Münchens musikalischer Irrweg
Münchens Kulturzentrum, der Gasteig, soll ausgebaut werden. In Zukunft lassen sich zwei Weltorchester unter seinem Dach vereinen. Das bayerische Symphonieorchester hatte bisher keine echte Heimat in München, sein Chefdirigent forderte schon lange einen Neubau. Die angestrebte Doppellösung ruft nun vor allem Enttäuschung hervor - und harsche Kritik.
"Meine Damen und Herren, schön, dass Sie so zahlreich erschienen sind..."
Oberbürgermeister Dieter Reiter Montag Mittag, neben ihm Ministerpräsident Horst Seehofer bei einer eilends anberaumten Pressekonferenz. Knapp eine halbe Stunde hatten Medien und Interessierte Zeit, um ins Rathaus zu eilen, die einen hoffnungsvoll, die anderen skeptisch. Dann die Verkündung:
Seehofer: "Seit heute können wir sagen, es ist möglich im Gasteig mit beiden Orchestern unter Status-quo-Bedingungen, das heißt unter der Zahl der Konzerte wie bisher auch, einen neuen Konzertsaal zu errichten. Was nicht heißt, dass der Gasteig abgerissen wird, sondern es wird in der bestehende Bausubstanz ein neuer Konzertsaal mit Qualitätsverbesserungen gebaut."
Bereits während der Verkündung gab es harsche Kritik. Ein Gemeinschaftshaus für Münchens Toporchester – Münchner Philharmoniker und das Bayerische Symphonieorchester? Der Philharmoniesaal würde entkernt und von Grund auf neu konzipiert werden, so Seehofer. Rund 200 Millionen Euro seien dafür eingeplant, heißt es.
Der Chefdirigent des Symphonieorchesters will einen Neubau
Genau dieses Szenario hat das bayerische Symphonieorchester unter Chefdirigent Mariss Jansons bislang immer ausgeschlossen. Zwei Weltorchester unter einem Dach - mit Proberäumen, Belegungsplänen, Konzerten für insgesamt rund 35 000 Abonnenten?
Wohl kein Projekt wird in München so kontrovers, langatmig, irritierend und hoffnungsvoll diskutiert, wie der neue Konzertsaal. Die neue Heimat ist vor allem für das bayerische Symphonieorchester, das bislang außerhalb des Funkhauses am Bahnhof formal immer nur als Gast in der Philharmonie oder im Herkulessaal auftreten konnte. Deshalb setzte sich Chefdirigent Mariss Jansons seit Jahren vehement für einen Neubau ein, ihm zur Seite sprang kürzlich Stargeigerin Anne-Sophie Mutter mit der Forderung nach einem angemessen Konzertsaal für München. Aus, vorbei. Welche Konsequenzen Mariss Jansons ziehen wird, muss man abwarten.
Fast 40 Vorschläge wurden in den vergangenen Jahren schon zu einem neuen Konzertsaal für München vorgelegt. Sei es die Machbarkeitsstudie zum Marstall hinter der Oper, der sich dann als zu schmal erwies, sei es der Umbau eines Gebäudes auf der Museumsinsel zu einem zweiten KKH, dem architektonisch wie akustisch Weltmaßstäbe setzende Konzerthaus von Luzern in der Schweiz. Oder sei es die Erweiterung des Herkulessaales in der Münchner Residenz.
Ein Schlag ins Gesicht der Musiker
Am liebsten würden Musikliebhaber einen kompletten Neubau am Altstadtring im Finanzgarten sehen, ein architektonisches Juwel, das Münchens Status als Weltkulturstadt erhalten hilft. Zuletzt hieß es, Ministerpräsident Seehofer bevorzuge eine Radikallösung: Den Abriss des Gasteig. Für einige Münchner die Lieblingslösung, denn der braune 80er Jahre-Klotz hoch über der Isar, in dem auch noch die Volkshochschule und die Musikhochschule untergebracht sind, damit ist nicht mehr viel Staat zu machen.
Die Enttäuschung über den heutigen Entscheid kann Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks schlecht verbergen. Für ihn ist das Ergebnis nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Musiker des Bayerischen Symphonieorchesters, sondern auch ein fataler Schritt für die insgesamt 35 0000 Abonnenten und die Attraktivität Münchens:
"Die vielen hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Selbständigen und Unternehmer, die in den vergangenen Jahrzehnten nach Bayern gezogen sind, sind auch deshalb hierhergekommen, weil hier ein Umfeld war, in dem sie vieles geboten bekommen. Von einem sauberen Umfeld, über eine erstklassige Infrastruktur bis hin zu einem hochwertigen Angebot. Wir hätten uns deshalb auch von einer Erweiterung des Musiklebens für den Großraum München auch weitere wirtschaftliche Impulse versprochen."
"Wir warnen vor einem Irrweg"
Noch am Montagmorgen hatte der Verband der Münchner Kulturveranstalter dringend den Neubau eines Saales gefordert. "Die Ankündigung des Freistaats, einen neuen Konzertsaal zu bauen, sollte nicht jetzt durch die Realisierung eines Gemeinschafts-Konzertsaals zu einer Verschlechterung der Auftrittsmöglichkeit führen", heißt es in der Erklärung.
Erst im Dezember hatte der Verein "Konzertsaal München" mit der Idee eines Nürnberger Architekturstudenten elektrisiert, der einen hochmodernen Komplex in der Galeriestraße neben der Residenz konzipierte. Ein lichter weißer Bau mit durchbrochener Fassade und Gitterstrukturen. Stattdessen nun der Gasteig. Vereinsvorsitzender Manfred Wutzlhofer:
"Der müsste mindestens 1800 Plätze haben, der braucht eine lichte Höhe von über 20 Metern, das ist nicht vorstellbar, dass das im Gasteig möglich sei, da müssten dann andere Institutionen woanders hinwandern, da wird dann über Jahre gestritten, untersucht, geprüft und kommt zu keinem Ergebnis. Deshalb warnen wir, das ist ein Irrweg, auf diese Art und Weise kommen wir zu keiner befriedigenden Lösung."
Ministerpräsident Seehofer wirkt indes überzeugt. Er habe dazu bereits Vorgespräche mit Finanzminister Markus Söder und dem CSU Fraktionsvorsitzenden Thomas Kreuzer geführt, so Seehofer. Alles weiter wie Belegungsrechte, Räume für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und die Sanierung des Herkulessaales würden jetzt in der Planung geregelt.
Mittwoch kommende Woche wird der Vorschlag im Kabinett behandelt. Ende Februar steht der Entscheid auf der Tagesordnung des Münchner Stadtrates.
Seehofer: "Unser gemeinsames Ziel ist, dass wir für München einen Konzertsaal bekommen, der Weltniveau entspricht. Mir ist ein Konzertsaal, ein neuer Konzertsaal mit Weltniveau weitaus wichtiger, als eine endlose Standortdiskussion."