Von Märtyrern und Eventmanagern
Warum harren so viele Flüchtlinge an der griechischen Grenze bei Idomeni aus? In der "Welt" liefert Henryk M. Broder dafür eine recht krude Erklärung.
"Die Wahrheitsmaschine" heißt ein Artikel in der TAGESZEITUNG ... in dem Daniel Schulz laut Unterzeile über jenen "gesunde[n] Menschenverstand" nachdenkt, den die AfD und speziell deren Vorsitzende Frauke Petry notorisch für sich beanspruchen.
Anders, als man im Nachgang des Wahl-Sonntags erwartet, richtet sich die Schimpfe der TAZ dann aber weniger gegen die AfD, als gegen den besagten Menschenverstand … Der laut Schulz jede Menge Antworten bietet - "Echte Fragen aber sind ihm zu kompliziert."
Und das passt dem TAZ-Autor überhaupt nicht.
"Von der Aufklärung, auf die wir hier in Westeuropa so stolz sind, weil sie uns von dem Muezzin, vom Russen und vom Ami unterscheidet, von dieser Zeit des Hinterfragens ist uns irgendwie nur die Antwort geblieben. Dass wir versuchen könnten, unsicherer, suchender, fehlertoleranter miteinander zu sprechen, klingt nur noch esoterisch. Schade, vielleicht wäre mehr zu fragen eine Alternative für Deutschland."
So der TAZ-Autor Schulz in seiner Kritik der "Antwortgesellschaft".
Märtyrer als Lebensziel
Einer, der genauso viele knackige Antworten parat hat wie Frauke Petry, ist Henryk M. Broder …
Und folgerichtig erklärt der Autor der Tageszeitung DIE WELT: "Was die Flüchtlinge wollen" - vor allem jene, die an der griechischen Grenze bei Idomeni in unsäglicher Lage verweilen.
"Gibt es für diese Art der Beharrlichkeit eine halbwegs vernünftige Erklärung?" fragt Broder rhetorisch und antwortet sich selbst natürlich mit …
"Ja. Anders als im hedonistischen Europa, wo Jugendliche, denen der Einlass in die Disko verwehrt wurde, wegen posttraumatischer Belastungsstörungen behandelt werden müssen, gilt in der arabisch-islamischen Kultur das Leiden als ein Wert an sich. Das festzuhalten grenzt in Zeiten der Political Correctness an 'kulturellen Rassismus', macht die Feststellung aber nicht weniger wahr. Märtyrer zu werden, sich zu opfern ist in der arabisch-islamischen Welt als Lebensziel ebenso verbreitet wie unter deutschen Jugendlichen der Wunsch, Eventmanager zu werden."
Tja, liebe Hörer! Davon abgesehen, dass Broder eine ziemlich verquere Vorstellung vom Traumberuf junger Deutscher hat, möchten wir zu seinen Thesen nur zweierlei sagen:
1. Bilden Sie sich ein eigenes Urteil.
2. Das mit den posttraumatischen Belastungsstörungen nach der Abweisung an der Disko-Pforte ist wirklich lustig und gute Polemik … könnte von Peter Sloterdijk sein.
"Wo Allah die Zügel locker lässt"
Doch wenden wir uns mit der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG dorthin, "Wo Allah die Zügel locker lässt".
Nein, nicht in den Harem oder ins Jungfrauen-Paradies ... sondern nach Pakistan. Und genauer: nach Lahore.
In dieser Stadt hat der NZZ-Autor Marian Brehmer der sufistischen Tradition nachgespürt, die in der westlichen Wahrnehmung vom radikalen Islamismus überdeckt wird.
"Gleich setzt er wieder zu einem dröhnenden Hornstoss an. Gemächlich stakst der Derwisch über die Tanzfläche, in schwankender Trunkenheit, das Instrument fest umgriffen […]. Daneben lässt ein Mann mit mohnroter Tunika seine Locken durch die Luft wirbeln. Die Geschwindigkeit der Tanzbewegungen wird von drei Trommlern gelenkt. Wann immer ihr Spiel aussetzt, erschallt der Ruf 'Ali Haydar!', die Anrufung des heiligen Ali, des spirituellen Führers der Sufis."
Das klingt nicht gerade nach Martyriums-Lust à la Henryk Broder, sondern nach einer Art Partyvergnügen - und darum handelt es sich auch, wie Brehmer unterstreicht.
"Sinnsucher und Spirituelle stoßen auf Tänzer, Gaukler, Transvestiten und Müssiggänger. Auf sie alle wirkt die Anziehungskraft einer Religiosität, die sich aus dem Korsett rigider Glaubensauslegung befreit zu haben scheint."
Im übrigen bietet das NZZ-Feuilleton eine weitere Lese-Reise an, nämlich: "Beirut - ausser Rand und Band".
Hierzulande reisen Leser und Autoren in diesen Tagen zur Buchmesse nach Leipzig - weshalb die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG die alte Frage neu aufwirft:
"Wie geht Bestseller?"
Falls Sie Ambitionen hegen, liebe Hörer, lesen Sie bitte selbst!
Denn das war’s für heute. Wir klappen die Feuilletons zu und lassen uns den letzten Seufzer von einer Überschrift in der WELT soufflieren. Sie lautet:
"Endlich weniger Kultur."