Aus den Feuilletons

Wer schützt das Werk vor der Person?

04:25 Minuten
Der ehemalige Präsident der Musikhochschule München, Siegfried Mauser, steht im Gerichtssaal.
Verurteilt und gefeiert: Der Ex-Leiter der Musikhochschule München, Siegfried Mauser. © picture alliance/Sina Schuldt/dpa
Von Tobias Wenzel |
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Der Ex-Leiter der Musikhochschule München, Siegfried Mauser, wurde wegen sexueller Nötigung verurteilt. Trotzdem wird er in einer Festschrift zu seinem 65. Geburtstag gefeiert, berichtet die "Zeit". Unter anderem von Peter Sloterdijk und Nike Wagner.
"Fälscher als Opfer" hat Christian Meyer seinen Artikel für die WELT genannt und meint Claas Relotius. Der geht nun rechtlich gegen "Tausend Zeilen Lügen" vor. "Das Buch von Juan Moreno gaukelt eine Recherche vor, die es in einigen wichtigen Punkten aber nicht gegeben hat", hat Relotius-Anwalt Christian Schertz der WELT gesagt.
Zwar kommt es Meyer ironisch bis zynisch vor, dass Relotius dem Kollegen Moreno, also dem Mann, der ihn als Fälscher entlarvt hat, nun selbst unsauberes Arbeiten wie Verdrehung von Tatsachen und unzulässiges Arrangieren vorwirft. Aber auch ein Fälscher habe nun mal das Recht, korrekt dargestellt zu werden.
Für Christof Siemes von der ZEIT ist die Geschichte mit der Schwester von Relotius nicht unerheblich: "Er hat sie erfunden, wie er selbst zugibt, um gegenüber seinen Vorgesetzten zu begründen, warum er eine ihm angebotene feste Stelle beim SPIEGEL nicht annehmen wollte: Sie sei krank, er müsse sich um sie kümmern. Als sei diese Erfindung nicht schon skrupellos genug, schreibt Moreno, Relotius habe behauptet, sie sei an Krebs erkrankt und er müsse sich 'jeden Morgen und jeden Abend' um sie kümmern." Das Fazit von Siemes: "Vor der Ansteckungsgefahr, die offenbar vom Morbus Relotius ausgeht, scheint selbst Juan Moreno nicht ganz gefeit zu sein, jener Mann, der sich zutraute, die Diagnose zu stellen."

Brave Bässe und schlimme Dirigenten

"Es sind immer die Tenöre, die Besonderes fordern", sagt die Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender im Gespräch mit Manuel Brug von der WELT über Machtmissbrauch und sexuelle Belästigung im Opernbetrieb. "Die Bässe sind für gewöhnlich braver. Die schlimmsten in dieser Hinsicht waren freilich die Dirigenten." Ein Beispiel: "Bei mir war es George Solti, der hatte ja einen Ruf, schenkte jeder seiner Eroberungen nach Vollzug einen weißen Nerz." Fassbaender machte da nicht mit: "Ich als Frau stehe auf dem Standpunkt: Ich kann mich wehren. Und habe das auch getan. Aber wenn der Mann seine Körperkraft ausspielt, so wie das wohl Siegfried Mauser getan hat, dann ist man natürlich ausgeliefert."
Der Pianist und Musikwissenschaftler Mauser tritt vermutlich noch in diesem Jahr seine Haftstrafe an. Er wurde wegen sexueller Nötigung verurteilt. Wird jetzt aber erst mal gefeiert, in einer Festschrift zu seinem 65. Geburtstag. Das berichtet Christine Lemke-Matwey in der ZEIT.
Beiträge zum Buch hätten unter anderem der ehemalige Hanser-Verleger Michael Krüger, der Philosoph Peter Sloterdijk und die Publizistin Nike Wagner geliefert. "Die Autoren wussten, worauf sie sich einließen", schreibt Lemke-Matwey. "Ehrenrührig ist, dessen Fehlverhalten nicht zu akzeptieren, nur weil der liebe 'Sigi' so etwas nie tun würde – und man selbst nie von ihm abhängig war."
Am schlimmsten sei aber das Vorwort zur Festschrift. Die "Herzlichkeit" Mausers "sei ihm nicht immer nur gedankt worden, ja sein 'bisweilen die Grenzen der 'bienséance' überschreitender weltumarmender Eros' habe für ihn gar 'schwerwiegende rechtliche Folgen' gehabt", paraphrasiert die ZEIT-Autorin und kommentiert das so: "'Bienséance'? 'Weltumarmender Eros'? Wenn es die Absicht dieser Festschrift war, Mausers Werk vor seiner Person zu schützen, dann ist das krachend schiefgegangen."

Trump war nicht der Schlimmste

Zum Schluss noch etwas Erfreuliches. Na ja, wie man’s nimmt: Donald Trump ist nicht singulär schlimm. Bei seinen Vorgängern seien auch nicht immer "Amt und Würde" Hand in Hand gegangen. Das hat Tobias Sedlmaier von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG dem Buch des Historikers Ronald D. Gerste entnommen: "Die zwölf seltsamsten Präsidenten der USA". In Sedlmaiers Worten: "Wo Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt einst spottete, er würde nicht einmal Stimmen verlieren, wenn er jemanden auf dem Times Square ermordete, war der siebte Präsident der USA weiter: Andrew Jackson erschoss seinen Kontrahenten 1806 kaltblütig im Duell."
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