Aus den Feuilletons

Vom Tal der Ahnungs- zum Tal der Anstandslosen?

Dresden
Dresden mit Blick auf die Frauenkirche und die Semperoper © picture alliance/dpa/Foto: Matthias Hiekel
Von Arno Orzessek |
Zu DDR-Zeiten konnten Dresdner kein Westfernsehen empfangen. Dieser Umstand verleitet "Die Welt" darüber nachzudenken, ob der mangelnde westdeutsche TV-Konsum etwas mit der Fremdenfeindlichkeit der Pegida-Anhänger zu tun hat.
"Leipzig ist nicht gleich Dresden", titelt – geografisch ausgepicht – die Tageszeitung DIE WELT.
Der Schriftsteller Ilian Ehrenreich, der in den 80er-Jahren in der DDR wegen versuchter Republikflucht im Gefängnis saß, denkt über die historischen Gründe für die Verschiedenartigkeit beider Städte nach.
Erwartungsgemäß beleuchtet Ehrenreich den – aus seiner Sicht überaus günstigen – Einfluss des Westfernsehens und der internationalen Messe auf die Mentalität der Leipziger zu DDR-Zeiten.
Auf der anderen Seite greift er die Dresdner hart an: "Das ´Tal der Ahnungslosen` ist auf bestem Wege zum ´Tal der Anstandslosen` zu werden."
Für die Pegida-Verbundenheit vieler Dresdner macht Ehrenreich allerdings nicht nur die – zum Klischee geronnene – jahrzehntelange Westfernsehen-Abstinenz haftbar.
"Das Bombeninferno vom 13. Februar 1945 instrumentalisierte die DDR – wie zuvor schon NS-Propagandachef Goebbels – zu einer alljährlichen Anklage gegen den Westen. Und wusste sich damit an der Seite jener Dresdner, die das Inferno überlebt hatten. (…) Vielleicht ist das eine der wenigen Indoktrinationen, mit denen die DDR-Führung wirklich erfolgreich war."

Ein Hoch auf das Radio

Apropos Fernsehen!
"Was eine Stimme im Kopf zu erzeugen vermag, das ist doch unglaublich, magisch. Über den Ton werden Menschen hypnotisiert, nicht über ein Bild. Das kann keine Zeitung, auch kein Fernsehen, das kann nur Radio",
behauptet in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Hans-Peter Stockinger, der ehemalige Chef des ehemals avantgardistischen Pop-Radio-Senders SWF 3, heute SWR 3.
Was Stockingers Lobeshymne aufs Radio mit dem Fernsehen zu tun hat?
Nun, laut SZ rühmen unter anderen Anke Engelke, Claus Kleber, Elke Heidenreich und Frank Plasberg Stockinger als ihren "´Lehrmeister`" – alles Köpfe, die man aus der Glotze kennt…
Was immer das übers Radio sagt.

Wozu gibt es eigentlich noch die Buchmesse?

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG blickt unterdessen auf die Frankfurter Buchmesse…
Und zwar in einem Gespräch, das Jürgen Kaube und Andreas Platthaus mit Juergen Boos, dem Direktor der Buchmesse, und der Kommunikationschefin Katja Böhne führen.
Wozu es im Zeitalter digitaler Kommunikationsmedien überhaupt noch Buchmessen gibt, erklärt Boos im Weltmaßstab:
"Es ist einfacher, ein Buch von Spanien aus nach Argentinien zu schicken als von Argentinien nach Chile. Das heißt zum Beispiel: Ich bin Verleger in Argentinien und suche mir einen Partner in Chile (…). Ansonsten funktioniert gar nichts. Also brauche ich einen persönlichen Kontakt. Und diesen chilenischen Kollegen lerne ich hier in Frankfurt kennen. Oder das Beispiel Südostasien: Die Filipinos reden normalerweise nicht mit den Thais – außer hier in der Halle (…). Das heißt, unser Geschäft ist immer noch oder sogar noch stärker als früher personengetrieben."
Um nicht nur über das Buch als Geschäft zu reden.

Verris von Navid Kermanis neuem Buch

Ebenfalls in der FAZ verreißt Jan Wiele den neuen Roman von Navid Kermani, "Sozusagen Paris".
"Wie man eine gute Geschichte über einen Schriftsteller erzählt, der nach einer Lesung einer früheren Geliebten begegnet, das hat John Updike in dem Meisterstückchen ´Sein Oeuvre` gezeigt. Wie man es nicht macht, zeigt Navid Kermani in seinem neuen Buch (…). Bei Updike geht es natürlich viel um Sex. Bei Kermani geht es angeblich um Liebe – aber man hat immer eher das Gefühl, einer Soziologievorlesung über moderne Partnerschaft beizuwohnen als einem Liebesroman zu lesen."
Unzufrieden mit Kermanis Werk: FAZ-Autor Wiele.


Angetan dagegen zeigt sich die TAGESZEITUNG von der Idee, jedem 18-jährigen Europäer auf Kosten der EU-Kommission ein Interrail-Ticket zu schenken.
Der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani, steht nach der Verleihung des Kleist-Preises am 18.11.2012 in Berlin im Berliner Ensemble.
Der Schriftsteller Navid Kermani© picture alliance / dpa / Marc Tirl
Unter der reise-englischen Überschrift "Senk ju for träwelling in Jurop" bemerkt Johanna Roth:
"Wer mit dem Zug reist, verzichtet zumindest dieses eine Mal auf den Urlaubsflieger. Das ist natürlich ärgerlich für Air Berlin, aber ein bisschen Schwund ist immer. Apropos Schwund: Mallorca ist völlig überfüllt (…). Warum also nicht mal woanders hin zur Abifahrt? Saufen kann man schließlich auch in Manchester."
Mal wieder bierernst: die TAZ.
Bleiben uns noch diese zwei Worte: Bis bald!
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