Warum Popstars die Arbeit von Politikern erledigen
"Väterchen Rock rettet die Welt", schreibt "Die Welt" über das neue musikalische Hilfsprojekt von Bob Geldof - und lässt den Live-Aid-Initiator erklären, wie vor 30 Jahren alles begann, als Geldof hungernde Kinder im Fernsehen sah.
"Einst war die Gegend um die kleine türkische Stadt Reyhanli, unmittelbar an der Grenze zu Syrien, unberührt von den Ereignissen der Welt. Heute werden dort Drogen und Waffen geschmuggelt und neuerdings sogar Menschen", schreibt Güner Yasemin Balci in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Die 1975 in Berlin geborene Autorin ist türkisch-kurdischer Herkunft und weiß, wovon sie schreibt. Ihr Artikel ist Anklage und Protest zugleich.
"Zwar mag die Türkei nicht der Rechtsstaat sein, den man sich als Deutscher wünscht", schreibt die Autorin, "immerhin aber habe das Land doch bisher die Last von mehr als einer Million syrischer und irakischer Flüchtlinge allein gestemmt". Dagegen wendet sie ein: "Doch das ist nur die halbe Wahrheit." Sie verweist auf einen Bericht des Menschenrechtsvvereins "Mazlumder", der dokumentiert, wie es um die Lage der syrischen Frauen und Kinder steht, Schätzungen zufolge sind dies 70 Prozent der Flüchtlinge. "Viele Flüchtlinge", so heißt es in dem Bericht, "werden von den Einheimischen erbarmungslos ausgebeutet", als billig bezahlte Erntehelfer, als Hausangestellte, "die wie Sklaven" behandelt würden.
"Es kommt zu sexuellen Übergriffen. Das seien keine Einzelschicksale, sondern die Regel. Nur die wenigsten wehrten sich. Schon allein, weil sie sich oft genug illegal und ohne Papiere im Land aufhielten." Die Autorin will darüber aufklären, denn sie stellt fest: "Westliche Medien zeigen meist nur die Bilder einiger ausgewählter türkischer Flüchtlingscamps, das wahre Elend, obwohl tausendfach gelebt, bleibt im Verborgenen."
"Maybrit Illner greift nicht ein"
Der TAGESSPIEGEL veröffentlicht eine harsche Kritik an der Sendung von Maybrit Illner zum Thema "Flüchtlinge in Deutschland". Richard Weber wirft ihr vor, sie sei an dieser Problematik "gescheitert", und zwar "massiv". "Das lag zum Teil an den Gästen, aber auch an der Moderatorin", urteilt der Rezensent. Offenbar ging es in der Sendung hoch her, "so dass auch dem tiefentspannten Buschkowsky, Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, der Kragen platzte".
Im allgemeinen Talkgetöse kommt auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer mit der Bemerkung zu Wort, "dass sich eh nur wirtschaftlich Wohlsituierte die teuren Schlepper-Kosten leisten" könnten. Wie kommt er zu dieser Behauptung, möchte man nachfragen. Aber das tut die Moderatorin nicht. "Maybrit Illner greift nicht ein", berichtet der Autor und fasst enttäuscht zusammen: "60 Minuten babylonische Sprachverwirrung. Und das in deutscher Sprache."
"Väterchen Rock rettet die Welt", lesen wir in der Tageszeitung DIE WELT. Die Zeitung berichtet über das neues Hilfsprojekt von Bob Geldof: "Band Aid 30" gegen Ebola. In einem Berliner Clubhaus, so berichtet Michael Pilz, erzählt Geldof wie es vor 30 Jahren begann, als er im Fernsehen die hungernden Kinder in Äthiopien sah. Damals entstand der Song "Do They Know It's Christmas".
"Es hat geholfen, die Not in Afrika zu lindern, 250 Millionen Dollar seien seither eingespielt und eingezahlt worden durch Band Aid, Band Aid 11 und zuletzt Band Aid 20 vor zehn Jahren."
"Die große Koalition der Popmusik"
Nun geht es wieder los. Geldof hat Campino von den "Toten Hosen" zum Band Aid-Botschafter von Deutschland ernannt. "Die große Koalition der Popmusik heißt im Advent 2014 und zum Jubiläum der Welthungerhilfe 'Band Aid 30'." Weltweit werden sich die Musiker wieder im Studio einfinden: "In Großbritannien treffen sich Chris Martin, One Direction und Adele mit ihren britischen Kollegen, in Amerika werden die Aufnahmen von Quincy Jones betreut, in Frankreich trommelt Carla Bruni ihre Landsleute zusammen."
An der deutschen Version von "Do they know it's Christmas" werden so grundverschiedene Künstler wie Max Herre und Max Raabe, Cro und Haftbefehl mitwirken. Es gehe nicht vordergründig um die Musik, sagt Campino, "es geht um die Geste, und diesmal geht es um Ebola". Geldofs Kommentar dazu: "Ich habe nie ganz verstanden, warum Popstars auch die Arbeit von Politikern erledigen müssen. Fuck you."