"Der Fortschritt ist eine ganz langsame Schnecke"
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In Brandenburg hat das Verfassungsgericht das Paritätsgesetz kassiert. Die Journalistin Brigitte Fehrle bedauert das: Die Zeit der freiwilligen Lösungen sei vorbei. Dass mehr Frauen in die Parlamente müssen, sei "absolut eklatant".
Das Brandenburger Verfassungsgericht hat das Paritätsgesetz gekippt. Das Gesetz beschränke die Freiheit der Parteien bei der Aufstellung von Kandidaten und damit die Teilnahme an Wahlen, teilte das Gericht in der Urteilsverkündung in Potsdam mit.
Das Gesetz schrieb den Parteien vor, ihre Kandidatenlisten mit gleich vielen Männern und Frauen zu besetzen. Zuvor war ein entsprechendes Gesetz schon in Thüringen gescheitert.
Keine freiwilligen Lösungen und Appelle mehr
Die Journalistin Brigitte Fehrle bedauert die Entscheidung: "Die Zeit, dass man über freiwillige Lösungen und Appelle an die Verantwortlichen das Thema Quotierung von Frauen und Gleichberechtigung von Frauen löst, die ist einfach vorbei", sagt sie. Überall, wo es Regeln gebe, klappe es auch.
"Uns Frauen bleibt jetzt nichts anderes übrig, als auf Karlsruhe zu warten", so Fehrle. Dort war eine Beschwerde zum Thüringer Urteil eingegangen, es soll dieses nun auf Auslegungsfehler prüfen.
Dass mehr Frauen in die Parlamente müssen, sei "vollkommen augenscheinlich und absolut eklatant", sagt Fehrle. Im Bayerischen Landtag seien nur 25 Prozent der Abgeordneten weiblich, in Baden-Württemberg noch weniger.
"Nirgendwo in den Landtagen gibt es 50 Prozent Frauen, geschweige denn im Bundestag", kritisiert sie. Da habe sogar die Anzahl der Frauen nach der letzten Bundestagswahl wieder abgenommen.
Man kann nicht auf die Einsicht der Parteien warten
"Der Fortschritt ist da wirklich eine ganz langsame Schnecke." Und man könne nicht auf die Einsicht der Parteien warten, es so wie die Grünen zu machen und die Wahllisten paritätisch zu besetzen, meint Fehrle.
In der CDU werde beispielsweise die Debatte um die Quote bereits lange geführt - schon Rita Süssmuth habe in den 1980er-Jahren dafür auf Parteitagen gekämpft: "Und wir sehen ja, wo wir heute stehen."
Das Gericht in Brandenburg gab zwei Klagen der NPD und der AfD recht, die durch das Gesetz die Freiheit der Wahl und die Organisationsfreiheit der Parteien gravierend beeinträchtigt sahen. Außerdem hatten vier AfD-Landtagsabgeordnete Verfassungsbeschwerden eingelegt.