Wovon erzählt die neue Elbphilharmonie?
Teuer war das Haus, aber immerhin ist es wunderschön geworden. Die Feuilletons überschlagen sich mit Lob und Metaphern für die neue Hamburger Elbphilharmonie. "Wellen der Zuversicht", "Melodielinien" und eine "Kathedrale der Klänge" erkennen die Kritiker in dem Bau.
"Ist das genial oder Wahnsinn?"
Das fragt sich die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG mit Blick auf die fertige Hamburger Elbphilharmonie, die in den Feuilletons Thema Nummer ein ist.
Laut FAZ-Autor Niklas Maak kann man über das spektakuläre Gebäude im Hafen der Stadt "zwei Geschichten erzählen. Die eine handelt vom Geld, die andere von einem Kunstwerk."
Da die Story über die obszöne Verteuerung des Projekts schon oft erzählt wurde, konzentrieren wir uns auf die Kunst.
Durch die Wochenzeitung DIE ZEIT wallen "Wellen der Zuversicht". Der euphorische Titel spielt auf den wellenförmigen Abschluss der Außenwände der Philharmonie an.
Ein Auf und Ab, in dem die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG allerdings kein bewegtes Wasser symbolisiert sieht, sondern "Melodielinien" und damit "eine musikalische Komposition, die in den Himmel über Hamburg geschrieben ist".
Sei es drum. ZEIT-Autor Hanno Rauterberg interpretiert die Formensprache des Gebäudes im Sinne des Architektenbüros Herzog & de Meuron, demzufolge das obere, glasglitzernde Bauvolumen gleich einem "Kristall" auf dem backsteinroten Kaispeicher A ruhen soll.
"Auch wenn man solcher Architektenlyrik nicht unbedingt folgen muss [so Rauterberg], ist es doch aufschlussreich, dass spätestens mit der Romantik der Kristall als höchste Form des Lebens begriffen wurde, versteinert und doch auf geheimnisvolle Weise lebendig. In diesem Sinne ließe sich auch die Architektur der Elbphilharmonie begreifen: als genuiner Ausdruck jener neuen Epoche des Anthropozäns, in der zwischen natürlicher und menschengemachter Natur kaum mehr zu unterscheiden ist."
Nun muss man solcher Feuilletonisten-Lyrik nicht unbedingt folgen. Doch auch der SZ-Autor Gottfried Knapp besteht darauf, dass etwas Großes Wirklichkeit geworden ist.
"Es gibt überhaupt nur ein einziges Bauwerk auf der Erde, das in seiner stadträumlichen Präsenz mit der Elbphilharmonie verglichen werden kann: Die Oper von Sydney, das gigantische Kulturmonument des Dänen Jørn Utzon."
Gegen diese Würdigung hätte die Tageszeitung DIE WELT wohl nichts einzuwenden.
Für sie ist die per Titel gefeierte "Kathedrale der Klänge" laut Unterzeile ein "Superhit der Architektur". Woran man erkennt, dass Begeisterung bei der Wahl der Metaphern nicht allzu wählerisch macht.
Auch in Berlin wächst unterdessen ein Gebäude heran, dass die Welt bewegen soll. Und bitte denke jetzt niemand an die Flughafen-Mumie Berlin Brandenburg. An der Spree hat sich der Glaube verfestigt, dass die Indienstnahme nie geplant war.
Anders beim Humboldt-Forum, das im Nutzbau hinter der restaurierten Schlossfassade Platz findet.
Neues Humboldt-Forum überzeugt nicht
In der FAZ verspritzt der notorische Forums-Kritiker Andreas Kilb weniger Salzsäure als sonst. Aber überzeugt hat ihn deshalb noch lange nicht, was er von den Gründungintendanten Neil MacGregor, Hermann Parzinger und Horst Bredekamp auf einer Pressekonferenz erfahren hat.
"Die wichtigsten Vorschläge des Trios betreffen die Finanzierung und den Gesamtcharakter des Hauses. Zum einen soll der Eintritt für jedermann frei sein, wodurch das Humboldtforum zum Eisbrecher in der deutschen Museumslandschaft würde. Zum anderen wollen sich die Intendanten den Zugriff auf sämtliche Ebenen des Gebäudes sichern […]. Das bedeutet, dass die Kuratoren, die Hüter des Kulturerbes, zugunsten der Kommunikatoren entmachtet würden."
Thomas E. Schmidt resümiert die hehren Intendanten-Absichten in der ZEIT mit einem Satz:
"Wie die globale Welt von heute ins Berliner Schloss gelangen soll, ist weiterhin eine unbeantwortete Frage."
Gönnen wir uns zum Schluss Lebensberatung von Marina Abramović. Die Künstlerin betont in der ZEIT:
"Der Körper ist ein Spiegel des Kosmos – wer den Körper studiert, betrachtet das Universum. Deshalb lehre ich meine Studenten die Abramović-Methode – etwa Reiskörner zählen. Kann jeder zu Hause machen. Es muss aber eine lange zeitliche Ausdehnung haben. Dann merke ich, wie sich die Atmung verändert, mein Geist (…)"
Auch falls Ihnen zum Körnerzählen die Zeit fehlt, liebe Hörer, sollten Sie eine Überschrift des Berliner TAGESSPIEGEL dringend beachten. Sie lautet:
"Panik ist keine Option."