Aus Telekom wird Drosselkom

Von Laf Überland |
Die Telekom hat mit ihren Plänen zur Drosselung der Flatrates einen regelrechten Proteststurm ausgelöst. Doch es geht nicht nur um das drohende Schneckentempo in Netz, sondern auch um die Gefährdung der Netzneutralität.
Wenn die Telekom Daten durchs eigene Netz schickt, dann entstehen ihr geschätzte Kosten von unter einem Cent pro Gigabyte. Gut, da dran kann’s also nicht liegen, wenn die Telekom ab 2016 mehr Geld haben will. Das Problem ist vielmehr die verfügbare Bandbreite, also die maximale Datenmenge, die durchs Kabel geleitet werden kann. In Zeiten von Streaming, Videochat und Online-Spielen kommt da gehörig was zusammen – und wenn der Datenverkehr so weiterwächst, dann würde die Bandbreite des derzeitigen Netzes bald nicht mehr ausreichen. Ein flächendeckendes Netz von Glasfaserkabeln wäre eigentlich notwendig, und den teuren Ausbau der Datenleitungen finanzieren hauptsächlich die Netzprovider – bei uns vor allem die Telekom.

Die aber will nicht mehr nur der doofe Vermieter sein, der nichts anderes macht als die Pipeline zu bauen und zu warten, durch die die Googles und Facebooks und wie sie alle heißen ihren Goldstaub einsammeln und dick und fett und reich werden.

Bereits vor drei Jahren träumte Telekom-Chef Obermann deshalb von einer Google-Gebühr, die der Suchmaschinenbetreiber dafür zahlen sollte, dass seine Dienstleistungs-Bits&Bytes durch die Kabel der Telekom geleitet werden. Das entpuppte sich nur als dumme Idee, denn dafür zahlt Google sicherlich nicht! (Die Anbieter von Netzinhalten zahlen üblicherweise an den Provider, bei dem ihre Server ans Netz gehen ...)

Okay: Wenn Google & Co also einfach auf stur schalten und nicht zahlen wollen, dann muss die Telekom den Rahm der Internetschaumschlägerei eben woanders abschöpfen, nämlich bei denen, an die Google & Co ihr Zeug schicken - also beim Verbraucher. Der allerdings bezahlt ja bereits für seine Flatrate ...
Hmmm. Deshalb würde also die Telekom jetzt gern irgendwo dazwischen noch einen aufstellen, der wie ein Wegelagerer noch mal einen Passierzoll kassiert – und wer nicht zahlen will, ha!, dem werden halt die Räder von der Kutsche abmontiert, so dass er nur noch im Schneckentempo weiterkann ...

So könnte man das sehen ... Man kann natürlich auch die Argumentation der Telekom übernehmen und sagen: Ja gut, die konkurrierenden Provider haben Flatrates rausgehauen wie Pfefferstreuer beim Billigen Jakob, dann haben sie gemerkt: Diese Flatrates bringen nicht genug Geld rein – wir müssen auch in den Netzausbau investieren, und eine gut geführte Aktiengesellschaft investiert ja nicht die Dividende: Also schaffen wir die Flatrates eben ab – beziehungsweise begrenzen sie, verkaufen also eigentlich gar keine Flatrates mehr, sondern Volumenraten! (Das ist wie beim Freibier in der Dorfdisko: Drei Fässer gibt’s umsonst, danach dann aber richtig teuer!)

Nur – dachte sich die Telekom - unsere eigenen Dienste, das Entertain-TV-und-Radio-Paket und die Videoausleihe Videoload, die nehmen wir natürlich aus der Volumenzählung raus und liefern sie unbegrenzt. Und endlich wird in Deutschland so auch Wirklichkeit, was Netzriesen wie AT&T und Comcast in den USA jahrelang einforderten: das faktische Ende der Netzneutralität.

Netzneutralität bedeutet eigentlich: Gleiches Recht für alle Daten! Alle Datenpakete werden in gleicher Qualität verschickt, unabhängig davon, woher sie stammen oder wohin sie gehen oder was ihr Inhalt ist und zu welcher Anwendung sie gehören - also ob langer Film oder kurzer Text. Die Drosselung der Telekom-Flatrate ab 2016 soll das aber ändern – und leider nahezu alle Telekomkunden betreffen.

Dann will der Bonner Konzern ja die kleinen Verträge auf 75 Gigabyte Datenvolumen drosseln. Laut Telekom-Chef René Obermann träfe das angeblich nur drei Prozent Intensivuser - die auf Kosten der Normalnutzer das ganze Internet verbrauchen, will er damit anscheinend suggerieren. Nach einer frischen Umfrage des Computermagazins CHIP jedoch verbrauchen bereits heute 68 Prozent der Nutzer 75 G.

Allerdings: Wenn die datenintensiven Filme beispielsweise über Telekoms hauseigene Plattform Entertain geguckt und runtergeladen werden, dann sollen die bei der Volumenzählung eben außen vor bleiben. Und so bevorzugt der Bonner Konzern also die eigenen Dienste gegenüber denen der Konkurrenz ...

Naja gut: Wenn dann aber tatsächlich ab der vereinbarten Volumenobergrenze gedrosselt wird, dann wird die Übertragung auf 384 Kilobit pro Sekunde begrenzt: Dann funktionieren zwar noch E-Mail und Browser (für nicht so Grafik-starke Seiten), aber YouTube wird unbenutzbar, Online-Videotheken sowieso. Das ist dann: Surfen wie früher!

Natürlich können Kunden über Zubuchoptionen dann weiteres Hochgeschwindigkeits-Volumen dazukaufen, schreibt die Telekom – Preise fürs Zubuchen nennt sie noch keine. Aber: Wenn Inhalte-Anbietern die Drosselung ihres Zugangs zu ihren Kunden im Telekomnetz nicht gefällt, sagt die Telekom, können die sich ja in die Angebotspalette des Bonner Konzerns integrieren, die ja nicht unters Flatrate-Volumen fällt und sozusagen auf der Busspur fährt, während daneben der Berufsverkehr sich staut.

Bislang betrifft das eben Telekoms Entertain-Paket samt Videoload. Aber jeder kann bei der Telekom einen solchen managed service für sein Angebot buchen, auch iTunes.

Übrigens wird die Telekom nicht der einzige Internetprovider sein, der die Bandbreite drosselt: Aber beim Gros der Netzanbieter wird, wie es heißt, der Schritt der Telekom jetzt erstmal sehr genau beobachtet – was das Kartellamt dazu sagt und, wie die Nutzer darauf reagieren.