Zwischen Oktoberfest und Massenmigration
In den USA wird auch viel Gutes über unser Land geschrieben, erfahren wir in der "SZ". Gustav Seibt philosophiert dort über einen "beeindruckenden" Text des Schriftstellers Martin Amis, der im Flüchtlingsherbst in Deutschland auf Lesereise war.
Gleich zu Beginn das Positive: In der "New York Times" stand neulich sehr viel Gutes über uns.
"Im Ergebnis wird Deutschland in der nächsten Generation ein stärkeres, vitaleres, dynamischeres Land werden",
schrieb der legendäre, überaus kritische Deutschland-Experte Roger Cohen, den Gustav Seibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG am Ende eines Berichts über den Schriftsteller Martin Amis zitiert. Amis hat nämlich im "New Yorker" einen Text veröffentlicht, in dem er den deutschen Flüchtlingskrisenherbst beschreibt. Amis war auf Lesereise in München gewesen und hatte das recht unwirkliche Durcheinander von Oktoberfest-Atmosphäre, Aufenthalt im Luxushotel und arabischer Massenmigration erlebt.
Irrsinn oder Menschlichkeit?
Beeindruckend ist dieser Text laut Gustav Seibt...
"... vor allem, weil er ein klares Urteil verweigert – Amis verkündet keine Meinung. Ist das, was er sieht, Irrsinn? Ist es ein Moment ergreifender Menschlichkeit?"
Das sind natürlich Fragen, die sich nicht nur Gustav Seibt, sondern nahezu alle Beobachter Deutschlands zur Zeit stellen.
"Erst in vielen Jahren",
philosophiert Seibt ein bisschen bräsig,
"wird man wissen, ob das, was 2015 begann – und was zu beginnen wohl noch lange nicht aufhören wird –, gut oder böse endet."
Das gilt ja wohl für ungefähr alles, was auf der Welt passiert. Aber speziell im Hinblick auf Deutschland macht sich alle Welt Sorgen – und nicht ohne Grund. Darauf weist Seibt immerhin selber hin:
"Wenn jetzt viele hierzulande sagen, besorgniserregend sei weniger die Flüchtlingskrise als die Spaltung der Gesellschaft darüber, dann darf man erwidern: Unseren Nachbarn geht es in Bezug auf Deutschland nicht anders."
Gambia und die Saharawinde
Übrigens machen sich auch aus Gambia, einem vergleichsweise winzigen Land an der westafrikanischen Küste, die Menschen aus dem im wahrsten Sinne: Staub.
"Der Harmattan, ein staubtrockener Saharawind, überzieht die Feuchtgebiete mit Sand, der sich auf Mangobäumen und Kokospalmen, aber auch den Clubsesseln und Sofas ablagert, die überall zum Verkauf stehen, Prestigeobjekte aus der Konkursmasse des britischen Empire. Am Straßenrand die üblichen Verdächtigen: Bürogebäude der Vereinten Nationen, deren Unterorganisationen zahlreich vertreten sind, weil Gambia zu den ärmsten Ländern der Welt gehört. Daneben die EU-Mission, deren Botschafterin ausgewiesen wurde, als sie sich erfrechte, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern."
Der viel- und weitgereiste Schriftsteller Hans Christoph Buch war kürzlich in dem Land und teilt seine Beobachtungen in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG mit. Leider ist der Text viel zu kurz, als dass man ihm mehr als bloß lauter lakonische Mitteilungen über einen völlig korrupten und kaputten Staat entnehmen könnte.
"Außer Erdnüssen, einer Hinterlassenschaft der Kolonialzeit, exportiert Gambia nichts, im Gegenteil: Selbst Grundnahrungsmittel wie Reis müssen importiert werden, trotz großspurig verkündeter Agrar-Autarkie. Einzige Devisenquelle ist der Tourismus, der sich nur langsam vom durch Ebola bewirkten Rückgang erholt. Obwohl die Seuche Gambia verschonte, wird erst jetzt, mit Verspätung, über Früherkennun0g und Vorbeugung informiert, und der Staatschef behauptet allen Ernstes, einen Zaubertrank gegen Hexen und ein Heilmittel gegen Aids erfunden zu haben, das er an willkürlich aufgegriffenen Passanten ausprobieren lässt."
Dieses Gambia, um das Maß voll zu machen, wurde von besagtem Präsidenten gerade zu einer islamischen Republik erklärt.
Was ist mit Salingers Nachlass?
Und nun der seltene Fall einer Zeitungsmeldung über etwas, das nicht passiert ist. Eigentlich sollte im Jahr 2015 das erste Buch aus dem Nachlass des vor fünf Jahren gestorbenen amerikanischen Autors Jerome D. Salinger erscheinen. Aber 2015 ging vorüber – und nichts dergleichen geschah. Hannes Stein von der WELT hat aufgepasst und schreibt:
"Wir hoffen und beten, das bedeutet lediglich, dass sich der Erscheinungstermin ein bisschen verschoben hat. Aber langsam dämmert uns: Es könnte sich um eine grandiose journalistische Ente gehandelt haben."
Aufgebracht hatte das Gerücht von Salingers Nachlass übrigens der Filmregisseur Shane Salerno, ein genialer Selbstvermarkter, dem Hannes Stein mit Recht misstraut.