"Wen betrauert dieser Mohammed?"
Die "FAZ" rätselt über den Titel der ersten "Charlie Hebdo"-Ausgabe nach dem Massaker in der Redaktion. Und in der "Zeit" sucht Amos Oz einen Schuldigen für die Probleme in islamischen Gesellschaften. Außerdem geht es in den Feuilletons auch um eine Ost-West-Liebesgeschichte und Woody Allen.
"Der Titel von 'Charlie Hebdo' ist ein Rätsel", schreibt Michael Hanfeld in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Und meint damit nicht den gezeichnet Mohammed mit Träne im Auge und dem Schild "Je suis Charlie". Was den Autor am Titelbild der neuen Ausgabe verwirrt steht darüber: "Alles ist vergeben". "Vergibt der Prophet den Cartoonisten?", fragt Hanfeld.
"Vergibt er allen, auch den Mördern? Oder vergeben die Überlebenden den Attentätern? Letzteres wäre ausgesprochen frivol. Vergebung ist den Hinterbliebenen der Opfer vorbehalten: der ermordeten Journalisten, der Polizisten und der Besucher des jüdischen Lebensmittelgeschäfts in der Rue des Rosiers, die von Tätern hingerichtet wurden, die in göttlichem Auftrag zu handeln glaubten. Also wen betrauert dieser Mohammed: die Ermordeten oder auch die Täter?"
In der Wochenzeitung DIE ZEIT bittet der israelische Schriftsteller Amos Oz: "Gebt nicht dem Islam die Schuld!" Um dann doch einen muslimischen Schuldigen zu benennen: "Das vielleicht schmerzhafteste Problem in vielen muslimischen Gesellschaften sind schlicht die Ehemänner. Ich meine diese Männer, die ihre Frauen zwingen, ungebildet, isoliert und zurückgezogen zu bleiben. Eine ungebildete Frau hat ihrem Kind wenig zu geben. Ein Kind, das wenig von seiner Mutter bekommt, bevor es in die Schule geht, ist geradezu dazu vorherbestimmt, hinter anderen zurückzubleiben, und kann auf diese Weise zu einer hungrigen, frustrierten, sogar gewalttätigen Person werden."
Sorge um die Haltung des Regisseurs
Die TAZ hingegen zitiert Michel Houellebecq:"Meine Rolle ist es nicht, zum sozialen Zusammenhalt beizutragen. Ich bin weder instrumentalisierbar noch verantwortungsvoll", sagte Houellebecq bezogen auf die aktuelle Situation in Frankreich. Und die TAZ meint dazu: "Man spürt nach den schrecklichen ersten Tagen dieses noch jungen Jahres: Plötzlich kann es durchaus verantwortungsvoll sein, 'verantwortungslos' zu handeln."
An der Berliner Schaubühne hat Armin Petras Christa Wolfs Erzählung "Der geteilte Himmel" auf die Bühne gebracht. 1968 geschrieben, erzählt die Liebesgeschichte von Rita, die im Osten bleibt und Manfred, der in den Westen abhaut. Ulrich Seidler formuliert in der BERLINER ZEITUNG 25 Jahre nach dem Mauerfall den unglaublichen Satz: Dass Petras "mit diesem DDR-Stoff ausgerechnet in der West-Berliner Schaubühne aufschlägt, fühlt sich auf beredte Weise anachronistisch und fremd an". Irene Bazinger von der FAZ sorgt sich hingegen um die Haltung des Regisseurs vor dem Text:
"Petras haut es nicht in seine Regiebeliebigkeitspfanne, wie er es ansonsten in zahlreichen Theatern zwischen München und Hamburg mit vielerlei Stücken zu tun pflegt. Nein, er verbeugt sich davor – so tief und so gerührt, dass ihm wenig einfällt, wie er mit der Vorlage umgehen könnte, und überdies naturgemäß aus den Augen verliert, was die Schauspieler auf der Bühne treiben."
Keine Sorge um Allens Kreativität
Ob es Woody Allen gelingen wird, eine Fernsehserie zu inszenieren, davon ist der 79-Jährige selbst nicht überzeugt. DIE WELT zitiert ihn mit den Worten: "Ich habe keine Ideen, und ich bin nicht sicher, wo ich anfangen soll." Doch der Vertrag ist unterschrieben und die Serie soll bald im Streaming-Dienst "Amazon Prime" laufen. Hanns-Georg Rodek von der WELT macht sich um Woody Allens Kreativität keine Sorgen. Er erklärt lieber wie normalerweise bei "Amazon Prime" gearbeitet wird:
"Piloten werden gedreht und online gestellt, dann jede Reaktion gemessen: wie viele Zuschauer klicken darauf, wie viele schauen bis zum Ende, wie viele streamen den Piloten mehr als einmal – und alles in Relation dazu, ob diese Kunden mehr Deospray kaufen oder mehr Brillengestelle. Amazon Studios stehen Netflix oder Google in ihrer Datensammel und -nutzungswut in nichts nach."
Woody Allen und Amazon. Dazu fällt einem doch eigentlich nur ein Woody-Allen-Filmtitel ein: What ever works. Oder eben die etwas holprige deutsche Übersetzung: Liebe sich wer kann.