Aus den Feuilletons

Wer bekommt die Goldene Palme?

Nicht nur aus purem Gold, sondern auch noch mit Diamanten verziert: so sieht die "Goldene Palme" in diesem Jahr aus. Anlass ist der 70.Geburtstag der Filmfestspiele. Foto: AFP / Fabrice COFFRINI
Nicht nur aus purem Gold, sondern auch noch mit Diamanten verziert: So sieht die "Goldene Palme" in diesem Jahr aus. Anlass ist der 70.Geburtstag der Filmfestspiele. Foto: AFP / Fabrice COFFRINI © AFP/Fabrice COFFRINI
Von Tobias Wenzel |
Die Feuilletons rätselten schon die ganze Woche darüber, wem sie am Sonntagabend verliehen wird: die Goldene Palme. Als "ein nicht unwahrscheinlicher Kandidat" wird Regisseur Fatih Akin gehandelt.
"Wer am Sonntagabend nun gewinnen wird? Keine Ahnung", schreibt Verena Lueken in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG über die Filmfestspiele von Cannes. "Nach dem vergangenen Jahr, in dem alle mit 'Toni Erdmann' rechneten und sich irrten, sind in diesem Jahr alle ratlos." – "Fatih Akin erzählt mit den Mitteln der griechischen Tragödie eine hochaktuelle Geschichte. Ist das die Goldene Palme?", fragt Susanne Ostwald in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG mit Blick auf den Film, der die Morde des NSU thematisiert. "Würgende Betroffenheit" habe sich im Kinosaal breitgemacht, "als sich in sehr realitätsnahen Dialogen die menschlichen und rechtlichen Folgen der Tat" entfaltet hätten. Ostwald hält die Hauptdarstellerin Diane Kruger, die eine Frau spielt, die ihren kurdischen Mann und den gemeinsamen Sohn durch den rechtsextrem motivierten Bombenanschlag verliert, "des Preises für die beste Darstellerin in Cannes würdig".
Und Regisseur Akin sei "ein nicht unwahrscheinlicher Kandidat für die Goldene Palme, inhaltlich wie formal." Trotz "logischer Ungereimtheiten", mit denen Susanne Ostwald den "Freispruch" der vermeintlichen Täter im Film meint. "Jeder Staatsanwalt würde bei einem solchen Skandalurteil automatisch in Revision gehen, es hätte nie Bestand", gibt auch Tobias Kniebe in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu bedenken. Und Hanns-Georg Rodek von der WELT weckt kurios motivierte Hoffnungen: Fatih Akins Wunsch, dass sein Film am Ende des Festivals gezeigt werde, habe sich erfüllt. "Es gibt inzwischen ziemlich viele Festivals, bei denen die Jury von Tag zu Tag ratloser wird, welchen Film sie um Himmels Willen prämieren soll; in solch einem Fall greift sie gern nach dem Strohhalm, der kurz vor Schluss vor ihren Augen auftaucht."

Nackte Frau auf dem Sprungbrett

Passend zu den sommerlichen Temperaturen druckt die SZ eine Zeichnung ab, auf der ein Swimmingpool zu sehen. Eine nackte Frau sitzt auf dem Sprungbrett darüber, mit gesenktem Kopf. Catherine Meurisse hat das gezeichnet, als Verbeugung vor dem Maler David Hockney und dessen Buch "Paper Pools", in dem seine Serie mit Bildern von Swimmingpools abgedruckt ist. Als der Anschlag auf "Charlie Hebdo" verübt wurde, überlebte Catherine Meurisse, weil sie verschlafen hatte und zu spät zur Redaktion der Satire-Zeitschrift kam. "Lange habe ich darunter gelitten, Überlebende zu sein, heute bin ich glücklich darüber, am Leben zu sein. Aber es hat sich etwas verändert, tief in mir, für immer", schreibt sie in der SZ. "Dieses Etwas verlangt dauernd danach, künstlerisch ausgedrückt zu werden […]. Aber wie? Es gibt tausend Möglichkeiten, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich bin überfordert, ungeduldig, vielleicht bin ich auch einfach nicht dazu in der Lage. Also öffne ich, solange ich warte, die Bücher, in denen die Bilder von anderen zu sehen sind." Und so öffnete sie auch Hockneys "Paper Pools" und zeichnete dann selbst: David Hockney beim Malen und die Frau auf dem Sprungbrett über einem Pool an einem heißen Tag, der Lust auf ein Eis macht.

Luther, der Antisemit

Das gibt es auf Seite 14 der TAGESZEITUNG als Foto, passend zum Interview mit einer Eisverkäuferin. Aber interessanter ist Felix Wellischs Bericht direkt darunter. Die Satirepartei "Die PARTEI" fordert mit einer Petition, den Martin-Luther-Ring in Leipzig umzubenennen, weil Luther ein Antisemit gewesen sei. Stattdessen solle es nun, nach dem Bundesvorsitzenden der Partei, Martin-Sonneborn-Ring heißen. Sollte die Petition Erfolg haben, könnten, so Sonneborn zur TAZ, weitere Umbenennungen folgen: "In Martin-Sonneborn-Stadt, derzeit noch Göttingen, ist schon eine Sonneborn-Statue geplant. Angelehnt an die populäre Playmobil-Figur 'Martin Luther' erwägen wir auch eine Playmobil-Serie 'Martin Sonneborn', durch die wir möglicherweise aus der unseriösen Parteienfinanzierung aussteigen könnten."
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