Was die AfD und die RAF gemeinsam haben
Die TAZ sinniert über Parallelen zwischen Pegida und der RAF, und die Süddeutsche konstatiert: In Gestalt von Pegida ist der europäische Protest auch in Deutschland angekommen.
In der TAZ fragt Micha Brumlik:
"Was haben Pegida, die AfD und die RAF miteinander gemeinsam?"
Er meint:
"Wie bei der AfD zeigte sich auch bei der RAF die heimliche Liebe des deutschen Bürgertums zu politischen Desperados. Was Andreas Baader für Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin war, war für Gauland und Petry der nicht nur wegen Kokainbesitzes verurteilte Bachmann: Ausdruck der vor sich selbst verborgenen geheimen Lust zuzuschlagen."
Dabei sollen wir doch nicht zuschlagen, sondern reden, findet Joachim Güntner in der NZZ. Aber mit wem? Doch nicht etwa mit jedem? "Schmuddelkinder" ist Güntners Reflexion über "Nutzen und Grenzen des Dialogs" überschrieben, in der es heißt:
"Gegenwärtig ist das Panoptikum der Schmuddelkinder eher politisch denn sozial bestimmt: Spaziere nicht mit Pegida-Anhängern, singe nicht ihr Deutschlandlied. Halte dich von ihren Anführern fern, denn das sind 'rechtspopulistische Rattenfänger'."
Dass dem nicht so sein muss, erklärt der Politikwissenschaftler Markus Linden in der FAZ: "Was Pegida auf die Straße bringt", ist seiner Meinung nach ein "Furor gegen die etablierte Politik und die Medien." Linden meint:
"Sigmar Gabriel hat verstanden, dass man es sich mit einer Totalverweigerung gegenüber den Totalablehnern nicht zu leicht machen darf, um weiter als Volkspartei existieren zu können. Die anonyme Bewegung ist nämlich nicht genuin rechts. Wir sehen nur Teile, die im angeblichen Antiislamismus, vorgetragen von tendenziell fremdenfeindlichen Wutbürgern, ein zweifelhaftes Feld der Ankopplung finden. Morgen wird es ein anderes Thema sein."
"Allah, sein Prophet und dem Prophet sein Buch sind mir persönlich egal"
Deniz Yüzel stellt zudem in der TAZ fest, wie im Zuge dieses Antiislamismus "Türken zu Muslimen und Ausländer zu Andersgläubigen geworden sind. Ich trage", schreibt er, "zwar z, y und ü im Namen, aber es gibt keinen Text von mir, aus dem man folgern könnte, ich sei 'demokratischer Muslim'. Allah, sein Prophet und dem Prophet sein Buch interessieren mich als journalistisches Thema, persönlich sind sie mir egal. So ähnlich geht es den meisten meiner türkischen bzw. deutschtürkischen Freunde, ob in Istanbul oder in Berlin. Sie sind keine 'säkularen Muslime', keine Aleviten, jedenfalls nicht im religiösen Sinn... Muslime sind sie allenfalls, wenn irgendwelche Arschgeigen sie fragen - im Sinne Ilja Ehrenburgs, der mal sagte, solange es Antisemitismus gäbe, sei er Jude."
Thomas Kirchner ruft uns in der SÜDDEUTSCHEN zu: "Willkommen in der Realität". Er meint:
"Es hat etwas gedauert, aber nun ist das Phänomen in Gestalt von AfD und Pegida offensichtlich auch in Deutschland angekommen: eine Protestbewegung, die ganz Europa erfasst hat. Es ist ein Protest gegen das politische Establishment, deren Vertreter als abgehobene Elite gesehen werden, die die Interessen der "einfachen Bürger" nicht mehr wahrnehme."
Wer sich auf der Verliererseite wähnt, kann gegen den Islam schimpfen
Es ist halt 25 Jahre nach dem Mauerfall wie bei Monopoly. Das macht auch nur Spaß, solange noch offen ist, wer die Schlossallee hat und die ersten Hotels baut. Danach geht es halt so seinen Gang. Wer sich auf der Verliererseite wähnt, kann gegen den Islam schimpfen, Lotto spielen oder neuerdings auch – Vorsicht: Geheimtipp! - Monopoly-Spiele kaufen. Die TAZ meldet:
"In Frankreich ist seit Montag der Spieleklassiker Monopoly mit Echtgeld in Umlauf: Zum 80. Jubiläum können laut Hersteller 80 Käufer Geldpakete in den Spielkartons finden. Meist sind es 150 bis 300 Euro, in einem Karton liegt die gesamte Spielsumme: 20.580 Euro."
Es ist, analysiert die TAZ, "das Modell American Dream, das auf der Hoffnung aufbaut, einmal the lucky one zu sein - auf der wiederum der Kapitalismus baut, der den Großteil der Menschheit im Elend lässt und selbst keinerlei Motivationsstrukturen zu bieten hat. Der Witz ist dabei aber irgendwo zwischen Kaufhaus und Kasse verloren gegangen. Denn Monopoly war 1935 in der Weltwirtschaftskrise ausgerechnet von einem Arbeitslosen erfunden worden."
Im TAGESSPIEGEL erinnert Steve Wasserman an Susan Sontag, die vor zehn Jahren gestorben ist. Er zitiert einen Sontag-Satz, den sich beide Seiten – die vermeintlichen Gesellschaftsverlierer wie die, die am Liebsten nicht mit ihnen reden würden – hinter die Ohren schreiben sollten:
"Meiner Ansicht nach ist nur eine Art der Intelligenz eine Verteidigung wert, die kritisch, dialektisch und skeptisch ist und Dinge nicht vereinfacht."