Wochenhighlight Asterix
Der neue Asterix-Band "Der Papyrus des Cäsar" wird in den Feuilletons gefeiert, aber ansonsten sieht es trübe aus: Die "Tageszeitung" regt sich über inkonsequente Pegida-Anhänger auf und die "Süddeutsche" über den Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels Navid Kermani.
"'Her mit den Konflikten! Her mit den Konflikten! Her mit den Konflik...' " -
rief auf einem Comic-Bild im Berliner TAGESSPIEGEL ein fassrunder Typ, der in der ganzen westlichen Welt für rustikale Problemlösungen bewundert wird: Obelix, der Gallier, der als Kind in den Zaubertrank gefallen ist.
"Der Papyrus des Cäsar" heißt der 36. Asterix-Band, den die TAGESSPIEGEL-Autorin Nadine Lange seinen für "Schwung und Esprit" feierte.
Das neue Werk bewitzelt den Medienzirkus unserer Tage im Spiegel der Antike und löst vor allem ein brennend-ungeklärtes Problem. Wie Johan Schloemann in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG betonte:
"'Der Papyrus des Cäsar' klärt [ ... ] erstmals die homerische Frage der Asterix-Saga: Woher kommt sie ursprünglich, und warum taucht das berühmte unbeugsame Dorf eigentlich nicht in unseren Fassungen von Cäsars 'Gallischem Krieg' auf? Die überzeugende Antwort: Eben weil es ein geheimes, eliminiertes Kapitel darin gab, dessen Inhalt aber in jahrhundertelanger mündlicher Druiden-Tradition über Generationen weitergegeben wurde - bis die ganze Geschichte im 20. Jahrhundert bei 'zwei talentierten Autoren' in einem Pariser Café landete. Die beiden hießen Albert Uderzo und René Goscinny. Wow - diese investigative Recherche hat sich mal wirklich gelohnt",
begeisterte sich der SZ-Autor Schloemann für den neuen Asterix-Band.
Während Patrick Bahners, der Technokrat unter den Feuilleton-Intellektuellen, in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG wohl erstmalig einen Artikel mit dem Ausruf begann:
"Orgien, Orgien, wir wollen Orgien!"
Nun, das aufgrund notorischer Sauferei einer Orgie am nächsten kommende und dem Feuilleton trotzdem oder deswegen bedeutsame Ereignis ist natürlich die Frankfurter Buchmesse.
Unter dem Titel "Dostojewski, der Riesling und ich" berichtete Ronja von Rönne in der Tageszeitung DIE WELT über ihr erstes Mal in Frankfurt. Hier Rönnes Notiz zu "Tag 5".
"Man wacht mit schweren Kopfschmerzen auf. Man sieht nicht auf den Terminkalender. Man schreibt dem Chef, dass man sehr krank geworden sei und deshalb den Artikel leider nicht schreiben kann. Der Chef schreibt zurück, man solle sich zusammenreißen, so sei Buchmesse eben."
Kermanis Aufruf zum Gebet spaltet die Feuilletonisten
Natürlich haben die Buchmesse und ihr Rahmenprogramm stets auch relevante alkoholfreie Aspekte ...
Wozu in diesem Jahr die Rede des Schriftstellers und Orientalisten Navid Kermani gehört hat, dem der Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen wurde. In Kermanis Ausführungen, abgedruckt in der FAZ, hieß es:
"Es sind nicht nur die schrecklichen Nachrichten und noch schrecklicheren Bilder aus Syrien und dem Irak, wo der Koran noch bei jeder Schweinetat hochgehalten und bei jeder Enthauptung 'Allahu akbar' gerufen wird. Auch in so vielen anderen, wenn nicht den meisten Ländern der muslimischen Welt berufen sich staatliche Autoritäten, staatsnahe Institutionen, theologische Schulen oder aufständische Gruppen auf den Islam, wenn sie das eigene Volk unterdrücken, Frauen benachteiligen, Andersdenkende, Andersgläubige, anders Lebende verfolgen, vertreiben, massakrieren."
So der muslimische Islam-Kritiker Navid Kermani.
Der in der Paulskirche die Attacken des Islamischen Staats auf die katholische Gemeinde im syrischen Qaryatein schilderte. Am Ende forderte Kermani das Publikum auf, sich zu erheben und für die entführten Christen der Gemeinde zu beten - "damit wir den [ ... ] [Mord-] videos der Terroristen ein Bild unserer Brüderlichkeit entgegenhalten."
"Spätestens hier [erinnerte sich der WELT-Autor Richard Kämmerlings] mussten viele Zuhörer ihre Tränen verbergen. Es war ein Moment höchster Ergriffenheit [ ... ]. Navid Kermani hat uns einen Augenblick der Rührung abverlangt, der uns alle in die Pflicht nimmt."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG kritisierte indessen einen Tag später die allgemeine Begeisterung über die allgemeine Rührung und verurteilte Kermanis Gebet: "Es war ein Übergriff."
Der Terror des Islamischen Staats hat bekanntlich auch Anteil an der europäischen Flüchtlingskrise.
Um den vielen Ankömmlingen ein Dach über dem Kopf verschaffen zu können, forderte der Architekt Philipp Meuser in der Wochenzeitung DIE ZEIT, die Wohnstandards zu senken.
"Da würde ich mal provokant sagen: Ja zur Platte! Stellen Sie sich bitte vor, aus welchen zerbombten Städten manche der Flüchtlinge kommen, und vergleichen Sie das mit einer Plattenbauwohnung in Ostdeutschland, wo man zwar jeden Schritt des Nachbarn hört, aber fließendes Wasser und eine Heizung hat."
So Philipp Meuser in der ZEIT.
Intendant der Berliner Festspiele lobt Merkels politische Romantik
Apropos Forderungen. Mark Terkessidis und Aladin El-Mafaalani forderten in der SZ:
"Genug gefrickelt. Die Herausforderungen der Einwanderung lassen sich nicht nebenbei erledigen: Wir brauchen ein Bundesministerium für Migration."
Nach wie vor im feuilletonistischen Fokus standen die hiesige Willkommenskultur und Angela Wir-schaffen-das Merkel.
Im TAGESSPIEGEL bemerkte Thomas Oberender, der Intendant der Berliner Festspiele:
"Angela Merkels Betonung, dass sie stolz darauf ist, dass viele Deutsche die Flüchtlinge am Bahnhof 'von Herzen begrüßt haben', stellte die Not der Schutzsuchenden über die Sparpläne der Regierung, das Herz über den Konsum, die Praxis der Hilfe über jede Theorie. Hier klingt eine politische Romantik an, die ausnahmsweise einmal wohltuend in unsere Zeit hinüberwirkt."
Weder mit politischer Romantik noch mit Willkommenskultur etwas am Hut hat Akif Pirincci. Deshalb durfte der Autor zum ersten Jahrestag von Pegida in Dresden rechte Reden schwingen - wie die TAGESZEITUNG berichtete.
Allerdings fand es die TAZ seltsam, dass das Pegida-treue Publikum, nachdem Pirincci "'Moslemmüllhalde'", "'Umvolkung' " und "'KZ' " im Munde geführt hatte, tatsächlich "'Keine Hetze'" rief.
"[Und so etwas] auf der größten und renommiertesten Hetzveranstaltung seit den Sportpalastreden [von Goebbels]. Wie bescheuert ist das denn! [echauffierte sich der TAZ-Autor Uli Hannemann]. Sie wollen lieber so ein bisschen Halbhetze, ein Hetzchen, eine freundliche Schmusehetze, so in Richtung 'Ausländer raus mit Tschüss-Sagen und Erinnerungsselfie', statt sie [direkt] umzubringen."
Und so schließt unser Wochenrückblick trübe, liebe Hörer.
Wir sind, um es mit einer Überschrift in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG zu sagen: "Am Ende des Lateins".