Wenn deine Stadt dich hasst
Mit drastischen Mitteln gegen Obdachlose: In London gibt es zum Beispiel spezielle Stacheln, die verhindern, dass sich Menschen an bestimmten Orten setzen können, erfahren wir in der "SZ". Wie wäre es damit, die Gründe der Obdachlosigkeit zu bekämpfen, fragt der Autor?
"Deine Stadt hasst dich", titelt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Doch bleiben Sie bitte vorläufig ganz ruhig, liebe Hörer!
Sie persönlich müssten sich nur angesprochen fühlen, wenn Sie entweder eine Taube oder obdachlos sind. Wir gehen aber davon aus, dass auf viele von Ihnen weder das eine noch das andere zutrifft.
Tatsächlich erklärt Gerhard Matzig, weltweit würden Städte Obdachlose aus ihren Zentren zu vertreiben versuchen und dabei teils ähnliche Mittel wie im Kampf gegen Tauben anwenden.
"In London (so Matzig) sind beispielsweise die 'Anti-Homeless-Spikes' beliebt. Das sind Metallstacheln mit der Wirkung spitzer Nägel. Sie werden auf ebenen Flächen montiert, etwa in Hauseingängen oder abschnittsweise auf Bürgersteigen, um Menschen daran zu hindern, sich dort hinzusetzen."
Natürlich gibt's auch Obdachlosenfreundlichkeit – und das bringt Matzig auf eine Idee:
"Die einen erfinden Mülleimer, aus denen sich bequem das Verwertbare fischen lässt, Pfandflaschen etwa; und die anderen erfinden Müllcontainer mit derart raffinierten Klappmechanismen, dass immer mal wieder die Polizei Müllsuchende daraus befreien muss. Die werden dann wegen 'Mülldiebstahls' angezeigt. Im Ergebnis kostet der Zwist soviel Geld und Energie, dass man in Erwägung ziehen könnte, gemeinsam etwas gegen die Gründe der Obdachlosigkeit zu unternehmen";
bemerkt mit lässigem Understatement Gerhard Matzig in der SZ.
Warum rasten junge Männer aus?
Etwas gegen die Gründe des Terrors zu unternehmen, das ist wohl noch komplizierter als der Kampf gegen Obdachlosigkeit.
Und so fragt sich Thomas Thiel in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Warum gibt es immer mehr Menschen, die ihr Leben so sehr verachten, dass sie auch das aller anderen zerstören wollen?"
Auch wenn Thiels Antwort gewiss nicht die letztgültige ist, wollen wir sie hier zitieren:
"Wenn freundliche junge Männer in wenigen Wochen zu blutrünstigen Gotteskriegern werden, treibt sie kein ideologisches Motiv, sondern der Griff nach dem letzten Strohhalm. Sie wollen, dass etwas ist und nicht nichts. Oder, mit Descartes gesprochen: Ich schieße, also bin ich. Sie wollen Leben vernichten, weil sie merken, dass es ihnen nicht gelungen ist, selbst an ihm teilzunehmen. In dieser Lage wird der Terror zum Anknüpfungspunkt und das Jenseits zum Versprechen."
So der FAZ-Autor Thomas Thiel zum Ausrasten junger Männer.
Mitleid mit der Ekelfeministin
"Was heißt es, eine moderne junge Frau zu sein?" fragt die Tageszeitung DIE WELT, in der Marie-Luise Goldmann die britische Fernsehserie "Fleabag" bespricht.
Und zwar derart engagiert, dass wir zur kompletten Lektüre raten und hier nur Goldmanns Einschätzung der pornosüchtigen, sexwilligen, geldarmen, verlässlich beziehungsgestörten mittzwanzigjährigen Protagonistin Fleabag wiedergeben, die schon mal zu einer Rede Barack Obamas masturbiert, ihre Schwiegermutter beklaut und ihre eigene Schwester nicht weniger.
"Trotz aller Kälte, die die Protagonistin so bemüht ist, aufrechtzuerhalten, sind unter der Oberfläche brodelnde Verzweiflung und existenzielle Unsicherheit gegenwärtig. Das macht die Londonerin zur vielleicht ersten Ekelfeministin, mit der man eher mitleidet, als sich von ihr abgestoßen, genervt oder provoziert zu fühlen."
Ja, wirklich wahr! Auch die – wie geschildert – kaputt-aktionistisch-geile Fleabag soll auf ihre Weise eine Feministin sein, allerdings nicht unbedingt eine gute, wie schon der WELT-Titel "Wir schlechten Feministinnen" verrät.
Kostümwechsel im Minutentakt
Nun denn! Damit noch ein bisschen Musik in unsere Presseschau kommt, hier ein Auszug aus der TAZ-Kritik des Beyoncé-Konzerts in Frankfurt am Main.
"Gefühlt dauert es nie länger als eine Minute, bis Beyoncé etwa statt einem weißem Perlenkostüm roten Latex trägt. Schwer zu leugnen, dass das auch sexy ausschaut, aber Beyoncé, die durchweg bezaubernd lacht, inszeniert sich nicht als Lustobjekt, sondern als Leitsubjekt. Hier ist eine Frau, eine Woman of Color, die den Ton angibt",
jubiliert der TAZ-Autor Stefan Hochgesang.
Und das war's. Wir sagen jetzt nur noch rasch - mit einer FAZ-Überschrift: "Die Wörter, die übrig bleiben."