"Wimmer-Bling-Bling" aus der Ukraine
Vor dem ESC-Finale wird über mögliche Sieger, Verlierer, politische und ästhetische Verwerfungen spekuliert: das politische Klagelied aus der Ukraine etwa, das laut "Welt" dem "Wummer-Bling-Bling" des russischen Favoriten "Wimmer-Bling-Bling" entgegensetzt.
"In die Röhre gucken" – diese Überschrift der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG würde heute auch ins Feuilleton der WELT passen. Allein Martin Ebel geht es psychologischer an, wenn er seine kleine Kulturgeschichte einer sehr speziellen Panik "Durchstich zur Angst" nennt: Im Juni wird der neue Gotthard-Basistunnel eröffnet. Ein Triumph der Ingenieurskunst, das weiß auch der WELT-Autor, doch wird ihm drinnen im Tunneldunklen stets so dumpf-duselig, dass er mal nachrecherchiert hat. Ob das anderen genauso geht. Geht es. Tunnelphobie. Angst kommt von Enge, und eng ist es im Tunnel naturgemäß.
"Auch wer kein ausgeprägter Phobiker ist, fühlt sich in Tunneln nicht sehr wohl und ist froh, wenn er wieder draußen ist. Von allen Gebäuden, die der Mensch erfunden hat, ist der Tunnel das einzige, das nicht seinem Aufenthalt dient, sondern den alleinigen Zweck hat, ihn schnell hindurchzubefördern."
Schlau beobachtet, wir erfahren nix vom Gotthard, aber ein klein wenig von Dürrenmatt, Platon, Kafka - und vom Tunnel als Sarg. Wenig Licht am Ende des Tunnels, aber immerhin – "Eine Angst brauchen wir im Tunnel nicht zu haben: dass wir uns verirren." Geht im Prinzip immer geradeaus.
Düsseldorfs radikal artifizielle U-Bahn
Das ist bei U-Bahnsystemen oft anders, da kann man sich unterirdisch schon mal verlaufen –und "In die Röhre gucken". Wir sind nun doch in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und bei einem weiteren dieser schönen Artikel, für die vor Feiertagen Platz ist – muss nicht, darf-kann-sollte aber.
Gerhard Matzig ist auf Testfahrt gegangen, Düsseldorfer U-Bahn, einen Tag lang die Wehrhahnlinie, sechs Stationen, von Künstlern gestaltet. Und das eben führte zu Testfahrt samt Frage: merkt der Düsseldorfer, dass er gerade Kunst durchfährt? Und: mag er das? Oder wollen Leute, die U-Bahn fahren, U-Bahn fahren, statt Kunst zu er-fahren? Fakt ist: "So radikal artifiziell wie in Düsseldorf hat sich noch nirgendwo eine U-Bahn in die Erde gefräst."
Fazit der SÜDDEUTSCHEN: "Die Düsseldorfer sind auch dann sichtlich stolz auf ihre neue Kunst-Bahn, wenn sie keine Ahnung haben, worum es eigentlich geht. Kunst eben… In Düsseldorf sagt man angesichts einer U-Bahn, die sich der Kunst verschrieben hat, im schlimmsten Fall: pfffft. Und oft zuckt man mit den Schultern, sagt 'toll, ganz toll'."
Was den Autor des schön beschriebenen kleinen Tests durchaus beglückt – Zitat: "Kunststadt eben. Keine Werbung. Kein Kiosk. Dafür Weltraum, Poesierätsel und ein Sound, der Nadine die Kopfhörer aus den Ohren klingelt. Eine U-Bahn in Auftrag gegeben und ein Kunstareal geliefert bekommen. Düsseldorf eben. Herrlich."
"Jamala will aufrütteln - werden Sie wach!"
Bleiben wir unterirdisch? Das wissen wir noch nicht. Aber überirdisch schön oder eindrucksvoll ist der Eurovision Song Contest eher selten. Favorit ist ein russischer Sänger, dessen Titel bezeichnenderweise heißt: "You’re the Only One".
Spannend könnte es mit dem Beitrag aus der Ukraine werden, der von Hunger und Vertreibung in stalinistischen Zeiten erzählt – die TAZ meint trocken: Mit Jamala "wird der ESC in ihrem Land eine Quote von 90 Prozent bei den Freunden der ukrainischen Autonomie erzielen. Achtung: Bitte die krimtatarischen Passagen beachten, sie verweisen auf die Okkupation dereinst, wahrscheinlich auf die in jüngerer Zeit. Jamala will aufrütteln – werden Sie wach!".
Die WELT meint: "Wenn Russland Wummer-Bling-Bling bietet, ist das Wimmer-Bling-Bling".
Eine Auswahl feiner Feiertagsüberschriften
Vor dem Pfingstwochenende haben wir noch nach einer feinen Feiertagsüberschrift gesucht, nachdem sich in der ZEIT doch gerade Jesus so schön an den Kopf fasste mit der Frage "Warum haben wir noch zwei Kirchen?!" Zwei Angebote zum fröhlichen Weiterassoziieren: "Es gibt viele Fälschungen auf dem Markt, sehr oft mit Echtheitszertifikat" – aus einem Interview der SÜDDEUTSCHEN, und – in der NZZ: "Der Weltuntergang muss warten".