Viele Meinungen zu Julian Assange
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"Julian Assange ist der Spion des Volkes", heißt es in der "Welt". "Julian Assange hat immer nur für sich gespielt", schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Eine Meinung zu dem Wikileaks-Gründer und seiner Verhaftung hat fast jedes Feuilleton.
"Am Montag startet die finale Staffel von ‚Game of Thrones‘. Sie haben keine einzige Folge gesehen? Kein Problem." So heißt es in der TAGESZEITUNG, die mit ihrer freundlichen Ansprache uns persönlich gemeint haben könnte.
Denn wir haben zwar im marokkanischen Quarzazate einen der Drehorte besucht, aber nichtsdestotrotz noch keine einzige Folge "Game of Thrones" gesehen und absolut keinen Schimmer, worum es da eigentlich geht. Umso schöner, es dank der TAZ nun endlich, endlich zu erfahren:
"Eine Handvoll Adliger und unehelicher Adelskinder kämpft im mittelalterlichen Setting mit kreativer Gewalttätigkeit um den Eisernen Thron. Niemand kann sich auf irgendwen verlassen, und außerdem kriechen die sehr bedrohlichen White Walkers hinter einer vereisten Mauer im hohen Norden hervor, die viel krasser und höher ist, als ein Donald Trump je zu träumen wagen könnte."
Interview mit "GoT"-Star
Erstaunlicherweise sieht sich auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG genötigt, noch einmal den Inhalt der ersten sieben Staffeln im "Schnelldurchlauf" zu erzählen. Der jedoch mindesten zehnmal so lang dauert wie in der TAZ. Weshalb wir lieber die Tageszeitung DIE WELT aufschlagen, die ein Interview mit Gwendoline Christie führt.
Christie spielt in "Game of Thrones" die Ritterin Brienne of Tarth und äußert sich zur "Kill your Darlings"-Methode, dem notorischen Abmurksen zentraler Figuren, das offenbar ein Markenzeichen der Serie ist.
"Dass einer der Hauptcharaktere, Ned Stark, gleich am Ende der ersten Staffel stirbt, das war schockierend. Es widersprach einfach allen Konventionen herkömmlicher TV-Serien. Diese ständigen Schocks. Und was passiert, wenn wir schockiert sind? Uns stockt der Atem. Was wiederum bedeutet, dass ‚Game of Thrones‘ dem Gehirn in solchen Momenten Sauerstoff entzieht, die Serie versetzt die Zuschauer somit also in einen veränderten Bewusstseinszustand. Und das passiert ständig. Diese Erzählweise und die damit verbundenen Folgen sind, glaube ich, auch ein Grund für den überwältigenden Erfolg", mutmaßt Gwendoline Christie in der WELT.
Nach der Verhaftung von Julian Assange
Nächst "Games of Thrones" befassen sich die Feuilletons am intensivsten mit der Verhaftung von Wikileaks-Gründer Julian Assange.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG fragt sich: "Steht mit Julian Assange die Pressefreiheit vor Gericht?" Indessen winkt Michael Hanfeld gleich wieder ab:
"Julian Assange hat immer nur für sich gespielt und wähnte sich mit den Mächtigen der Welt auf Augenhöhe, denen er es zeigen wollte. Die Dokumente, die ihm zugespielt wurden, betrachtete er nicht als Vehikel der Wahrheitsfindung, sondern als Instrument der politischen und persönlichen Machtausübung."
Ganz anders sieht das Slavoj Žižek in der WELT: "Julian Assange ist der Spion des Volkes. Er bespitzelt die Mächtigen im Auftrag der Menschen. Deshalb hat er unsere Solidarität verdient." Was Žižeks schreibt, firmiert in der WELT unter "radikaler Gastbeitrag" – und nicht umsonst.
Žižek gibt zum Beispiel das Motto aus: "Lasst hundert Wikileaks erblühen." Eine sehr bizarre, typisch Žižek‘sche Anspielung auf Mao Zedongs Parole "Lasst hundert Blumen blühen" während des sogenannten "Großen Sprungs nach vorn", der im China der 50er Jahre bis zu 45 Millionen Menschen das Leben gekostet hat.
Das komplexe Weltbild von Assange
Am ausgewogensten in puncto Pro und Contra Assange: Andrian Kreye in der SZ. "Für die digitale Kultur war Assange ein erster Ideologe, dessen komplexes Weltbild in der Umsetzung mit Wikileaks zu einem Fundamentalismus der Transparenz wurde. Hatte er einen Datensatz, veröffentlichte er ohne Rücksicht auf Verluste und Folgen prinzipiell alles. Das war oft ein Fehler." Andrian Kreye unter dem Titel "Sankt Julian" in der SZ.
So, und jetzt kommt also das Wochenende. Falls Sie es mal wieder so richtig krachen lassen und sich deshalb hinterher die Vorhaltungen vernünftigeren Mitmenschen anhören müssen – nun, dann antworten Sie ihnen doch, mit einer Überschrift des Berliner TAGESSPIEGEL: "Delirium ist leider geil."