Knochenjob auf hoher See
Die Zahl der Schiffe und Meeresfischer ist in den letzten Jahrzehnten stark gesunken: Schwankende Fangquoten und strenge Auflagen machen den Fischern das Leben schwer. Dennoch entscheiden sich jedes Jahr junge Menschen für den Beruf auf hoher See.
Mit seinem grauen Rauschebart und den leicht windzersausten Haaren sieht der Mann aus wie ein Fischer. Und dann heißt er auch noch so. Björn Fischer ist 50 Jahre alt und übt den Beruf in siebter Generation aus. Sein 14,5 Meter langer Kutter "Tummler" liegt in Heikendorf vor den Toren Kiels. Doch in diesen Tagen geht es nicht hinaus vor die Küsten Schleswig-Holsteins, Dänemarks oder Schwedens, sondern in die Werft.
Kein Auszubildender seit 20 Jahren
20 Jahre ist es nun her, dass Björn Fischer zuletzt einen Auszubildenden hatte. Dass seitdem keine weiteren folgten, liege einerseits daran, dass das viel Geld koste. Aber auch am falschen Bild, das viele Interessenten hätten, sagt Björn Fischer.
"Die stellen sich das immer so bisschen romantisch vor: Morgens auf See fahren und dann komme ich ein paar Stunden später wieder rein mit einer Kiste Fisch, verkaufe die am Hafen und sitz dann hier und trinke meinen Kaffee. Aber die Realität sieht leider anders aus. Dass du eben viel auf See bist, viele Stunden machen musst, keine geregelten Wochenenden hast. Und da hören viele natürlich schon nach kurzer Zeit auf."
Kürzlich kam eine Bewerbung von jemandem, mit dem Björn Fischer nicht gerechnet hatte: Sie stammte von seinem Sohn Johnny, der nach dem Abitur gerade auf Weltreise war.
"Einmal freut man sich, dass er das eben weiterführt oder überhaupt erst mal die Ausbildung dazu macht. Und dann ist der andere Punkt eben: Wenn das eigene Kind das macht, man weiß ja, was da alles dranhängt an dem Beruf. Das ist ja auch nicht ganz ungefährlich"
Johnny ist 21 Jahre alt und hat lange blonde Haare. Etwas schüchtern steht er neben seinem Vater auf der engen Brücke des Kutters. Gerade hat er sein zweites Lehrjahr begonnen: "Ich denke nicht, dass ich das das ganze Leben machen werde. Aber ich habe eben auch nicht vorher gedacht, dass ich in die Fischerei gehen werde. Eigentlich habe ich keine Ahnung, wo das hinführt!"
Auch die Zukunft seines Berufs scheint ziemlich offen. Die Zahl der Schiffe und Meeresfischer ist in den letzten Jahrzehnten kräftig geschrumpft.
Schlechte Work-Life-Balance
Knapp 2.000 Personen waren laut Deutschen Fischereiverband im vergangenen Jahr auf den Schiffen in der Nord- und Ostsee unterwegs. Genauer: Auf den Fahrzeugen der Küstenfischerei und der kleinen Hochseefischerei.
Der Wandel hat verschiedene Gründe: Zum Beispiel die schwankenden Fangquoten und die strengeren Auflagen für Fischer. Aber auch der technische Fortschritt, der es ermöglicht, schon mit zweiköpfigen Besatzungen wochenlang auf dem Meer zu bleiben. Und wie bei der Landwirtschaft hat auch die Fischerei mit dem Thema Work-Life-Balance zu kämpfen. Nicht jeder Teenager sehnt sich heute nach einem Job, der auch mal 80 Stunden Arbeit die Woche bedeuten kann und eine lange Trennung von der Familie.
Johnny Fischer und seine 13 Klassenkameraden schreckt das alles nicht ab. Sie sitzen an diesem Vormittag gerade in einem kargen hellen Raum, knüpfen Netze. Streng beäugt von Rüdiger Bornholdt: "Erstmal alles wieder eingedreht hier. Guck dir das mal an! Da muss erstmal wieder der ganze Dreh raus!"
Die Ausbildung zum Fischwirt in der Küsten- und kleinen Hochseefischerei dauert drei Jahre. In jedem Lehrjahr steht ein fünfwöchiger Block an der Landesberufsschule nahe Rendsburg an.
Netzkunde, Nautik, Motorenkunde, Biologie und Wipo – das sind einige der Fächer, die hier auf dem Lehrplan stehen. Auch Patrick Balschuweit hat sich für die Ausbildung entschieden: "Weil es der beste Job der Welt ist!" Der 19-Jährige stammt aus einer Fischerfamilie in Cuxhaven und macht deutlich: Ohne eine besondere Motivation geht es nicht. Zum Beispiel angesichts der wachsenden Dokumentationspflicht, die Patrick Balschuweit alles andere als romantisch findet. Anderseits "so auf See, wenn man nichts zu tun hat, dann fühlt man sich schon frei. Weil du siehst halt jeden Tag was Besonderes. Zum Beispiel einen Sonnenuntergang. Wenn man halt auf See ist, merkt man erst wie verschieden die Sonnenuntergänge sind."
Keine starke Lobby
Er fühlt sich und seinen Beruf wertgeschätzt. Sein Mitschüler Christoph Asmussen sieht das ganz anders. Er findet: Die Landwirte hätte eine starke Lobby und das Ohr der Politik. Anders die Fischer. "Meine Meinung ist: Wenn man das mehr unterstützen würde, dann würden sich auch viel, viel mehr für den Beruf interessieren. Beziehungsweise würden überhaupt mal wissen, dass es noch andere bessere Berufe gibt als Bauern."
Autor: "Was heißt denn das Unterstützung, also was konkret würdest du dir da wünschen?"
"Weiß nicht, mehr Förderung und so, mehr Lehrkräfte und alles."
Von einem "Nachwuchsproblem" will der Deutsche Fischereiverband nicht sprechen. Doch Zahlen der Bundesarbeitsagentur zeigen: In den letzten Jahren kam unter den in Nürnberg gemeldeten Ausbildungsplätzen als Küstenfischer gerade mal ein Bewerber auf zwei Plätze. Und die Daten bestätigen auch den Eindruck, der sich beim Besuch in Rendsburg aufdrängt: Frauen sind in diesem Gewerbe weiterhin die absolute Ausnahme!
"Ich sag' mal: Gefischt werden wird irgendwo immer!", sagt Rüdiger Bornholdt, der früher selber lange Fischer war. Seit 20 Jahren ist er Fischerei- und Ausbildungsberater bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Der 62-Jährige konnte seitdem beobachten, dass seine Branche immer stärker von der Wissenschaft aber auch Umweltschützern beobachtet wird. Das sei richtig so, meint Bornholdt und sagt trotz allem: "Ich denke mal, dass der Beruf des Fischers eine Zukunft hat. Auf alle Fälle!"