"Zensur ist ein zu schwaches Wort"
Unsere Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit einem nicht veröffentlichten Interview des türkischen Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk. Er hatte in einem "Hürriyet"-Gespräch angekündigt, im Referendum gegen das Präsidialsystem von Präsident Erdogan stimmen zu wollen.
"Von Zensur will der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk nicht sprechen, denn Zensur ist ein zu schwaches Wort für das", was ihm passierte, erfahren wir aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Pamuk ist wütend: "Sie haben nicht ein oder zwei Zeilen gestrichen, sie haben mein Interview überhaupt nicht veröffentlicht." Pamuk hatte über das Präsidialsystem gesprochen, "mit dem Erdogan alle Macht an sich ziehen will".
Der Schriftsteller hatte auch deutlich gemacht, er werde bei dem bevorstehenden Referendum mit Nein stimmen. Die Dogan-Mediengruppe, zu der die Zeitung gehört, verteidigte die Entscheidung gegen das Interview mit ihrer Vorstellung von Objektivität. "Sie sei bemüht", ist in der SZ zu lesen, "nicht Teil der Ja- oder Nein-Kampagne zu sein und den Türken eine gesunde Entscheidung zu überlassen".
In der ZEIT stellt der ehemalige Chefredakteur der "Hürriyet", Can Dündar, einen Vergleich zwischen Deutschland und der Türkei an. Unter der Überschrift "Die gefährliche Macht der Ja-Sager" schreibt er: "Deutschland besitzt nach den schlimmen historischen Erfahrungen ein politisches System, das die Befugnisse des Präsidenten begrenzt. So war es auch in der Türkei. Nun aber sollen mit der Verfassungsreform am 16. April dem Staatspräsidenten unbegrenzte Kompetenzen eingeräumt werden."
Dieser Tage startete Erdogan "die Kampagne für das neue Regime und behauptete gleich in der ersten Rede, wer Nein sage, wolle das Land spalten". In Meinungsumfragen liegen Nein und Ja nach wie vor gleich auf, berichtet Dündar. Nun gehe es darum, die unentschlossenen Massen zu überzeugen. Dafür empfiehlt er deutsche Geschichtsbücher. "Sie zeigen", so Dündar, "wohin es für ein Land und die Welt führen kann, wenn einem Mann sämtliche Kompetenzen ohne jeden Kontrollmechanismus an die Hand gegeben werden."
Die Überschrift in der ZEIT "Jetzt hilft nur noch Kunst" klingt wie ein Hilferuf.
Man kann sie auch als trotziges Sofortprogramm verstehen. Wir schauen nach Mexiko vor dem Mauerbau. Tobias Timm schreibt: "Die Nerven liegen blank, die Bürger gehen auf die Straße, einzig die Künstler verbreiten heitere Zuversicht. Sie wollen das in Gewalt und Korruption versinkende Land retten."
Der Autor verweist auf die "kleinen Gesten der Solidarität, der gegenseitigen Hilfe, die man hier auf den Ausstellungseröffnungen, Diskussionsveranstaltungen und Kunstmessen erlebt, all die Weiterempfehlungen, sorgenden Nachfragen und Kooperationen, die in den Künstlerkreisen von New York, London oder Berlin fremd anmuten würden".
Wovon Joseph Croitoru in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG berichtet, stimmt ebenfalls vorsichtig hoffnungsvoll. "Ägypten will Frauenrechte bei Scheidungen" stärken, heißt es da. Es beruht auf einer Initiative des Präsidenten Abd al Fattah al Sisi, "der sich neuerdings in der Rolle des Reformators gefällt". Er sei besorgt über die hohen Scheidungsraten in Ägypten. "40 Prozent der jährlich geschlossenen Ehen werden innerhalb von 5 Jahren geschieden."
Das mag u. a. an der sehr einfachen Ausführung einer Scheidung liegen: Es genügt, wenn "der Ehemann durch bloßes dreimaliges Aussprechen einer kurzen Verstoßungsformel die Ehe auflöst. Die Ehefrau muss dabei nicht anwesend sein. Um den familiären Zusammenhalt und damit auch die ägyptische Nation zu stärken, fordert der ägyptische Präsident ein Gesetz, welches das Erscheinen beider Eheleute vor einem Ehe-Notar als Bedingung für eine Scheidung vorschreibt. Dies würde es ermöglichen, die Entscheidung noch einmal gemeinsam zu überdenken."
Zwar teile der Großmufti Schauqi Allam die Sorge des Präsidenten, aber er sieht im "Unvermögen junger Ägypter, eheliche Konflikte zu bewältigen", einen weiteren Scheidungsgrund. Die Al-Azhar Universität, die höchste religiöse Autorität der sunnitischen Welt, bremste den Eifer des Präsidenten mit dem Hinweis, "er solle sich nicht in religionsgesetzliche Belange einmischen".