Ausbildung

Gute Lehrlinge dringend gesucht

Kerstin Feix im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Die Hochschulen in Deutschland werden von Bewerbern regelrecht überrannt. Dabei würde die Unternehmerin Kerstin Feix gerne mehr Abiturienten ausbilden, zum Beispiel zum Kfz-Mechatroniker. Doch die Lehre hat unter Schulabgängern einen schlechten Ruf.
Liane von Billerbeck: So viele Studenten wie noch nie strömen derzeit an die deutschen Unis: 2,7 Millionen sind es genau, das sind 81.500 mehr als im vorigen Wintersemester. So hat es das Statistische Bundesamt dieser Tage mitgeteilt. Und der Münchner Philosoph und einstige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, der sprach sogar von einem Akademisierungswahn und warb für die duale Ausbildung.
Julian Nida-Rümelin: Wir haben ein System beruflicher Bildung, um das uns die Welt beneidet. Wenn dieses Erfolgsmodell ruiniert wird und wenn wir 25 Prozent eines Jahrgangs oder auch 30 Prozent eines Jahrgangs nur noch haben, diejenigen, die auf dem normalen Weg, wie manche das propagieren, gescheitert sind – nämlich der normale Weg ist dann Abitur und Studium und der nicht normale Weg, na ja, gut, der steht dann für die offen, die das nun partout nicht schaffen –, dann beschädigen wir die einzige wirklich international auffällige Stärke des deutschen Bildungssystems.
von Billerbeck: Julian Nida-Rümelin sagte auch, dass Ausbildungsberufe zudem, anders als das Klischee behauptet, gute Verdienstmöglichkeiten böten und zudem anspruchsvoller seien, und er verglich den studierten Gymnasiallehrer mit dem gelernten Mechatroniker.
Nida-Rümelin: Der Gymnasiallehrer, dessen Beruf sehr wichtig ist und den ich hoch schätze, der ist ziemlich repetitiv tätig, weil er Jahr für Jahr dieselben Curricula pro Jahrgang abarbeiten muss. Ein Mechatronikermeister, der ist möglicherweise mit immer wieder neuen Modellen aus der Technologieschmiede großer Kfz-Unternehmen beschäftigt und muss sich immer wieder darauf einstellen, muss die sogar selber entwickeln. Der ist hochkreativ tätig und nicht repetitiv.
von Billerbeck: Julian Nida-Rümelin war das, gestern bei uns im Programm. Wie die Realität der beruflichen Ausbildung aussieht, das will ich jetzt besprechen mit Kerstin Feix. Sie ist Geschäftsführerin des Autohauses Feix Meures mit sechs Filialen in Bochum, Witten und Hattingen, hat fünf Kfz-Werkstätten, mehr als 100 Mitarbeiter und 21 Auszubildende. Außerdem ist sie gerade zur Vizepräsidentin der Handwerkskammer Köln gewählt worden, hat also den Überblick, wie es um das Vorzeigemodell berufliche Ausbildung bestellt ist. Frau Feix, guten Morgen!
Kerstin Feix: Schönen guten Tag!
von Billerbeck: Sie brauchen in Ihrem Unternehmen Auszubildende, um die Zukunft Ihrer Firma zu sichern. Haben Sie denn genug Bewerber für Ihre Ausbildungsplätze?
Feix: Also unsere Firma bildet seit zig Jahren konsequent aus und dafür sind wir auch bekannt. Insofern bewerben sich sehr, sehr viele junge Leute für eine Ausbildung bei uns, und wir haben da sehr gute Erfolgserfahrungen, dass dadurch dann eben auch sehr, sehr gute Leute sich bewerben für die Ausbildung als Kfz-Mechatroniker oder -Mechatronikerin sowie auch Automobilkaufleute. Die Anzahl der Auszubildenden oder der Bewerber ist sehr hoch. Es geht eher um die Qualität derjenigen, die sich dann für diesen Beruf interessieren, wo man schon mal auch sich noch etwas mehr wünscht.
von Billerbeck: Welche Defizite stellen Sie denn bei den Bewerbern insbesondere fest?
Feix: Also wir sind ganz offen für alle Schulabschlüsse und wir stellen fest, dass das Interesse bei den Abiturienten etwas geringer ist, was sehr schade ist, weil denen wohl die Kenntnisse fehlen, wie anspruchsvoll, wie interessant und mit welcher Freude man auch so eine Ausbildung absolvieren kann. Und es gehören ja auch weiche Faktoren dazu wie Persönlichkeit, wie klassische Eigenschaften, ehrlich, pünktlich, zuverlässig, und das sind Faktoren, die man auch sehr schwer natürlich ermitteln kann bei den Bewerbern, aber da legen wir auch sehr großen Wert drauf.
Studienabbrecher werden gerne genommen
von Billerbeck: Und diese Eigenschaften, die finden Sie eher bei Abiturienten oder erhoffen Sie sich eher bei Abiturienten?
Feix: Nein. Diese Eigenschaften gibt es sowohl beim Hauptschüler wie auch bei den Studienabbrechern. Das ist davon unabhängig. Es ist nur sehr schwierig, dieses Anspruchsvolle, was in der Ausbildung vermittelt wird, und die Berufsmöglichkeiten mit Aufstiegsmöglichkeiten, dass die überhaupt in der Gesellschaft bekannt sind, und da arbeiten wir halt jeden Tag dran, weshalb wir dann eben auch Studienabbrecher als Bewerber bekommen sowie auch die Hauptschüler. Und wir arbeiten sehr viel mit Praktika, dass eben die jungen Leute uns auch kennenlernen können, um zu wissen, wie funktioniert denn überhaupt der Beruf, was ist das für eine Firma, und wenn man sie dann schnell heranführt und einfach mal auch arbeiten lässt, dann ist die Begeisterung für den Beruf auch ganz schnell da und die Freude, sich für diese Ausbildung zu bewerben, ist dann noch größer.
von Billerbeck: Das ist ja nicht so wie früher mit einem Kfz-Mechaniker, sondern so ein Mechatroniker, das ist ja ein High-Tech-Beruf inzwischen. Wie machen Sie das denn konkret mit der Werbung? Gehen Sie da an Schulen und sagen, Jungs, Mädels, werdet Mechatroniker, kommt zu uns?
Feix: Also wir gehen verschiedene Wege. Es gibt Kooperationen mit Schulen, wo wir jetzt noch nicht so intensiv zugange sind. Wir haben das Glück, dass wir sehr beliebte Berufe ausbilden, also der Kfz-Mechatroniker oder -Mechatronikerin ...
von Billerbeck: ... steht immer an der Spitze, oder?
Feix: ... ist sehr, sehr nachgefragt, das ist ja auch ein fantastisches Berufsbild, also da kann ich mich auch immer wieder für begeistern. Ja, wir nutzen eigentlich überall die Möglichkeiten, Multiplikatoren auch einzusetzen. Unsere Kunden, die wissen auch und erfahren ja auch, dass wir ausbilden, und die Kunden, die bekommen bei uns eine Dienstleistung von hoch qualifizierten Mitarbeitern, und die werden dann zufriedengestellt, und dadurch bekommt man ja auch eine bessere Wertigkeit dieser Dienstleistung, und um eine Fachkraft sein zu können, geht dann eben der Weg über diese solide Ausbildung. Und wir arbeiten mit Schulen, wir arbeiten aber auch über verschiedene Messen, dass man eben darauf aufmerksam machen kann, da gibt es eine Firma, da kann man diese Berufe erlernen, und die Möglichkeit, Praktika anzubieten, weil das ist eine sehr, sehr gute Möglichkeit für beide Seiten, und wenn der Jugendliche erkennt, es ist vielleicht nicht das Richtige für ihn, ist das auch eine wertvolle Erkenntnis.
von Billerbeck: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Frau Feix, haben Sie so viele Bewerber, dass Sie sich gar nicht um die vielleicht nicht so gut Qualifizierten bemühen müssen und da denen vielleicht so ein bisschen auf die Sprünge helfen müssen, damit sie bei Ihnen vielleicht doch noch Auszubildende werden können?
Feix: Wir gehen verschiedene Wege. Wir stützen auch einige Bewerber, die vielleicht nicht beim ersten Anlauf den hervorragenden Schulabschluss gewonnen haben.
Auch Ausbildungsberufe bieten Aufstiegschancen
von Billerbeck: Wie machen Sie das?
Feix: Das sind dann Projekte mit Schulen zusammen, wo wir praktisch über ein Jahr auch einen Praktikanten haben, der dann bei uns im Betrieb eingebunden wird und von den Mitarbeitern in der Werkstatt, ich sage mal, an die Hand genommen wird, wo einfach auch solche Sachen wie pünktliches Erscheinen und Selbstwertgefühl auch aufgebaut wird. Das hilft also oftmals auch schon und da haben wir auch gute Erfahrungen, dass die auch eine erfolgreiche Ausbildung absolvieren können und hinterher eine Festanstellung bekommen. Das ist nicht immer dann auf jeden Fall bei uns im Unternehmen möglich, aber wenn sie also die Kfz-Mechatroniker-Ausbildung gemacht haben, ist das ein sehr, sehr guter Start, wobei auch in anderen Berufszweigen selbstverständlich von der Methodik her das genauso auch absolviert werden kann.
Und es muss nicht jeder gleich den höchsten Schulabschluss haben, um für eine Ausbildung geeignet zu sein. Aber es wäre schön, wenn dort auch ankommt, wie anspruchsvoll und welche Aufstiegsmöglichkeiten man noch in einem zum Beispiel Handwerksbetrieb hat, wenn man mit einer Ausbildung anfängt, und man kann sich ja dann weiterentwickeln, auch kaufmännisch noch etwas weiter machen, oder es gibt Kooperationen mit Fachhochschulen für diejenigen, die dann eben zu höheren Sphären ja auch dann aufsteigen möchten.
von Billerbeck: Frau Feix, alles, was ich eben gehört habe, würde mich jetzt sofort dazu bringen, bei Ihnen als Mechatronikerlehrling oder Mechatronikerin anzufangen. Nun sind Sie ja auch Vizepräsidentin der Handwerkskammer Köln, gerade gewählt.
Feix: Dortmund.
von Billerbeck: Dortmund, oh, Verzeihung, Sie kennen also auch die Lage in anderen Branchen. Es gibt ja auch höchst unbeliebte Berufe, also ich sage mal, die Frühausteherberufe, den Bäcker zum Beispiel, da gibt es ja Defizite, da fehlen ja gute Auszubildende. Wie sorgen Sie denn da dafür und Ihre Kollegen, dass es da auch gute Lehrlinge gibt?
Feix: Also da ist es sicherlich etwas schwieriger, weil auch heute eine große Komfortzone existiert, was Arbeitszeiten angeht, was Freizeit angeht. Aber es sind ja ganz wichtige Berufe, und da muss man verdeutlichen: Ohne diese wichtigen Handwerksberufe, da würde ja in Deutschland eine ganze Menge nicht mehr funktionieren. Und dann können ja auch diejenigen stolz sein, die dann sagen, ich mache vielleicht eine Ausbildung bei einem Bäcker oder bei einem Metzger, dass die sagen: Ja, ich sorge dafür, dass die Menschen auch noch satt werden. Und das sind ja immer wichtigere Funktionen, denn wenn jetzt alle nur noch die theoretischen Kenntnisse hätten, wie man etwas macht, dann würde bei uns vieles nicht funktionieren. Und diese Bedeutung, einen Beitrag leisten zu können an so wichtigen Aufgaben, wenn wir die richtig transportiert bekommen, dann haben sicherlich auch die anderen Branchen, die Sie gerade genannt haben, wieder bessere Möglichkeiten, Top-Leute zu bekommen, die sich dann dort einbringen, denn das sind ganz wichtige Aufgaben in unserer Gesellschaft.
von Billerbeck: Ich kriege Sie von Ihrer positiven Stimmung nicht weg, Frau Feix, es ist alles prima also offenbar. Kerstin Feix war das, Autohändlerin und zudem frisch gewählte Vizepräsidentin der Handwerkskammer Dortmund, über die Möglichkeiten für all jene, die sich für eine solide Berufsausbildung entscheiden. Ich danke Ihnen!
Feix: Danke sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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