Aus den Feuilletons

Was auf Kuba Kunst sein darf

04:19 Minuten
Die kubanische Künstlerin Tania Bruguera sitzt auf einem Stuhl.
Die kubanischen Behörden regulieren den Kunstbetrieb, berichtet die "NZZ". Die Künstlerin Tania Bruguera steht derzeit unter Hausarrest. © Getty Images / The Washington Post / Kontributor / Noah Friedman-Rudovsky
Von Tobias Wenzel |
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Was auf Kuba als Kunst gilt, bestimmen Behörden, wogegen es immer wieder Proteste gibt. Viele Künstler stehen derzeit unter Hausarrest, berichtet die "NZZ". Auch Tania Bruguera, nachdem sie dem Vize-Kulturminister Kubas eine kritische Frage stellte.
"Was genau meinen diejenigen im deutschen Kulturbetrieb, in der Wissenschaft oder in der Welt der Museen, die da nun auch am Donnerstag in Berlin beklagen, man könne hierzulande nicht mehr Israel kritisieren, ohne seine Karriere aufs Spiel zu setzen?", fragt Ronen Steinke in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Was da suggeriert wird, nämlich, die Meinungsfreiheit sei in Gefahr, findet Steinke "erstaunlich". Die Anti-BDS-Resolution des Bundestages sei ja nicht bindend. Selbst schrille Israel-Boykotteure dürften weiter eingeladen werden. Steinke fragt deshalb mit Blick auf den Auftritt der Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen: "Was soll diese Ohnmachtspose?"
Andreas Kilb gibt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG die Historikerin und Mitunterzeichnerin der Erklärung Barbara Stollberg-Rilinger mit den Worten wieder, man dürfe Boykott (gemeint ist der des BDS gegenüber Israel) nicht mit Boykott beantworten. "Warum eigentlich nicht?", fragt Kilb. "Die BDS-Bewegung verneint das Existenzrecht Israels; eine Verbreitung ihrer Standpunkte mit Hilfe von Steuergeldern liegt deshalb nicht im Interesse des deutschen Staates."

"Diskursfeindliches Geraune"

"Kilb kritisiert, dass in der jetzigen Erklärung behauptet wird, die Resolution des Bundestages habe "wichtige Stimmen beiseite gedrängt", aber niemand sagen wolle, welche das denn seien:
"Und genau an diesem Punkt wird die Initiative der Kultur-Häuptlinge und -Häuptlinginnen zum diskursfeindlichen Geraune. Denn wer öffentlich beklagt, er dürfe zu seinem Festival oder Forum, seiner Tagung oder Inszenierung nicht mehr einladen, wen er wolle, soll Namen, Themen und Zensurverantwortliche nennen, statt Erklärungen zu unterzeichnen, in denen 'Anderssein' als 'demokratische Qualität' gepriesen und das Publikum salbungsvoll aufgefordert wird, 'die eigene privilegierte Position als implizite Norm kritisch zur Disposition' zu stellen." Der umstrittene kamerunische Soziologe und Historiker Achille Mbembe, dem Antisemitismus vorgeworfen wurde, dürfe jedenfalls weiter in Deutschland auftreten.

Künstler unter Hausarrest

Vielleicht lohnt da der Blick dorthin, wo zweifelsfrei keine Meinungsfreiheit erlaubt wird: in Kuba. Ob es in Kuba verboten sei, anderer Meinung zu sein, fragte die Künstlerin Tania Bruguera den Vize-Kulturminister Kubas am 27. November. Offensichtlich ist das verboten, denn nun steht die Künstlerin wie viele ihrer Kollegen unter Hausarrest. Darüber berichtet Knut Henkel in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG.
Seit 2018 protestiere die Bewegung "San Isidro" gegen ein Gesetz zur Regulierung des Kunstbetriebes. Die kubanischen Behörden, so Henkel, "können Ausstellungen und künstlerische Darbietungen in Privaträumen unterbinden, bei ihnen liegt die Macht zu entscheiden, was auf der Insel als Kunst gilt und wer sich als Künstler bezeichnen und registrieren lassen darf."
Als einige Künstler der Bewegung ins Kulturministerium eingeladen wurden, keimte Hoffnung auf. Das Ministerium brach aber dann den Dialog ab, mit der Begründung, die Künstler hätten sich mit den USA, dem Staatsfeind Nr. 1, verbündet.

Staatsfeind Nummer 1

Feind Nr. 1 weltweit ist wohl gerade das Coronavirus. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hat in einer hundert Jahre alten Ausgabe der Schweizer Satirezeitschrift "Nebelspalter" ein langes Gedicht entdeckt, das sich auf die Maßnahmen gegen die damaligen Grippe und die Reaktionen darauf bezog, aber, wenn man "die Grippe" durch "das Coronavirus" ersetzt, perfekt ins Hier und Jetzt passt. Ein kurzer Auszug:
"'Das war es nicht, was wir gewollt.
Gebt frei das Tanzen, Saufen.
Sonst kommt das Volk -
hört, wie es grollt,
Stadtwärts in hellen Haufen!
Die Grippe, die am letzten Loch
Schon pfiff, sie blinzelt leise
Und spricht: 'Na endlich – also doch!'
Und lacht auf häm'sche Weise."
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