Aus den Feuilletons

Von Eigenliebe, Kitsch und fehlender Glaubwürdigkeit

Hillary Clinton jubelt
Hillary Clinton hat es bis ganz nach oben geschafft - warum sie dabei ständig gelacht hat, bleibt ein Rätsel © AFP / Timothy A. Clary
Von Arno Orzessek |
Die Feuilletons blicken in die USA und machen den Super-Narzissten Donald Trump, Hillary Clinton und die Obamas zum Thema. Die "Welt" sieht in Clintons Schwächeanfall kein Problem - wohl aber in ihrer Wandlung zur eiskalten Pragmatikerin.
Es gibt über solche rhetorischen Kinkerlitzchen keine verlässlichen Daten, aber wir vermuten:
Kaum ein Halbsatz stand schon so oft am Anfang eines Feuilleton-Artikels wie "Ein Gespenst geht um…" – jene dräuende Wortfolge, mit der das Kommunistische Manifest von 1848 anhebt.
Ein weiteres Mal verbaut nun die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG den von Marx und Engels entwendeten Textbaustein.
"Ein Gespenst geht um, es ist das Gespenst der Geopolitik ..."
beginnt der Historiker Dan Diner seine Reflexion über die Neuordnung Europas nach dem Untergang der Sowjetunion.
Dabei beschäftigt ihn auch das Verhältnis von Raum und Zeit.
"Es schien, als entziehe sich [nach 1989 der] Raum der Umklammerung der vormals beherrschend gewesenen Zeit. Und während die Zeit hernach den Raum aus ihrem Zugriff entließ, schickte letzterer sich seinerseits an, über jene zu verfügen. Die Konfliktzeiten fanden sich gezügelt. Sie bewegten sich auffällig verlangsamt. Sie waren gestreckt."
Lieber Dan Diner! Wir haben zwar einst durchaus Philosophie studiert – aber wir können Ihnen in diesem Passus nicht wirklich folgen!
Liebe Hörer! Wir können Dan Diner in jenem Passus zwar nicht wirklich folgen – aber wir finden den FAZ-Artikel ansonsten durchaus lesenswert.
Selbiges gilt – mit gewissen Einschränkungen – auch für das Interview, dass die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG mit David Cay Johnston führt.

Viel Übles über Donald Trump

Der Bestsellerautor befasst sich seit 30 Jahren mit Donald Trump – und sagt viel Übles über den republikanischen Präsidentschafts-Kandidaten.
"Zuallererst glaubt Donald, dass er allen anderen Menschen überlegen ist – genetisch überlegen. Er hat sich in seinem ganzen Leben nicht ein einziges Mal in den Dienst an der Allgemeinheit gestellt. Donald ist Donald. Entweder man verehrt ihn und erkennt seine Größe an, oder man wird von ihm als Versager beschimpft. Kurz: Er ist ein Weltklasse-Narzisst."
Übrigens: Dass wir das SZ-Interview nur mit leiser Einschränkung empfehlen, liegt an der Absolutheit, mit der Johnston Trump als politisch-unpolitischen Trampel und Gottseibeiuns vorstellt.
Aber vielleicht hat Johnston ja auch absolut recht – darum: Lesen Sie bitte! Wir wollen nicht dafür verantwortlich sein, dass sich Ihr übles Bild von Trump auch nur um ein Lux aufhellt.
Schon eher nähmen wir es hin, wenn sich durch uns Ihr tolles Bild von Hillary Clinton um einige Lux verdüsterte.
Der Artikel "Hillarys langer Weg" in der Tageszeitung DIE WELT wird dazu allerdings wenig beitragen.

Für Linke ist es Verrat, für Rechte Sozialismus

WELT-Autor Hannes Stein konzentriert sich nämlich auf distanzierte Beschreibungen und verzichtet auf eigene Urteile, wie immer sie ausfielen.
"Nicht der Schwächeanfall ist das größte Handicap der demokratischen Kandidatin für das Weiße Haus. Es ist ihre Wandlung von der jungen Republikanerin zur Achtundsechzigerin zur kalten Pragmatikerin. Für Linke ist das Verrat, für Rechte Sozialismus."
Das Ergebnis, so Stein:
"Viele Amerikaner sehen in Hillary Clinton einen Ausbund der Unglaubwürdigkeit."
Wo es gerade ums Weiße Haus geht: Ein paar WELT-Seiten weiter bespricht Uwe Schmitt unter der Überschrift "Heiliges Schokoladeneis!" "My first Lady" - Richard Tannes Film über Barack und Michelle Obama in ihren jungen Jahren.

Die Obamas: Dem Kitsch hilflos ausgeliefert

Heillos entsetzt über das unendliche Herumgelaber, das den Streifen offenbar dominiert, lästert Stein:
"Die [Obamas] haben ja schon einige Krisen mit Würde gemeistert. Aber gegen diesen Kitsch sind auch sie machtlos."
Falls sich jemand für die Wahlen zum Berliner Abgeordneten-Haus interessiert:
In der TAGESZEITUNG rechnet Uli Hannemann unter der Überschrift "Kauf mich nicht, Fucker!" sehr beherzt mit der in der Tat fortgeschrittenen Idiotie der Sprüche auf den Partei-Plakaten ab …
... während Jens Bisky in der SZ erklärt, "warum es so schwer ist, in der Hauptstadt Kulturpolitik zu machen."
Die Antwort gibt bereits der Titel:
"Ditt is Berlin. Und ditt. Und ditt."
Und da kann man’s halt nie allen recht machen, klar.
Okay, das war‘s. Gern überlassen wir Ihnen nun mit einer TAZ-Überschrift "Raum für eigene Gedanken."
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