Wie weitreichend ist Trumps Politik wirklich?
Die Feuilletons haben sich diese Woche vielfach mit US-Präsident Donald Trump und den Auswirkungen seiner Politik beschäftigt. Die "Süddeutsche" bezweifelt, dass es sinnvoll wäre, Amerika aus der westlichen Gemeinschaft zu verabschieden.
"Und woran glauben Sie?", fragte die TAGESZEITUNG ihren satirischen Wochenkommentator Friedrich Küppersbusch. Der ignorierte einfach diese Frage und antwortete stattdessen mit Blick auf sich anbiedernde Protestanten: "Man hört den Kernsatz der Selbsttollfinde-Ökumene vom 'Islam, der die Aufklärung noch vor sich hat‘. Da rempelt Gymnasiast Gott den Hauptschüler Allah unter beifälligem Gefrömmel seiner Gang." Der Satz ist bezeichnend. Nicht der letzte, für den Küppersbusch hoffentlich keine Fatwa bekommt. Sondern der Satz davor, der mit der vermeintlichen Aufklärung, die der Islam noch vor sich habe.
Aufklärung und Kritik der Aufklärung prägten nämlich die Feuilletons dieser Woche, in der, dies kurz erwähnt, der Dramatiker Tankred Dorst starb, der nicht "an grundsätzliches Menschenumkrempeln" glaubte, wie in der WELT zu lesen war.
"Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei" - Angela Merkels Satz mit Blick auf Trump war zugleich der Titel des Feuilleton-Aufmachers in der ZEIT. Adam Soboczynski klopfte die Rhetorik der Bundeskanzlerin ab und meinte, Strukturen eines "Aufklärungsdramas" zu erkennen: "Die Idylle ist immer eine nie da gewesene Vergangenheit. Sie ist die aufklärerische Paradegattung der Entfremdung. [ ... ] Die Präsidentschaft Obamas liegt heute im mythischen Arkadien, wo das Ausspähen nur ein liebevolles Umgarnen war."
Dann zitierte er Merkels zweiten zentralen Satz aus ihrer Bierzeltrede: "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen."
SZ: "Amerika zu verabschieden, wäre leichtfertig"
Genau das "könnte eine Überforderung sein", befand Gustav Seibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Und: "[ ... ] Amerika aus dem 'Westen‘ zu verabschieden, wäre leichtfertig. Solange US-Zeitungen Angela Merkel als 'Leader of the free world‘ ansprechen, als Protagonistin der freien Welt, gehört Amerika zum Westen." Einhaltung der Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Demokratie, alles universal, aufklärerisch gedacht, das sei der "normativ verstandene Westen": "Gehört die Idee des Freihandels zum normativen Projekt des Westens? Müsste nicht auch die elementare Sicherung vor materieller Not zu ihm gehören?"
'Ja, natürlich!' würde Pankaj Mishra ausrufen, der im neuen SPIEGEL im Interview mit Tobias Rapp und Eva Thöne auf die Verlierer der Globalisierung hinweist und für den Brexit, für Trumps Wahl und für den ganzen Hass in unserer Gegenwart die Aufklärung mitverantwortlich macht. "Wer den heutigen islamistischen Terrorismus verstehen will und sein komplexes Verhältnis zum Westen, sollte sich nicht mit dem Koran beschäftigen", sagt Mishra. "Viel interessanter ist es, sich das Deutschland des 19. Jahrhunderts anzuschauen [ ... ]."
1813 habe der Dichter Theodor Körner zum "heil'gen Krieg" gegen Napoleon aufgerufen. Gleichzeitig hätten die Deutschen die Franzosen gehasst und versucht, ihnen und den Idealen der französischen Revolution nachzueifern. Dasselbe zweischneidige Muster sei heute in der Welt zu beobachten: dem Westen nacheifern und ihn zugleich hassen. "Keiner der Aufklärer interessierte sich für die armen Massen", erläutert Pankaj Mishra und regt an, über die Rolle der Intellektuellen neu nachzudenken, die von der Globalisierung profitiert haben und nun deren Verlierer aufklären wollen.
Trump-Unterstützer verlieren Fans
Aber wäre die Gegenaufklärung, der Obskurantismus, besser? "Ein Putzerfisch bekommt dann ein Problem, wenn er es nicht mehr schafft, sein Wirtstier von all dem Plankton zu befreien und sich stattdessen selbst mit allerlei unerwünschtem Zeug besudelt", schrieb Jürgen Schmieder in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG mit Blick auf die populistischen Medien in den USA, von "Breitbart" bis "Fox News", die Trump pushten, selbst die Wahrheit einige Male mühevoll umkurvten und denen nun die Nutzer in Scharen weggelaufen sind. Dafür haben CNN, MSNBC und Zeitungen wie die "New York Times" Zulauf von Millionen von Kunden erhalten.
Für Harald Staun von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG ist das allerdings nicht nur ein Grund zur Freude: "[Das Problem] der Anti-Trump-Berichte aber ist weniger, dass sie sich zu Trump wie Partisanen verhalten, sondern wie Parasiten: Ihr Erfolg hängt von der Schockstarre der Öffentlichkeit ab." Und das könne zu einer gefährlichen "journalistischen Monokultur" führen. Die Aufklärung könnte also ins Gegenaufklärerische kippen.
Manchmal fällt es schwer, den Aufklärern die Redlichkeit ihrer Aufklärung abzunehmen. Die rechtspopulistische britische Partei UKIP, die Niqab und Burka verbieten lassen will, liebt jedes Argument dagegen. Jetzt hat sie ein neues gefunden, wie Dominic Johnson in der TAZ berichtete: Die "Aufnahme von lebensnotwendigem Vitamin D durch Sonnenlicht" werde durch diese extremen Formen der Verschleierung verhindert. Die UKIP sorgt sich also um die Gesundheit verschleierter Frauen? Guter Scherz!
Aufklärung oder Obskurantismus, wahr oder falsch - für Wolf Wondratschek waren das in seinen Deutschaufsätzen keine Kategorien. Er wollte lieber mit Sprache und Fantasie spielen. Daran erinnerte sich der Schriftsteller in einer Rede an seinem alten Karlsruher Gymnasium, die die SZ abdruckte. Zur Frage, ob Reisen bilde, schrieb Schüler Wondratschek: "[ ... ] nein, Reisen sei eine Mühe, die sich selten lohne, sie ermüde, koste Geld und man treffe auf Menschen, die einem auf die Nerven gingen." Eine Note dafür bekam er nicht. "'Mit schulischen Maßstäben nicht zu erfassen‘ stand da nur. [ ... ] Ich empfand das als Auszeichnung. Wie die Ohrfeige, die mir mein Vater verpasste, als er mich auf dem Bett liegend antraf und wissen wollte, was ich tue - und ich ihm sagte: das siehst du doch, ich arbeite."