Wer nun ist dieser Mann?
Auch in dieser Woche nimmt die Trumperei in den Feuilletons noch kein Ende. Die "FAS" sieht Trump im Kostüm des Vulgären. Der Schriftsteller Joshua Cohen malt ebenfalls in der "FAS" das Bild eines kleinen Jungen, der noch an der Brust hängt.
"Muss das Vulgäre wirklich gerettet, neu definiert werden",
fragt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG: "hat es nicht gerade alle Wahlen gewonnen?" Vulgär heißt ja "auf abstoßende Weise derb und gewöhnlich", das sagt uns der Duden.
"Das Vulgäre kommt vom lateinischen vulgus – das einfache Volk." Das sagt uns Niklas Maak in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG:
"Es geht um das aufdringliche Zurschaustellen von Reichtum, Muskeln, Brüsten, Lautstärke, wie es einer sich als zivilisiert empfindenden Zurückhaltung widerspricht."
An welchen Politiker müssen wir da nur sofort denken – bei diesem Artikel, bei dem es eigentlich um eine Londoner Ausstellung über Mode geht? Eigentlich. "Das Vulgäre ist, dem ursprünglichen Sinn nach, auch das Volksnahe, das Populäre", schreibt Niklas Maak:
"Dass Trump mittlerweile selbst Teil einer fragwürdigen und gar nicht volksnahen Elite ist, konnte er erfolgreich verschleiern, indem er sich das Kostüm des Vulgären anzog."
Trump als "hilfloses Kind" süchtig nach "Amerikas Muttermilch"
Die Feuilletons der zurückliegenden Woche waren eine einzige Trumperei. Dutzende von Artikeln tasteten sich an den Donald heran.
"Ich sehe ihn immer als dieses hilflose Kind vor mir", befindet Joshua Cohen, "das ohne die Milch seiner Mutter, was in seinem Fall die Aufmerksamkeit des amerikanischen Publikums ist, nicht überlebt." So der Schriftsteller im Interview mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG:
"Ohne die Muttermilch Amerikas würde er verhungern, weil sein Ego nicht gefüttert wird. Deshalb ist Trump für mich auch kein authentischer rassistischer Populist, weil er seine Entscheidungen nicht aus Überzeugung, sondern aus Bequemlichkeit trifft."
Manch einer sieht darin große Chancen. "Dass er auf keine Inhalte festgelegt ist", stellte die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG fest – und spekulierte über eine positive Richtung Trumpscher Politik: "Dann nämlich, wenn er im Establishment der Republikaner und in der Bürokratie ein Gegenüber findet, dessen Vertrauen er erringen muss", meinte Hartwig Isernhagen:
"Umgekehrt könnte er dabei Establishment und Bürokratie vielleicht sogar aus ihrer Volksferne und ihrer routinierten Erschöpfung reißen und so die nun sichtbar gewordenen Defizite des etablierten Systems aufbrechen."
"Phäakischer Zustand" - journalistischer Sprachmüll
Und unser Europa, unser Deutschland? "Was ändert sich für uns nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten?", fragt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG. "Hier hatte man sich in ansonsten eher seltener Geschlossenheit in der behaglichen Zuversicht eingerichtet, der 'freien Welt' anzugehören und damit deren Segnungen von Sicherheit, Stabilität und Wohlstand auf Dauer teilhaftig zu sein", antwortet Johannes Willms – und, jetzt aufgepasst:
"Dieser gleichsam phäakische Zustand bewährte sich bislang."
Was nur ist ein "phäakischer Zustand"? Googeln hilft da nicht weiter; da wird "phäakisch" gleich in "phallisch" umgewandelt. Da hilft nur der gute alte Fremdwörter-Duden in seiner gedruckten Form: Ein "Phäake" ist ein "sorgloser Genießer". Johannes Willms liefert mit diesem Sprachmüll ein exzellentes Beispiel für Volksferne von Journalisten, die ihre Bildung mit möglichst vielen Fremdwörtern beweisen müssen; Arm in Arm, Mund an Mund mit Politikern, die ebenfalls in ihrem Fach-Kauderwelsch und Abkürzungs-Wahn so reden, dass kein normaler Mensch sie mehr verstehen kann. So hilft man den Trumps dieser Welt. Das war mal anders.
Ein Hoch auf Werner Holzer
"Es war eine andere Zeit." Das stand in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG in einem Nachruf auf einen Journalisten, der noch verständlich schreiben und sprechen konnte: Werner Holzer, der nun kurz nach seinem 90. Geburtstag verstorben ist. Er war erst Sonderkorrespondent in Afrika, Amerika und Asien und dann, von 1973 bis 1991, Chefredakteur der Frankfurter Rundschau.
Die SÜDDEUTSCHE würdigte ihn: "Der leidenschaftliche Kommentator Holzer prägte das Leitmedium und warb, liberal und weltgewandt, schon für eine faire Handels- und Wirtschaftspolitik zwischen Industrienationen und 'Dritter Welt', als man Entwicklungsländer noch so nannte." Und wenn ich als sein Volontär damals in einem Artikel von "phäakischen" Zuständen geschrieben hätte, hätte er mich väterlich-besorgt gefragt, ob ich außer "Ebbelwoi" auch noch andere Drogen konsumiere. "Ebbelwoi" ist übrigens Apfelwein, den kannten schon die alten Griechen – und mithin bestimmt auch die Phäaken.
"Marihuana ist in Kalifornien zukünftig legal." Das ist die gute Nachricht von der US-Wahl – die uns Frank Rieger in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGS-ZEITUNG mitteilt; in Kalifornien wurde ja auch über etliche Gesetzesvorschläge abgestimmt.
Sting: "Ich wünsche Angela Merkel das Beste"
"Noch vor kurzem wäre das unvorstellbar gewesen, dass Deutschland auf einmal als die Führungsmacht des Westens dasteht", steht in einem anderen Artikel in derselben Zeitung über eine weitere Folge der amerikanischen Präsidentenwahl, "mehr noch: dass sich ein beträchtlicher Teil der Öffentlichkeit in den westlichen Ländern sehnlichst wünscht, Merkel möge diese Rolle nun wirklich voll und ganz annehmen", schreibt Ralph Bollmann.
"Ich finde, Angela Merkel war bislang sehr mutig, vor allem mit ihren Entscheidungen während der Flüchtlingskrise." Das sagt im Interview mit der WELT AM SONNTAG der Pop-Sänger Sting: "Ich wünsche Angela Merkel das Beste." Sting hat ein Jahr nach dem Terroranschlag in Paris bei der Eröffnung des Konzertsaals Bataclan gesungen. Und dort sprach, so DIE WELT, die Mutter eines der Opfer die tröstendsten Worte der Woche: "Das Schönste, was man tun kann, ist leben und glücklich sein."
Hoffnungsfroh stimmte aber auch der amerikanische Komiker Jimmy Fallon, den die SÜDDEUTSCHE zitierte:
"Hoffentlich hält Trump sein Versprechen und zweifelt die Wahl an."