Verhüllen macht deutlich
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Allerorten werden Statuen von Sklavenhaltern und Kolonialherren gestürzt, der "Spiegel" fürchtet sogar um Bismarck. "Taz" und "Tagesspiegel" erinnern dagegen an die Verhüllung des Reichstags vor 25 Jahren. Wäre doch eigentlich auch was für die Statuen.
"Dass die Erde nicht als grauer Steinklumpen durchs schwarze Nichts rast, sondern aus dem All aussieht wie ein blauschimmernder Tropfen – danke, Regen! Dass er seit drei Milliarden Jahren das monotone Hintergrundgeräusch des Lebens bildet – nochmals danke." Alex Rühle ruft das im Feuilleton der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG aus, in seiner Ode an den Regen.
Der sei lange zu Unrecht als "schlechtes Wetter" bezeichnet, nein, liest man heraus: gedemütigt worden. Seit Kurzem hätten einige Menschen zwar ihre Liebe zum Regen entdeckt, aber das sei "nur die Rückseite der Angst vor der kommenden Hitze". Alex Rühles Lob des Regens hat da mehr Weitblick: "Dass täglich aus dem Amazonas 20 Milliarden Liter in Form von Wasserdunst aufsteigen, um dann den Rest des südamerikanischen Kontinents zu befeuchten, muchas gracias!", schreibt Rühle, um den Regen dann doch etwas vorwurfsvoll anzugehen: "Irgendwie ist der Regen natürlich selber Schuld an seinem Imageproblem. Er verkauft sich optisch nicht besonders gut, sondern macht still und bescheiden seinen Job im Graubereich."
Wer stürzt als nächster?
Einige Denkmäler dürfen nicht mal mehr im Regen stehen. Jedenfalls wenn es nach den Aktivisten geht, die sie im Zuge der neuen Rassismusdebatte weltweit stürzen oder stürzen wollen. Denkmäler von Sklavenhaltern und Kolonialherren zum Beispiel. "Muss Bismarck stürzen?", fragt der SPIEGEL. Nun wird in Deutschland schon diskutiert, ob Immanuel Kant, der wohl bedeutendste Philosoph aller Zeiten, mit seinen Statuen nicht auch ein Kandidat zum Verschwinden-Lassen wäre.
Schließlich habe er doch auch rassistische Gedanken in seiner Philosophie verbreitet. "Faktisch hat Kant die westliche Kultur ja gerade nicht durch seinen Rassismus geprägt, sondern im Gegenteil durch eine universalistische Theorie, die sich als eines der schärfsten Schwerter im Kampf gegen Rassismus erwiesen hat", sagt die Philosophin Sabine Döring im Gespräch mit Mara Delius von der WELT. Außerdem sei es verfehlt beziehungsweise anachronistisch, Werke nicht an den Maßstäben ihrer, sondern unserer Zeit zu messen.
Keine Identitätspolitik mit Kant
"Wer bliebe denn dann noch übrig? Und: Was maßen wir uns eigentlich an? Werden wir vor dem Urteil zukünftiger Generationen bestehen?", fragt Döring. Sie versteht die seit einigen Jahren grassierende "Cancel Culture", man könnte auch sagen: "Wisch-und-Weg-Kultur", als Ausdruck eines moralischen "Puritanismus". "Wie erklären Sie sich, dass sich Wut auf die Vergangenheit und ausgerechnet auf zentrale Vertreter unserer Kultur und der Aufklärung richtet?", fragt die WELT. Und die Philosophin antwortet: "Der Universalismus Kants ist mit jeder Form von Identitätspolitik unvereinbar."
Die TAZ und der TAGESSPIEGEL erinnern daran, dass das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude vor 25 Jahren den Reichstag verhüllt hat. Für zwei Wochen. Und als Leser kann man da schon mal auf den Gedanken kommen, ob das vorübergehende Verhüllen von Statuen nicht hübscher wäre, als sie einfach umzusäbeln.
Man könnte die Denkmäler natürlich auch von oben bis unten mit Geldscheinen bekleben. Denn Geld ist ja offensichtlich genug da, jedenfalls scheint Olaf Scholz unendlich viele Schulden machen zu können. Da kommt der Satiriker Hans Zippert auf tolle Gedanken: "Jeder Bürger kriegt eine Milliarde bar auf die Hand. Damit müssen wir dann aber auch wirklich mal auskommen", schreibt Zippert in der WELT: "Eine Milliarde in Fünf-Euro-Scheinen wiegt 142.000 Kilogramm, da sollte man sich vorher gut überlegen, ob im Keller genug Platz ist. Man könnte die Geldscheinbündel auch in Sessel-, Sofa- oder Regalform aufschichten und die Wohnung damit möblieren."