Aus den Feuilletons

Viel Theater um einen Lippenstift-Riesendildo

Fußballfans stehen vor dem Fernsehen und singen die Nationalhymne
Ist die deutsche Nationalhymne eine "Penishymne"? Die taz meint: Ja. © imago
Von Paul Stänner |
Phallische Skandale, wohin man blickt: An der Staatsoper macht eine Rakete in Phallusform Ärger, die "taz" ärgert sich über die deutsche "Penishymne". Deren Text zu ändern, fällt allerdings schwer: Da ist der trochäische Vierheber vor, erläutert die "SZ".
Das Schöne an der Kultur sind die Skandale. Wir haben gleich zwei davon: Der erste findet sich bei der "Salome"-Aufführung an der Berliner Staatsoper unter Dohnányi und Neuenfels. Drei Tage vor der Premiere war Dirigent Christoph von Dohnányi ausgestiegen, wegen "künstlerischer Differenzen". Die Welt sucht nach den Gründen: Lag es am "versilberten Lippenstiftriesendildo", der ein wesentliches Requisit war? Oder lag es an der neu eingeführten Figur des Oscar Wilde, "dem zwei monströse, silberne Hoden aus der Hose hingen"? Wie dem auch immer sei, schreibt die Welt – "jedenfalls reiste Dohnányi … ab. Er zog der ganzen, übers Knie gebrochenen Produktion den Teppich unter den Füßen weg."

Eine Rakete in Phallusform

In der FAZ weiß der Rezensent, dass im Zentrum des Streites die Rakete in Phallusform stand, also eben das Requisit, welches der Kollege aus der Welt als Lippenstiftriesendildo identifiziert hatte. Die FAZ sagt, die Lippenstiftrakete stand wohl musikalisch im Weg, so dass der 88-jährige Dirigent dem 76jährigen Regisseur den Taktstock vor die Füße warf und ging. Es erschien – und nun wird die FAZ nahezu hymnisch - der 24jährige Thomas Guggeis, eigentlich nur Korrepetitor an der Staatsoper, und brachte das Werk offenbar mit Bravour zur Premiere.
Die Inszenierung dagegen erklärt sich, wenn man der FAZ folgt, wohl eher durch die Lektüre des Programmheftes.

Der trochäische Vierheber in der "Penishymne"

Eine Kristin Rose-Möhring möchte die Nationalhymne umdichten. Damit sind wir beim zweiten Skandal. Wir verweisen nur kurz auf einen Beitrag der taz, wo der Autor, der sich extra als Halb-Brasilianer outet, feststellt: "Meinetwegen könnt ihr die deutsche Nationalhymne abschaffen. Es ist ja sowieso eher eine Penishymne."
Zum Beweis listet er ihre bösen Worte auf: "Fallersleben, Vaterland, brüderlich, Vaterland, Vaterland." Daher seine Forderung: "Der deutschen Frauenbeauftragten gebührt eine Hymne. Sie ist eine Institution. Es ist gut, dass es sie gibt." Was immer der Halb-Brasilianer von der Frauenbeauftragten erwartet - die Art, wie er sich ranschmeißt, wirkt schon peinlich.
Zurück zur Nationalhymne – nicht zu ändern, sagt die kompetente Süddeutsche. Der Vorschlag, den Vers "Brüderlich mit Herz und Hand!" zu ersetzen durch "Couragiert mit Herz und Hand!" funktioniert nicht, denn "das Versmaß, ein katalektischer trochäischer Vierheber, verlangt am Anfang der Zeile ein anfangsbetontes Wort. 'Couragiert...' passt also, weil endbetont, gar nicht in den Vers. Jede Fußballfankurve würde beim Grölen der Hymne darüber stolpern."

Der Hass im Herzen

Gröhlen ist das Stichwort: In der Welt schreibt eine türkischstämmige Autorin einen Brief an - Zitat – "Liebe AfD-Wähler". Die Autorin hat am Londoner Kings College das Fach "Konfliktlösung" studiert, sonst hätte sie kaum die Hoffnung, ihr Artikel könne etwas auszurichten. Sie schreibt: "Ich möchte Sie an etwas erinnern, was Sie in den letzten Jahren unserer gestressten Republik vergessen haben könnten: Rassismus und Menschenfeindlichkeit haben keinen Platz in unserem Land. Die Verletzung der Menschenwürde kennt kein 'rechts', kein 'links'."
In London scheint man der Autorin beigebracht zu haben, dass man bei Konflikten klare Worte benutzen soll, das tut sie mit eigenem Charme. Der AfD schreibt sie: "Sie können mich genauso hassen, wie ich Sie auch hassen könnte – keine Sorge, Gründe dafür würde ich schon finden. Wenn das Herz den Hass zulässt, findet auch die Vernunft ihren Weg dahin."

Wie man Skandale vermeidet

Was wiederum sehr vernünftig ist. Sie gesteht den AfD-Wählern zu, dass man über vieles diskutieren könne – wer ein Recht auf Asyl hat, ob straffällige Flüchtlinge abgeschoben werden usw. – nur es gibt ein unverzichtbares Muss: "Während Sie Ihren Unmut kundtun, denken Sie an die Würde der Menschen, über die Sie sprechen."
Werden so Skandale vermieden?
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