Wie Bob Dylan der Nobelpreis überreicht wurde
Kein Aprilscherz: Am 1. dieses Monats nahm der Musiker Bob Dylan den Nobelpreis in Empfang. Darüber berichtete die "Welt". Wo, sei aber ein Geheimnis. Die "Neue Zürcher Zeitung" wusste jedoch mehr zu berichten.
"Er konnte es dann doch noch einrichten." Das lasen wir in der Tageszeitung DIE WELT. "Am 1. April ließ sich Bob Dylan den Literaturnobelpreis überreichen." Kein Aprilscherz. "Wo er seinen Nobelpreis in Empfang nahm, wissen nur das Komitee und er. Es wurde Stillschweigen vereinbart", schrieb Michael Pilz. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG wusste mehr. "Die Stimmung war ausgelassen. Champagner wurde getrunken", zitierte sie Sara Danius, die Chefin der Schwedischen Akademie, die den Literaturnobelpreisträger ernennt.
Andere Künstler brauchen keinen Champagner, um aus sich herauszugehen. "Dank Brexit, Trump und Co. treten immer mehr klassische Musiker für ihre politischen Überzeugungen ein", lasen wir in der Wochenzeitung DIE ZEIT.
"So eröffnete der Cellist Alban Gerhardt vor zehn Tagen die sonntägliche 'Pulse of Europe'-Demonstration auf dem Berliner Gendarmenmarkt. Erst spielte er Bach, dann wandte er sich an die knapp 7000 EU-Emphatiker zu seinen Füßen", schrieb Christine Lemke-Matwey – die sich verwundert die Frage stellt: "Was treibt Alban Gerhardt, sich für 'Pulse of Europe' zu engagieren?" Vielleicht sollte sie einfach mal ihren eigenen Artikel aufmerksam lesen, denn dort wird der Cellist zitiert, "wie sehr er sich wünsche, dass sein Sohn in einem 'freien, weltoffenen Europa' aufwachse". Reicht das nicht als Begründung?
Christine Lemke-Matwey offenbar nicht. "Was kostet es den russischdeutschen Pianisten, Bürger und Europäer Igor Levit", fragt die ZEIT-Autorin weiter, "gefühlte 50 Anti-Trump-Tweets täglich abzusetzen und nach der US-Wahl vor einem Brüsseler Klavierpublikum zu bekennen, sein Leben in der Komfortzone sei vorüber". Ja, was soll es Igor Levit denn kosten, der damals in Brüssel gesagt hatte: "Wir können unsere Stimme erheben, und wir SOLLTEN sie erheben." Christine Lemke-Matwey: "Das tut Levit, viele bewundern ihn dafür, nennen ihn mutig. Getwittert hat er allerdings schon vor dem 9. November 2016. Und Sanktionen wurden bislang keine gegen ihn verhängt." Ist doch schön, Frau Kollegin. So funktioniert bürgerliches Engagement in einer Demokratie eben.
"Trauer ist ein trickreiches Gefühl"
"Die historische Phase, die mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende der Sowjetunion begann, ist vorüber", war da schon ernsthafter im Berliner TAGESSPIEGEL zu lesen. "Deshalb das Gefühl der Unsicherheit und der steigenden Bedrohung", meinte der Schriftsteller Manfred Flügge, der die deutsch-französische Freundschaft bedroht sieht. "Es muss einem schon Sorgen bereiten, dass vordergründig oder untergründig Deutschland der Hauptfeind ist", hat er im französischen Präsidentschaftswahlkampf nicht nur bei Marine Le Pen, sondern auch bei anderen Kandidaten beobachtet. "Bei einem Erfolg dieser Richtung würde nicht nur Europa zerfallen, Deutschland würde politisch und diplomatisch isoliert dastehen in der Welt." Und da wundern sich manche Feuilletonisten, wenn Menschen für Europa auf die Straße gehen. Ganz schön mutig…
"Trauer ist ein trickreiches Gefühl", hieß es im SPIEGEL. "In Schwierigkeiten gerät man dort, wo öffentliche Trauer und die staatliche Reaktion darauf improvisiert werden", meinte Nils Minkmar: "Darum nervt die Diskussion darüber, wann und wie man das Brandenburger Tor in den Farben eines vom Terror betroffenen Landes anstrahlen soll." Nach dem Terrorattentat in der Petersburger U-Bahn hatte der Berliner Senat ja darauf verzichtet, dass das Brandenburger Tor in den Farben Russlands als Zeichen des Mitgefühls beleuchtet werde. Die Begründung: Petersburg sei keine Partnerstadt und habe auch keinen besonderen historischen Bezug zu Berlin.
"Inzwischen wird geltend gemacht, dass es durchaus eine Partnerschaft zwischen Berlin und Sankt Petersburg gebe", stand in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Wenn auch nur eine zwischen dem Bezirk Mitte und dem Petrogradskij Rajon, einem historischen Stadtteil auf der Petrograder Seite", schrieb Gustav Seibt, der dem Berliner Senat dann auch gleich noch ein wenig Nachhilfeunterricht im Fach Geschichte erteilte über Sankt Petersburg – "die historisch gerade mit Deutschland so eng verbundene ehemalige russische Hauptstadt, die einen deutschen Namen trägt und, als sie Leningrad hieß, eine der furchtbarsten Belagerungen der Weltgeschichte, ausgeführt von der deutschen Wehrmacht, ertragen musste."
Amseln müssen sich einsingen
Wir könnten auch noch anfügen, dass seit Katharina der Großen nur noch deutsch-blütige Herrschergestalten auf dem Petersburger Zarenthron saßen – und nicht zu vergessen: Die Quadriga, die Napoleon vom Brandenburger Tor nach Paris entführt hatte, haben die Preußen mit russischer Hilfe wieder an die Spree zurückgebracht. Aber dankbar war der Brandenburger Tor noch nie. "Städte tauchen ihre baulichen Wiedererkennungszeichen in fremde Landesfarben", so Gustav Seibt in der SÜDDEUTSCHEN: "Sie versichern sich ihrer gegenseitigen Anteilnahme, vielleicht weil sie wissen, dass sie die verwundbarsten Orte menschlichen Zusammenlebens sind."
Nicht nur menschlichen Zusammenlebens. "Amseln stammen ursprünglich aus den dunkelsten Biotopen feuchter, unterholzreicher Wälder und begannen erst Ende des 18. Jahrhunderts, die Städte zu erkunden", klärt uns die neue FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG auf – und bietet uns damit einen versöhnlichen Schluss. Jetzt, wo wir ab vier Uhr morgens Vogelgekrächze hören, das keineswegs so melodisch ist wie das Cello- oder Klavierspiel von europabegeisterten Musikern. Die jungen Amseln müssen das Zwitschern schließlich noch lernen. Cord Riechelmann macht uns Mut: "Es stehen aber auch ältere, erfahrene Amselmännchen jedes Jahr mit dem Beginn der helleren und wärmeren Tage vor dem Problem, dass sie sich erst einsingen müssen, wenn sie den Winter über geschwiegen haben."
Nur Mut!