Aus der Geschichte lernen
Europa wächst zusammen, doch die Europäer sind noch weit entfernt von einer gemeinsamen Identität. Mit der Frage, wie wichtig in diesem Prozess die "Arbeit an der Geschichte" ist, befasste sich ein Symposium unter dem Titel <papaya:link href="http://www.berlinerfestspiele.de/de/aktuell/festivals/11_gropiusbau/mgb_04_programm/mgb_04_veranstaltungen/mgb_04_ProgrammlisteDetailSeite_2_3607.php" text=""Europa erzählt Geschichte"" title="Symposium "Europa erzählt Geschichte"" target="_blank" /> im Berliner Martin-Gropius-Bau.
Arbeit am Gedächtnis Europas - als nichts Geringeres wollten die Organisatoren das Symposium verstanden wissen. Ohne diese Arbeit, so Konstantin Kosmas vom griechischen Kulturinstitut in seiner Eröffnungsrede, ließen sich viele Fragen des heutigen Europas nämlich nicht beantworten.
Konstantin Kosmas: "Gehören Moldawien und Russland, gehört die Türkei Europa an? Können wir die strikte Abgrenzung der albanischen, ukrainischen oder afrikanischen Wirtschaftsmigranten mit unseren humanistischen Erzählungen legitimieren?"
Europaweit schleicht sich in die Diskussion um diese Fragen ein scharfer, zunehmend von nationalem Egoismus geprägter Ton, der alte Ängste wach werden lässt. Und so kreiste die Diskussion der Autoren unausgesprochen um die Frage, ob Europa tatsächlich aus seiner Geschichte lernen könne.
Norman Manea: "Gewöhnlich will eine Generation nicht von ihren Eltern und Großeltern lernen. Und was geschieht rings um uns herum, zeigt uns, dass man lernt sehr wenig nach dem Holocaust und nach dem Kommunismus."
Der rumänische Autor Norman Manea, mit 70 Jahren sozusagen der Doyen der Veranstaltung, zeigte sich angesichts seines Lebens, das ihn durch KZ und Ceausescu-Diktatur ins Exil nach Amerika führte, skeptisch. Auch er stelle sich immer wieder die Frage, wie wichtig Erinnerungen für die Zukunft Europas sind.
Norman Manea: "Sie können wichtig sein, wenn man vergisst nicht, wie ist Deutschland, gerade das zivilisierteste Land von einer Demokratie in eine furchtbare Diktatur geworden, durch eine demokratische, wenn auch manipulierte Wahl."
Gerade hier ortet eine der jüngsten Teilnehmerinnen, die deutsche Autorin Tanja Dückers, eines der drängendsten Probleme.
Tanja Dückers: "Ich glaube, dass es so etwas wie einen Paradigmenwechsel gibt. Da gibt es z.B. diese Guido-Knopp-Serien. Ich habe das Knoppaganda genannt, wo nach meinem Empfinden deutsches Leid in einem sehr seltsamen verzerrten Proportionsverhältnis zu deutschen Taten aufgeführt wird. Mir ist das unverständlich, wie man im Jahr der EU-Osterweiterung bei dem Thema Flucht und Vertreibung fast ausschließlich über deutsche Vertriebene spricht. Das finde ich seltsam und glaube, dass das gerade bei Jüngeren zu einem realitätsfernen Bild führen kann."
Vor diesem Hintergrund wiesen auch Autoren wie Jaime Salinas aus Spanien, Helga Schneider aus Italien oder der finnische Historiker und Dramaturg Heikki Ylikangas darauf hin, dass es schon bald weder Zeitzeugen noch deren Kinder mehr gibt. Die nachfolgenden Generationen seien dann auf die Zeugnisse angewiesen, die ihnen jetzt hinterlassen werden.
Heikki Ylikangas: "Ich bin der Meinung, wir sind verpflichtet, die Vergangenheit studieren und ins Tageslicht alles bringen, was damals geschehen ist. … die neutrale Forschung ist das einzige Mittel, damit wir können uns von der Belastung der Vergangenheit befreien. Und deshalb ist es sehr wichtig, dass hier in dieser Veranstaltung die Vertreter der verschiedenen Generationen einander begegnen können."
Auf die Frage, ob es so etwas wie ein gemeinsames europäisches Gedächtnis überhaupt gebe, wagte Ylikangas die These, dass der zweite Weltkrieg selbst eines der besten Beispiele dafür sei. Denn ohne dieses Ereignis wäre das Schicksal aller Menschen und Staaten in Europa anders verlaufen. Viele der heutigen Vorurteile hätten hier ihre Ursache.
Der ungarische Autor Gabor Nemeth meinte aber, dass man Vorurteile nicht per se verdammen sollte, sie hätten eine wichtige Funktion.
Gabor Nemeth: "Ich glaube nicht, dass sich Vorurteile jemals vollständig ausrotten lassen, weil sich in ihnen Informationen und Emotionen widerspiegeln. Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als dass man eine Atmosphäre schafft, in denen Leute Angst haben, ihre Vorurteile auszusprechen. Ich glaube, dass es diese Vorurteile sind, die letztlich erst einen Diskurs ermöglichen."
In diesem Diskurs, so die einhellige Meinung der Autoren, würde sich eine gemeinsame kulturelle Identität Europas formen. Und die Erinnerungen an die Vergangenheit sind letztlich ihr Fundament. Jedes einzelne Buch, das sich mit der Vergangenheit beschäftigt und im großen Meer der Leser einen Interessenten findet, sei dafür ein wichtiger Baustein. So fordert auch ein Norman Manea bei all seiner Skepsis:
Norman Manea: "Man soll sich doch ausdrücken! Und wenn das bewegt jemanden, wie man eine Flasche mit einem Zettel ins Meer wirft, dann ist es okay. "
Konstantin Kosmas: "Gehören Moldawien und Russland, gehört die Türkei Europa an? Können wir die strikte Abgrenzung der albanischen, ukrainischen oder afrikanischen Wirtschaftsmigranten mit unseren humanistischen Erzählungen legitimieren?"
Europaweit schleicht sich in die Diskussion um diese Fragen ein scharfer, zunehmend von nationalem Egoismus geprägter Ton, der alte Ängste wach werden lässt. Und so kreiste die Diskussion der Autoren unausgesprochen um die Frage, ob Europa tatsächlich aus seiner Geschichte lernen könne.
Norman Manea: "Gewöhnlich will eine Generation nicht von ihren Eltern und Großeltern lernen. Und was geschieht rings um uns herum, zeigt uns, dass man lernt sehr wenig nach dem Holocaust und nach dem Kommunismus."
Der rumänische Autor Norman Manea, mit 70 Jahren sozusagen der Doyen der Veranstaltung, zeigte sich angesichts seines Lebens, das ihn durch KZ und Ceausescu-Diktatur ins Exil nach Amerika führte, skeptisch. Auch er stelle sich immer wieder die Frage, wie wichtig Erinnerungen für die Zukunft Europas sind.
Norman Manea: "Sie können wichtig sein, wenn man vergisst nicht, wie ist Deutschland, gerade das zivilisierteste Land von einer Demokratie in eine furchtbare Diktatur geworden, durch eine demokratische, wenn auch manipulierte Wahl."
Gerade hier ortet eine der jüngsten Teilnehmerinnen, die deutsche Autorin Tanja Dückers, eines der drängendsten Probleme.
Tanja Dückers: "Ich glaube, dass es so etwas wie einen Paradigmenwechsel gibt. Da gibt es z.B. diese Guido-Knopp-Serien. Ich habe das Knoppaganda genannt, wo nach meinem Empfinden deutsches Leid in einem sehr seltsamen verzerrten Proportionsverhältnis zu deutschen Taten aufgeführt wird. Mir ist das unverständlich, wie man im Jahr der EU-Osterweiterung bei dem Thema Flucht und Vertreibung fast ausschließlich über deutsche Vertriebene spricht. Das finde ich seltsam und glaube, dass das gerade bei Jüngeren zu einem realitätsfernen Bild führen kann."
Vor diesem Hintergrund wiesen auch Autoren wie Jaime Salinas aus Spanien, Helga Schneider aus Italien oder der finnische Historiker und Dramaturg Heikki Ylikangas darauf hin, dass es schon bald weder Zeitzeugen noch deren Kinder mehr gibt. Die nachfolgenden Generationen seien dann auf die Zeugnisse angewiesen, die ihnen jetzt hinterlassen werden.
Heikki Ylikangas: "Ich bin der Meinung, wir sind verpflichtet, die Vergangenheit studieren und ins Tageslicht alles bringen, was damals geschehen ist. … die neutrale Forschung ist das einzige Mittel, damit wir können uns von der Belastung der Vergangenheit befreien. Und deshalb ist es sehr wichtig, dass hier in dieser Veranstaltung die Vertreter der verschiedenen Generationen einander begegnen können."
Auf die Frage, ob es so etwas wie ein gemeinsames europäisches Gedächtnis überhaupt gebe, wagte Ylikangas die These, dass der zweite Weltkrieg selbst eines der besten Beispiele dafür sei. Denn ohne dieses Ereignis wäre das Schicksal aller Menschen und Staaten in Europa anders verlaufen. Viele der heutigen Vorurteile hätten hier ihre Ursache.
Der ungarische Autor Gabor Nemeth meinte aber, dass man Vorurteile nicht per se verdammen sollte, sie hätten eine wichtige Funktion.
Gabor Nemeth: "Ich glaube nicht, dass sich Vorurteile jemals vollständig ausrotten lassen, weil sich in ihnen Informationen und Emotionen widerspiegeln. Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als dass man eine Atmosphäre schafft, in denen Leute Angst haben, ihre Vorurteile auszusprechen. Ich glaube, dass es diese Vorurteile sind, die letztlich erst einen Diskurs ermöglichen."
In diesem Diskurs, so die einhellige Meinung der Autoren, würde sich eine gemeinsame kulturelle Identität Europas formen. Und die Erinnerungen an die Vergangenheit sind letztlich ihr Fundament. Jedes einzelne Buch, das sich mit der Vergangenheit beschäftigt und im großen Meer der Leser einen Interessenten findet, sei dafür ein wichtiger Baustein. So fordert auch ein Norman Manea bei all seiner Skepsis:
Norman Manea: "Man soll sich doch ausdrücken! Und wenn das bewegt jemanden, wie man eine Flasche mit einem Zettel ins Meer wirft, dann ist es okay. "