Was kommt nach Büchners kurzer Ära?
Die Entlassung des Spiegel-Chefredakteurs Wolfgang Büchner ist das Thema in den Feuilletons. Die WELT schreibt über die Zweiklassengesellschaft aus Print- und Online-Redakteuren, die FAZ über die schlechte finanzielle Situation des Spiegel-Verlags.
Jetzt sei die Sitcom mit dem Titel "Wer ist hier der Boss?" vorbei, schreibt mit einem guten Schuß Häme die TAGESZEITUNG über die Entlassung des Spiegel-Chefredakteurs Wolfgang Büchner und führt aus:
"Dass nun auch dieser letzte Tag, das Soap-Finale, derart konfus gescriptet ist, passt zur Komödie, die beim Spiegel seit Büchners Antritt vor 15 Monaten aufgeführt wird."
Privilegierte Heftredakteure und Online-Matrosen
Dass hier alles konfus gescriptet war, finden auch die anderen Zeitungen, die alle über dieses Thema schreiben, doch dass es sich um eine Komödie handelt, kann man bezweifeln, manch einer sieht darin eher eine Tragödie, einen
"Clash of Civilizations",
wie die WELT das Gerangel zwischen den oft etwas dünkelhaft auftretenden Print-Redakteuren und den Online-Textern nennt. Reinhard Mohr, selbst gewesener Spiegel-Redakteur plaudert in seinem WELT-Artikel aus der guten alten Zeit:
"Schließlich ist es keine Ewigkeit her, daß die vielfach privilegierten Heftredakteure mit Handtuch und Bademantel in die verlagseigene Sauna marschierten und sich anschließend schön massieren ließen. Dann Kaffee und Kuchen. Die meist deutlich jüngeren Online-Matrosen müssen für viel weniger Geld unter Deck im Akkord arbeiten, Nachtschichten inklusive. Manche 'Spiegel'-Redakteure brüsteten sich, niemals die Webseite anzuklicken."
Spiegel-Verlag steuert auf rote Zahlen zu
Das ist nun alles vorbei, und warum es vorbei ist, erklärt Michael Hanfeld in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN mit Hilfe von ein paar Zahlen:
"Die Frage ist nur, ob beim 'Spiegel' (Umsatz 2013 rund dreihundert Millionen Euro, Auflage 890.000 Exemplare) allen klar ist, in welcher Lage sich der Verlag wirklich befindet. Er steht nämlich davor, mittelfristig rote Zahlen zu schreiben."
Und das, lesen wir ein paar Zeilen weiter,
"bedeutet nichts anderes, als dass beim 'Spiegel' im nächsten Jahr als Ultima Ratio betriebsbedingte Kündigungen anstehen. In einer solchen Lage hat sich der 'Spiegel' noch nie befunden."
Wohl aber die FAZ, in der das steht. Sie steckt bereits mitten in diesem schrecklichen Sanierungsprozeß. Daß es beim Spiegel mit dem Rauswurf des ungeliebten Chefredakteurs Büchner und des Geschäftsführers Saffe nicht getan ist, betonen alle Kommentatoren, denn die finanziellen Zukunftsprobleme der Qualitätspublizistik bleiben bestehen und die Unregierbarkeit des Spiegel sowieso. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG beschreibt die Nachfolgersuche so:
"Wer will Dompteur in einem Zirkus werden, in dem die Tiger dem Vorgänger den Kopf abgebissen haben?"
Hoffnung auf ausgleichenden Nachfolger
Nun soll es der bisherige Vize Klaus Brinkbäumer richten, immerhin Egon-Erwin-Kisch-Preisträger und eine ausgleichende Natur.
"Die Erleichterung, die mit seiner Berufung einkehrt",
schreibt Ulrike Simon in der BERLINER ZEITUNG,
"muss Brinkbäumer aber auch schnell in Energie ummünzen. Von Januar an erscheint der gedruckte Spiegel sonnabends. Darauf haben sich alle Konkurrenten vorbereitet, nur nicht der Spiegel mit seinem monatelangen Führungsvakuum."
Harnoncourts mutiger Schritt
Am Tag vor Nicolaus Harnoncourts 85. Geburtstag bringt die WELT ein Interview mit dem – wer hätte es gewusst? – zufällig in Berlin Geborenen. Darin erklärt der in Graz aufgewachsene und in Wien ausgebildete Cellist und Dirigent, warum er mit 40 alles – in jedem Sinne – aufs Spiel setzte und seine Festanstellung bei den Wiener Symphonikern verließ:
"Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen, Werke wie Mozarts g-moll Sinfonie auf eine Weise zu spielen, die ich total ablehnte. Da sprang ich ab, ohne Pläne, also ohne Netz. Wir hatten da schon vier Kinder, aber meine Frau ermutigte mich."
Die kleine Nachfrage, was Harnoncourt denn da so sehr gestört hat, brachte sein Interviewer Manuel Brug nicht übers Herz. An anderer Stelle im WELT-Feuilleton kommentiert Brug die aus dem Ruder laufenden Kosten für die Sanierung der Berliner Staatsoper und meint, man hätte besser neu gebaut. Nun aber werde
"für viel zu viel Geld eine preußische Architekturfantasie verwirklicht, die es – bis auf den einzig wohl noch originalen korinthischen Eingangsportikus – so nie gegeben hat."