Aus den Feuilletons

"Wem gehört Anne Frank?"

Von Hans von Trotha |
Erst wenn sich Anne Franks Todestag 2015 zum 70. Mal jährt, werden die Rechte an ihrem berühmten Tagebuch fei. Doch das kümmert das ZDF offenbar wenig und sorgt mit einem geplanten Fernsehfilm für Irritationen.
Das Thema des Tages, fast alle Feuilletons haben es, lautet: "Wem gehört Anne Frank?" Mit der expliziten Frage machen WELT und TAGESSPIEGEL auf. Sie ist brisant angesichts der Tatsache, dass Anne Franks Todestag sich 2015 zum 70. Mal jährt - was in vielen Ländern bedeuten wird, dass die Rechte an ihrem berühmten Tagebuch frei werden.
Zwei Filme entstehen gerade, einer fürs Kino und ein zweiteiliger fürs ZDF. Der Kinofilm hat den Segen der Anne Frank Foundation, der Fernsehfilm nicht. Es wurden keine Rechte eingeholt, weil man ohne das Tagebuch auskomme. Hanns-Georg Rodek berichtet in der Welt:
"Der Drehbuchautor Fred Breinersdorfer, der seit zwei Jahren an dem Frank-Drehbuch arbeitet" - dem für den Kinofilm - " hält ohne inhaltlichen Bezug auf das Tagebuch die Schilderung des Lebens der Familie Frank zwischen 1939 und 1944 für "schlicht unmöglich". Er sei sehr überrascht, dass ein renommierter Sender sich gegen den erklärten Willen der Rechteinhaber eines so sensiblen Stoffes bemächtige."
Der TAGESSPIEGEL zitiert den Sender mit einem dürren:
"Es war und ist nicht die Absicht des ZDF, der Familie und dem Fonds respektlos zu begegnen. Im Gegenteil will der Sender gemeinsam mit dem Produzenten die herausragende historische Bedeutung von Anne Frank zum 70. Todestag im Jahr 2015 würdigen."
Der Produzent, das ist Oliver Berben. "Und weil der 'nichts tut, ohne seine Mutter unterzubringen', spottet die TAZ, 'kann man jetzt schon rätseln, welche Rolle sie bekommt. Wird sie die 15-jährige Anne spielen? Oder wird sie die Kastanie im Hof geben, auf die Anne immer blickte?"
Die SÜDDEUTSCHE hat den Stiftungsrat der Anne Frank Stiftung Yves Kugelmann im Interview. Der sagt:
"Oliver Berben ist ein guter Businessmann, er möchte Geld verdienen … Ist ja auch völlig ok und legitim. Nur sollte man die Rechte Dritter respektieren. Wenn ich einen Film über die Familie Berben machen wollte, würde ich zuerst dort anklopfen und fragen: Wollt ihr das?"
Nein, ist man da versucht, dazwischen zu rufen, das wollen wir ganz bestimmt nicht. - Aber wir werden ja nicht gefragt, wir sollen nur zahlen und schauen.
In der SÜDDEUTSCHEN berichtet Cathrin Kahlweidt gleich vom nächsten medial verpatzten Jahrestag:
"Ungarn streitet im Vorfeld des Gedenkens an den Einmarsch der Deutschen über seine Geschichtspolitik".
Wieder steht der Verdacht im Raum, dass Opfer instrumentalisiert werden sollen:
"Ungarn ist nicht der erste und nicht der einzige Staat, der sich - auch noch siebzig Jahre nach dem Holocaust - schwer tut mit der Auseinandersetzung über das eigene Erbe. Allerdings sind die Gräben seit dem Amtsantritt von Viktor Orbán noch tiefer geworden, als sie ohnehin waren. Kritiker werfen ihm vor, die zahlreichen Aktionen und Initiativen gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus in jüngster Zeit seien nichts als Show für den Westen."
Harmlos ist dagegen Dirk Knipphals' Erinnerung an seinen Großvater in der taz. Die druckt ein Kapitel aus dem Buch "Mein Großvater oder: Die Frage nach dem eigenen Glück". Knipphals fragt sich, warum sein Großvater nie eine Lebenskrise gehabt habe. "Krisen", vermutet Knipphals, "galten als weiblich; Frauen konnten Gefühle und Nerven zeigen, als Mann hatte man Haltung zu bewahren."
Meine Großmutter war da eher wie Dirk Knipphals' Großvater. Und sie hat nicht gern gegessen. Es hat sie gelangweilt. Genausogern hätte sie Pillen genommen. Das würde jetzt gehen.
"Was die Vernunft so alles runterwürgt", ist Leander Steinkopfs FAZ-Bericht dazu überschrieben: "Ein Unternehmer bietet Komplettersatz für jede Form der herkömmlichen Ernährung an - was einst Horrorvision war, ist jetzt Geschäftsidee." "Es handelt sich", heißt es da, "nicht um ein Nahrungsergänzungsmittel, sondern um ein 'total food replacement', einen Nahrungskomplettersatz. Die Firma liefert beutelweise Pulver, das man mit Wasser anrühren, mit Rapsöl aus beigelegten Karfiolen versetzen und mit einer Fischölkapsel garnieren soll." Die FAZ zitiert einen Netz-Journalisten, der sich einem Selbstversuch mit dem Zeug unterzogen hat: "Er sagt, es schmecke, wie es aussehe, graugelb, sämig, klumpig."
Ich weiß nicht, ob das meine Großmutter wirklich gestört hätte. Aber ich finde diese Nachricht vorläufig beruhigend.