddy Wodka nach drei Stunden mit einer Rakete in der Nacht verschwindet, was man an ihm hat. Und zwar den Dichter, der das Deutschsein damals neu erfunden haben muss wie Willy Brandt die deutsche Politik, Günter Netzer den deutschen Fußball und Otto Waalkes den deutschen Witz."
Varoufakis vs. Schäuble
Das Griechisch-Sein politisch neu erfinden, das wollte Yannis Varoufakis, bis kürzlich Finanzminister seines Landes. Allein, er hatte einen bärbeißigen Widerpart: den deutschen Finanzminister. Und nun lässt sich Minister a. D. Varoufakis in der Wochenzeitung DIE ZEIT bitter über "Dr. Schäubles Plan für Europa" aus.
Varoufakis beruft sich auf einen Artikel, den Wolfgang Schäuble und Karl Lamers, ehemals außenpolitischer Sprecher der CDU, im August 2014 in der FINANCIAL TIMES veröffentlicht haben. Also vor einer Ewigkeit.
Laut Varoufakis will Schäuble heute wie damals einerseits den Grexit und andererseits ein "Euro-Zonen-Parlament", das mittels Vetorecht massiv in die Euro-Länder hineinregieren könnte. Varoufakis seinerseits aber will wissen:
"Was halten Sie, werte Leserin, werter Leser, von Dr. Schäubles Plan? Steht er im Einklang mit Ihrem Traum von einem demokratischen Europa? Oder wird seine Umsetzung, an deren Anfang die Behandlung Griechenlands wie eine Mischung aus Pariastaat und Opferlamm steht, eine endlose Rückkopplung zwischen ökonomischer Instabilität und dem Autoritarismus auslösen, den diese speist?"
Wäre das hier keine Presseschau, sondern eines seiner Seminare, würden wir Yannis Varoufakis jetzt bitten, die letzte Frage noch einmal zu wiederholen.
Unerhörte Einhelligkeit
Es liegen ja immer Missverständnisse in der Luft – wie hierzulande der Hickhack ums geplante Kulturgutschutzgesetz zeigt. Folgt man der ZEIT, tut sich wahrhaft Unerhörtes:
"Einen vergleichbaren Vorgang hat es in der Bundesrepublik wohl noch nicht gegeben, einen so einhelligen und massiven Widerstand gegen ein Bundesgesetz, die Kultur betreffend, eine Rebellion, die ausgerechnet von der individualistischen, in sich zerstrittenen und scheinbar zu Koalitionen unfähigen Kulturszene ihren Ausgang nimmt."
So skizziert ZEIT-Autor Thomas E. Schmidt die unruhige Lage. Die für Niklas Maak von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG bloß das Ergebnis falscher Lektüre ist: All jene, denen die Zornesader schwillt, bezögen sich auf inoffizielle Referentenentwürfe des Gesetzes, nicht aber auf den offiziellen, entschärften Entwurf, den Monika Grütters an diesem Mittwoch vorgestellt hat. FAZ-Autor Niklas Maak schilt das als "Kunst der Panikmache".
Folgt man dagegen der WELT, hat das Aufmucken der Szene die Entschärfung überhaupt erst bewirkt. "Nach massiver Kritik korrigiert Staatsministerin Monika Grütters ihren Gesetzesentwurf", hält Swantje Karich fest.
Seinen Kurs im Kampf um den Suhrkamp Verlag bis zuletzt nicht korrigiert hat der Medienunternehmer Hans Barlach.
Dirk Knipphals konstatiert in der TAGESZEITUNG:
"So viel Streit. Und dann, als doch alle längst zum Business as usual übergehen wollten, noch so eine Schlusspointe. Hans Barlach ist gestorben. Alles gewagt, alles verloren."
Soweit für heute. Wir wünschen Ihnen, liebe Hörer, dass Sie beim Blick in den Spiegel genau das sehen, was in der TAZ zur Überschrift wurde.
"Eine Augenweide ohne Schweiß."