Aus den Feuilletons

Was von Donald Trump bleibt

06:26 Minuten
Trump-Mützen, Trump-Tassen, Trump-Pullover und Trump-Figuren warten in einem Regal auf Abnehmer.
"Make America great again": Merchandise-Produkte von Donald Trump gibt es zuhauf. © imago images / ITAR-TASS / Dmitry Kirsanov
Von Klaus Pokatzky |
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Lady Gaga hat sich für die Vereidigung von Joe Biden angekündigt. Doch sein Vorgänger wird fehlen. "Zurück bleiben wir mit unübersehbaren Mengen von Trump-Mützen, Trump-Büchern, Trump-Videos, Trump-Witzen", bilanziert die "FAZ".
"Ritter sind von gestern – und vielleicht doch ziemlich modern." So machte uns die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG in diesen wirren und irren Tagen Mut. "Ritter sein bedeutete Kraft und Heldentum, Klugheit und Anstand", beschrieb Sarah Pines die mittelalterlichen Recken. "Schreiben konnten sie nicht." Nobody is perfect.
"Wir sind fest in Gottes Hand." Das könnte durchaus von einem Ritter stammen. "Wir sind nicht allein gelassen auf dieser Welt", sagte aber Volker Kauder. "Wir machen Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes. Wir nehmen den Menschen so, wie er ist", erklärte der CDU-Politiker im Interview mit CHRIST UND WELT, der Beilage der Wochenzeitung DIE ZEIT.
Aber bei der Toleranz gibt es dann doch Grenzen, denn Volker Kauder kann sich "gar nicht vorstellen, dass wir auf so widerwärtige Weise arbeiten würden, wie es die Republikaner getan haben. Selbst nach den Krawallen im Kapitol waren einige nicht bereit, das zu verurteilen, was Trump da angepackt hat."

Karnevalsstimmung und sorglose Brutalität

Und was der amerikanische Nochpräsident und seine Knappen da angepackt haben, hat sich natürlich durch alle Feuilletons der Woche gezogen. "Grunzend zufrieden, mit einem sardonischen Grinsen im Gesicht, die Stiefel auf dem Tisch, ein Scotch noch, und die rabiaten Lümmel wären glücklich gewesen – so sah man Trumps Fußvolk, nachdem es sich ins Kapitol geprügelt hatte", beschrieb Thomas Assheuer die unvergesslichen Szenen in der ZEIT.
"Währenddessen fiel mir die Karnevalsstimmung auf und die sorglose Brutalität; das Gefühl von Immunität, die die Randalierer aufgrund ihres Weißseins zu haben meinten", schrieb die amerikanische Schriftstellerin Siri Hustvedt im Magazin DER SPIEGEL über die Kapitol-Besetzer.
"Der populistische Glaube, die ethnische Mehrheit eines Landes habe Vorrechte und Minderheiten müssten nicht bedacht werden, ist wie ein Parasit für den politischen Körper der liberalen Demokratie, weil er ausgerechnet die Institutionen unterminiert, auf denen er beruht. Er nährt sich am Prinzip des Sündenbocks, bei dem die Schuld am Unbehagen und Elend einer Gemeinschaft stets dem anderen gegeben wird", meinte Siri Hustvedt.
"Viele dieser rechtsextremen Gruppen glauben an eine geheime jüdische Weltverschwörung, wie Goebbels sie für seinen Propagandakrieg im Dienst der Nazis postulierte."

Wie ein starker Koksrausch

Und da stellt sich natürlich die Frage, wie die Erstürmung des Kapitols unter Gleichgesinnten in Deutschland ankam. "Das war wie ein starker Koksrausch, bei dem auf extreme Euphorie dumpfe Depression folgt", meinte dazu der Rechtsextremismus-Forscher David Begrich.
"Anfangs wurde das mehr oder minder unverhohlen begrüßt", sagte er im Interview mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Als sich dann abzeichnete, dass das Ganze nicht zum Umsturz führt, schwenkte man um, und es wurde so getan, als sei das eine vom Establishment geplante 'False Flag'-Aktion gewesen, eine Inszenierung, die Trump schaden sollte."
Aber wenigstens kann der so was jetzt nicht mehr herumtwittern. "Twitter und Facebook sperren Donald Trump, um zu verhindern, dass er zu mehr Gewalt anstiftet", hieß es in der Tageszeitung TAZ.
"Der technisch simple Vorgang manifestiert eine neue Realität im Staatswesen", stand in der SÜDDEUTSCHEN zum Abschalten von Trump. "Das war ein historischer Wendepunkt. Er bestätigte die digitale Welt offiziell als fünfte Macht im Staat", meinte Andrian Kreye.

Auch klassische Medien wählen aus, was sie veröffentlichen

"Die Monstrosität einer Machtfülle", beklagte Mladen Gladić in der Tageszeitung DIE WELT und meinte, "dass multinationale Unternehmen einen noch amtierenden US-Präsidenten fast komplett verstummen lassen können; dass sie mächtiger sind als der mächtigste Mann der Welt."
Nun hat der mächtigste Mann der Welt immer noch eine Pressestelle und seine Verlautbarungen werden nach wie vor von allen Medien verbreitet. Und sind Twitter und Facebook nicht genauso private Unternehmen wie der Springer-Verlag, in dem DIE WELT erscheint und zu dem einst die Achtundsechziger in Deutschland forderten: "Enteignet Springer"? Dürfen private Medien nicht entscheiden, vom wem sie etwas veröffentlichen und von wem nicht? Fragen über Fragen.

Lady Gaga wird am 20. Januar die Nationalhymne singen

"Man hat Trump vorgeworfen, er habe mit der Regel gebrochen, jeder Präsident solle ein kuscheliges Haustier haben", klärte uns die NEUE ZÜRCHER über einen anderen wichtigen Aspekt zu den letzten vier Jahren auf. "Ein weiteres Mal zeigt sich Biden als großer Restaurator der Normalität: Er wird eine Katze ins Weiße Haus bringen."
So erfreute uns Jan-Werner Müller mit dieser Nachricht über den neuen Präsidenten Joe Biden, dessen Amtseinführung am kommenden Mittwoch "mit großem Staraufgebot" über die Bühne gehen soll, wie die TAZ versprach: "Lady Gaga wird, so ist es geplant, auf den Treppenstufen des Kapitols in Washington die Nationalhymne singen."
Und was bleibt von seinem Vorgänger? "Zurück bleiben wir mit unübersehbaren Mengen von Trump-Mützen, Trump-Büchern, Trump-Videos, Trump-Witzen", zog die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Bilanz.
"Wie viele Dissertationen über ihn in Arbeit sind, will man gar nicht wissen", schrieb Paul Ingendaay. "Ihn zu deuten und sein politisches, gesellschaftliches und mediales Erbe zu erfassen – sofern er tatsächlich geht und nicht etwa wiederkommt – ist die Aufgabe der nächsten Jahre."
Die Feuilletons freuen sich schon.
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