Aus den Feuilletons

Walsers beschädigtes Ego

Der Schriftsteller Martin Walser
Der Schriftsteller Martin Walser leidet unter der öffentlichen Kritik an seinen Büchern und Positionen. © dpa / picture alliance / Patrick Seeger
Von Adelheid Wedel |
"Schreiben und Leben" heißt der neu veröffentlichte vierte Teil der Tagebücher von Martin Walser: Der beste, spannendste und intimste Band bisher, resümiert die "Berliner Zeitung" – voller Sehnsucht nach Bestätigung.
"Arm, sexy, geschichtsvergessen", so könnte später das Urteil über Berlin und seine Kunst lauten, warnt Catrin Lorch in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Was sie eigentlich umtreibt, ist die Frage:
"Wer hütet das Kunsterbe der Berliner Nachwendezeit?"
Sie erinnert daran, wie es Hunderte Künstler aus aller Welt nach dem Mauerfall nach Berlin zog, wo sie
"in alten Mietskasernen, abgewickelten Fabriken oder aufgegebenen Geschäften ihre Ateliers einrichteten. Es waren so viele, dass Berlin Kunststadt wurde. Der Markt folgte, es entstanden Galerien, Messen, eine Szene."
Was wird aus der Kunststadt Berlin ?
Und dann das ultimative Lob:
"Berlin um die Jahrtausendwende, das war wie Paris um 1900, wie New York in der Nachkriegszeit."
Catrin Lorch stellt die bohrende Frage:
"Was bleibt, wenn die großen Tage vorbei sind? Was bleibt an Kunst in den Museen?"
Ernüchternd die Feststellung:
"Die Berliner Kunst der Neunziger hat in der Stadt selbst bislang keinen institutionellen Paten gefunden."
Anlässlich der Berliner "Art Week" ließ Kulturstaatssekretär Tim Renner vernehmen, "er werde sich darum bemühen, die Ankaufsetats der Museen zu erhöhen."
Höchste Zeit, meint die Autorin der SZ, denn "wenn die Kunst nicht aufpasst, wird über diese Zeit irgendwann tatsächlich nur noch der kitschige Romantizismus 'arm aber sexy' bleiben. Sexy, aber zu mittellos, um sich über die eigene Geschichtsschreibung ausreichend Gedanken zu machen."
Wissen der Welt in Darmstadt
In längeren Zeiträumen gedacht, scheint es mit dem Sammeln und Aufbewahren manchmal doch zu klappen. Das beweist das Landesmuseum in Darmstadt, das, wie Gottfried Knapp in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG schreibt, "noch einmal das Wissen der Welt vereint."
Die Feuilletons schreiben anerkennend: Nach sieben Jahren Sanierung ist "ein Wunder der Verlebendigung"zu bestaunen.
"Es konnte eine Einheit zwischen der wieder sichtbar gemachten historischen Architektur und den aus unterschiedlichen Regionen und Zeiten stammenden Exponaten geschaffen werden, die beiden Bereichen zu ungeahntem Glanz verhilft", resümiert die SZ.
Der TAGESSPIEGEL jubelt:
"Die Verjüngungskur hat ein Juwel des Museumsbaus wiedererstehen lassen."
Das Haus besitzt 13 Abteilungen von Archäologie bis Zoologie.
"Einst war es dazu bestimmt, die ganze Fülle sammelbarer Objekte aus Natur und Kultur herzuzeigen – und somit die Gesamtheit menschlicher Forschungs-gebiete, soweit sie sich auf physische Objekte erstrecken."
Und so ist es kein Geheimnis, dass das Museum mit mehr als einer Million Objekten "keinen Vergleich mit den ganz großen Universalsammlungen in London, Paris oder Berlin scheuen muss."
Bernhard Schulz kommentiert begeistert:
"70 Jahre nach seiner Zerstörung ist eines der schönsten Museen Deutschlands wieder zu besichtigen, kein Déjà-Vu, sondern eine Entdeckung."
Bedrängter Martin Walser
Martin Walser hat sein viertes Tagebuch veröffentlicht.
"Es ist das bislang beste und reichste von allen, das spannendste und intimste", schreibt Martin Oehlen in der BERLINER ZEITUNG. Die Jahre 1979 bis 1981 werden im vierten Band "Schreiben und Leben" verhandelt.
"Man mag es ja kaum glauben, aber dieser so wortmächtige, geistesblitzende, anerkannte und erfolgreiche Autor ist nicht gerade arm an Bedrängnissen", fasst Oehlen zusammen. Selbst der Büchnerpreis, den er 1981 erhält, löst nicht den Druck. Es bleibt "die Sehnsucht nach Bestätigung" Thema in Werk und Leben. Es sind vor allem"die öffentlichen Auseinandersetzungen, die ihm zusetzen. Kritik an seinen Büchern, an seinen Positionen."
Auch Rainer Moritz macht in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG darauf aufmerksam, dass der Erfolgsautor "permanent um sich und um die Beschädigungen seines Egos kreist."
Gelegentlich erwägt Walser, "das ihn ständig enttäuschende Haus Suhrkamp zu verlassen. Er träumt davon, den ihm verhassten und ihm zugleich unentbehrlichen Kulturbetrieb den Rücken zu kehren."
Zitat Walser:
"Eine Trennung von Lack und Luxus der Gesellschaft. Das wäre befriedigend für mich."
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