"Wahnsinnige BRD-Slapstick-Groteske"
Die Feuilletons zeigen sich begeistert von Oskar Roehlers Film "Tod den Hippies! Es lebe der Punk", der in die Kinos kommt. Es sei der "versiffte Film" eines "begnadeten Spinners" über Westberlin vor dem Mauerfall, findet die "SZ".
"Mit dem Umsiedlungsgesetz wurden nur jene Armenier aus dem Kriegsgebiet entfernt und in die sicheren Regionen des Landes gebracht, die sich an den Aufständen beteiligt hatten. Diese Vorgehensweise hat auch das Leben der übrigen armenischen Bevölkerung gerettet (...)."
Ein verstörender Auszug aus einem aktuellen türkischen Geschichtsbuch für die Schulklasse 10. Rainer Hermann zitiert ihn in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. 2015 jähre sich zum hundertsten Mal der Beginn des Massenmordes an den Armeniern, gibt Hermann zu bedenken. In den türkischen Schulbüchern werde er aber immer noch verschwiegen. Die Deportation der Armenier im Jahr 1915 sei einem Todesurteil gleichgekommen:
"Nicht nur Männer, auch Frauen, Alte und Kinder wurden auf einen langen Fußmarsch geschickt, der in der syrischen Wüste enden sollte", schreibt der FAZ-Autor weiter. "Die meisten starben durch Hunger, Krankheit oder Epidemien; viele wurden vorsätzlich getötet."
In den türkischen Schulbüchern klingt das allerdings wie eine liebenswürdige humanitäre Aktion:
"Um die Bedürfnisse der umgesiedelten Armenier unterwegs zu stillen, wurden eigens Beamte beauftragt. (...) Man achtete darauf, dass der Boden an den Zielorten fruchtbar war und es an Wasser nicht mangelte."
Mit dem vermeintlich "fruchtbaren Boden" sei die "wasserlose syrische Wüste" gemeint, erläutert Rainer Hermann in der FAZ den Zynismus dieser türkischen Geschichtsklitterung.
Israelischer Architekt recherchiert Auseinandersetzungen mit Gaza
Vom Völkermord zum Kriegsverbrechen, vom Verschleiern zur Aufklärung: Jörg Häntzschel stellt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG den israelischen Architekten Eyal Weizman vor. Der entwirft keine Häuser, sondern betreibt sogenannte "forensische Architektur", um Kriegsverbrechen aufzuklären. So hat er gerade für Amnesty International untersucht, was genau am 1. August 2014 in Gaza passierte.
Drei Hamas-Leute hatten während eines Waffenstillstandes mit Israel zwei israelische Soldaten getötet und einen weiteren gefangengenommen. Danach griff Israel Gaza an. 150 bis 200 Menschen, vor allem Zivilisten, seien bei diesem Angriff gestorben. Weizman sammelte mit seinen Mitarbeitern in sozialen Netzwerken Handy-Videos dieses Tags in Gaza:
"Wir versuchen, festzustellen, von wo aus ein Video aufgenommen wurde. Wir vermessen die Rauchwolken, wir analysieren die Schatten, entwickeln 3-D-Modelle und identifizieren Orientierungspunkte – bis wir am Ende eine Chronologie mit dem genauen Ort jeder Explosion haben."
Mit dieser Methode will Waizman Schockierendes herausgefunden haben:
"Nach unseren ersten Erkenntnissen lassen Ablauf und Orte der Einschläge vermuten, dass Israel versucht hat, den eigenen Mann nicht zu retten, sondern zu töten, um zu verhindern, dass die Palästinenser ihn als Pfand benützen."
Begnadet und versifft
"Das bringt nur ein begnadeter Spinner wie Oskar Roehler fertig", ruft David Steinitz begeistert in der SZ aus. Roehler habe einen "völlig unnostalgischen und also versifften Film über das Berlin der Achtzigerjahre gedreht". Jetzt kommt "Tod den Hippies! Es lebe der Punk" in die Kinos. Roehlers Alter Ego Robert ist Punk und flieht aus der Provinz nach Westberlin. Seine Begründung: "Die tragen Strapse in Berlin!" Sein erster Job: Er muss in einem Stripclub am Bahnhof Zoo Sperma wegwischen.
Dieser Film sei eine "vollkommen wahnsinnige BRD-Slapstick-Groteske", findet Steinitz in der SZ. Auch Christian Schröder vom TAGESSPIEGEL ist regelrecht hingerissen von diesem Film, in dem sich Roehler vom Pathos früherer Werke verabschiedet habe. Am Ende trete Robert mit der Band Anal Fucking Bastards in einer Nachtbar auf. In den Worten des Filmkritikers:
"Sie spielen Punkrock mit Bohrmaschinengeräuschen. Die Zuhörer pfeifen, johlen und werfen Gegenstände. Ein Ausdruck von Ablehnung? Oder von Begeisterung? Schwer zu sagen."