Eva Mozes Kor: "Die Macht des Vergebens"
Benevento Verlag, 236 Seiten
24 Euro, als E-Book: 18,99 Euro
"Ich halte ihn für eine wichtigtuerische Person"
Eva Mozes Kor wirbt dafür, seinen Feinden zu vergeben. Die Auschwitz-Überlebende hat deswegen sogar dem in Lüneburg verurteilten SS-Angehörigen Oskar Gröning die Hand gegeben. Der neue Präsident ihrer Wahlheimat USA, Donald Trump, macht ihr aber Sorgen.
Man könnte annehmen, dass Donald Trump gar nicht nach dem Geschmack von Eva Mozes Kor ist. Immerhin hat er in einem Buch geschrieben:
"Mein Motto lautet: Übe stets Vergeltung. Wenn dich einer über den Tisch zieht, mach ihn fertig."
Und tatsächlich gefällt eine solche Einstellung der alten Dame, die gelernt hat selbst ihren ärgsten Feinden zu vergeben, aufs erste gar nicht:
"Rache nehmen hat aus meiner Sicht des Vergebens noch niemandem geholfen. Da gibt es Unterschiede zwischen dem, worüber er spricht und worüber ich spreche. Wenn jemand mich töten oder sich meiner bemächtigen will, und ich habe keine Wahl, muss ich diejenige sein, die den ersten Schritt tut und muss mein eigenes Leben und meine Würde bewahren."
In einem solchen Moment, Eva Mozes Kor spricht vom "Schlachtfeld des Lebens", habe Vergebung keinen Platz. In allen anderen Fällen lehnt sie Gewalt, auch in Worten, ab. Wenngleich sie sich abwartend positiv gegenüber dem neuen amerikanischen Präsidenten zeigt:
"Ich hoffe, dass er lernt, nicht so viele große oder bedrohliche Worte zu verwenden, weil alles, was er sagt, von der Position, die er innehat, vergrößert wird. Und ich bin mir nicht sicher, ob er das versteht oder sich dessen bewusst ist. Denn das ist ein sehr großes Megafon, und was immer er sagt, geht in die Welt hinaus. Und deshalb muss er ein klein wenig vorsichtiger sein. Ich halte ihn für eine wichtigtuerische Person, die viel Draufgängertum hat. Und ich bin nicht sicher, dass ich von allem, was er sagt, annehmen werde, dass es wirklich eintreffen wird."
Wird sich Trumps Stil negativ auf jüdische Mitbürger auswirken?
Im ersten Jahr seiner Amtszeit werde man sehen, was Trump tatsächlich umsetze, sagt Eva Mozes Kor. In Terre Haute, im Bundesstaat Indiana, wo die 1934 in Rumänien geborene Jüdin heute mit ihrer Familie lebt, leitet sie das von ihr gegründete Holocaust Museum and Education Center. Weder für diese Einrichtung noch für die in den USA lebenden Juden fürchtet sich die Auschwitz-Überlebende aber wegen der Präsidentschaft von Donald Trump:
"Ich sehe keinerlei Probleme für Juden. Es gibt etwas sehr Wichtiges, das ich hinzufügen muss: So lange es ein Israel gibt, kann man zusammenpacken und nach Israel gehen. Als die Nazis an die Macht kamen, gab es für Juden keinen Ort, wohin sie hätten gehen können. Das ist der große Unterschied für mich und für meine Kinder."
Andere jüdische Vereinigungen in den USA sehen der Präsidentschaft Trumps weniger gelassen entgegen. Der Vorsitzende des Amerikanischen Jüdischen Kongresses, Jack Rosen, äußerte etwa gegenüber der Deutschen Welle seine Besorgnis über so manche Äußerung Trumps. Allzu viele nationalistische Bewegungen von Weißen und antisemitische Gruppen würden sich aufgrund seiner Worte berechtigt fühlen, an die Öffentlichkeit zu gehen und sich dort bemerkbar zu machen. Auch wenn die Lage in den USA derzeit nicht die Beste sei, bleibt Eva Mozes Kor hingegen zuversichtlich:
"Es ist schwierig, aber auch sehr unkalkulierbar. Wir wissen wirklich nicht sehr viel über Herrn Donald Trump. Er hat nie ein öffentliches Amt ausgeübt. Ich persönlich habe immer die Hoffnung, dass, wer auch gewählt wird, das Richtige tun wird. Sie haben die Möglichkeit das Richtige zu tun, aber manchmal tun sie es nicht. Oder sie meinen das Richtige zu tun, aber es wird nichts daraus. Ich bin persönlich unabhängig, aber ich interessiere mich dafür, was geschieht."
Von Trumps Vorgänger Barack Obama hingegen war Eva Mozes Kor enttäuscht.
"Ich war sehr begeistert, als Obama gewählt wurde. Und ich war sehr stolz auf die Amerikaner, dass sie keine Vorurteile hatten und einen schwarzen Präsidenten wählten. Leider entwickelte er sich nicht als so stark und gut, wie ich gehofft hatte. Ich hoffte, er würde mehr Arbeitsplätze schaffen. Und ich sage das, weil Wirtschaft der Weg ist, wie sich die Menschen verhalten. Sie ist die wichtigste Angelegenheit in jedem Land. Der Grund, warum Hitler Erfolg hatte, um an die Macht zu kommen, waren die große Depression und die Situation voll Druck, in der Deutschland lebte, bevor Hitler an die Macht kam, und niemand schien fähig sich auszudenken, was zu tun wäre. Den Vereinigten Staaten geht es nicht so schlecht wie Deutschland damals. Aber anstatt Arbeitsplätze zu schaffen, gibt es heute, ich glaube, wenn ich korrekt bin, 60 Millionen Menschen mehr, die aufgegeben haben, sich nach einer Arbeit umzusehen, und Sozialhilfe erhalten. Das heißt, wir unterstützen die Opferrolle."
"Ich habe die Verfügungsgewalt über mein Leben"
Genau das ist es aber, was Eva Mozes Kor gelernt hat zu überwinden. Jahrzehntelang hatte sie als Auschwitz-Überlebende in der Opferrolle verharrt. Bis sie erkennt hatte, dass sie sich durch das Vergeben aus dieser schädlichen Opferrolle befreien konnte. In ihrem Buch schreibt sie:
"Ich hatte genauso gehandelt, wie es Opfer zu tun pflegen. Sie fühlen nicht, dass sie Kontrolle über ihr Leben haben. Also reagieren sie immer nur auf das, was andere Menschen sagen und tun. Jetzt wurde mir plötzlich klar: Ich habe die Verfügungsgewalt über mein Leben."
Aus dieser Erfahrung ihrer eigenen Geschichte verlangt deshalb Eva Mozes Kor, dass den Menschen statt Sozialhilfe Hilfe zur Selbsthilfe geboten wird:
"Worauf jedes Opfer stolz sein kann, ist, dass es aus seiner Armut auftauchen und etwas aus seinem Leben machen kann. Denn zusätzlich zu den wenigen Arbeitsplätzen gibt es eine Armut des Geistes. Wenn du nicht glaubst etwas machen zu können, wirst du es auch nicht tun. Selbst in Auschwitz hatte ich Hoffnung, dass ich irgendwie da herauskäme."
Anlässlich eines Vortrags in Montana sei sie kürzlich in ein Indianerreservat gekommen, erzählt die alte Dame. Eine Situation aus Depression, Drogen und Alkohol habe sie dort wahrgenommen.
"Sie haben aufgegeben, etwas zu tun. Ich bin überzeugt, dass sie es besser könnten. Aber jemand muss es ihnen sagen. Und die Regierung soll ihnen nicht Sozialhilfe geben."