Ausdruck von Lernverweigerung?
Der Historiker Heinrich August Winkler hält die Äußerungen von Linken-Chefin Gesine Lötzsch für problematisch: "Ein Versuch, aus der Geschichte zu lernen, ist das nicht, oder wenn es ein solcher Versuch sein sollte, dann müsste man ihn als gescheitert ansehen".
Dieter Kassel: Gesine Lötzsch, eine der beiden Vorsitzenden der Partei Die Linke, hat mit einer Rede, die Sie am kommenden Samstag auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin halten will, für Kontroversen gesorgt – bei Freund wie Feind, kann man fast sagen. Winfried Sträter erklärt, warum.
Beitrag von Winfried Sträter
Winfried Sträter über die Rede, die die Vorsitzende der Partei Die Linke, Gesine Lötzsch, am Samstag auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz halten will, eine Konferenz, die übrigens von der "Jungen Welt", der Tageszeitung, in der diese Rede vorab jetzt auch veröffentlicht wurde, veranstaltet wird. Ich habe mich kurz vor Beginn dieser Sendung mit dem Historiker Heinrich August Winkler über dieses Phänomen Rosa-Luxemburg-Verehrung unterhalten, über die Frage, warum die Luxemburg immer noch für so viele liberale Linke und andere ein Vorbild ist. Wir haben unser Gespräch begonnen mit dem ohne Zweifel berühmtesten Zitat von Rosa Luxemburg, mit diesem Satz: "Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." Ich habe Heinrich August Winkler gefragt, woher denn dieses Zitat überhaupt kommt und ob es in der Tat so umfassend gemeint ist, wie es klingt.
Heinrich August Winkler: Es ist ein Wort in einer Broschüre, die erst posthum erschienen ist, also nicht zu ihren Lebzeiten, in einer Broschüre, in der sie sich kritisch mit Lenin auseinandersetzt, und dieses Wort von der Freiheit der Andersdenkenden bezieht sich auf den sozialistischen Pluralismus, auf die Meinungsvielfalt des revolutionären Lagers. Nicht gemeint ist damit Freiheit für Gegner der Revolution, der – von ihr, von Rosa Luxemburg sogenannten – Halunken in der Mehrheitssozialdemokratie. Nein, dies ist kein liberaler, kein demokratischer Pluralismus, der mit diesem Wort angestrebt wird, es ist ein Plädoyer gegen die Diktatur einer Parteiführung oder auch einer selbsternannten Avantgarde, aber mehr als das ist es nicht. Und insofern wird dieses wunderbare Wort, das jedenfalls so eingängig klingt, meistens falsch interpretiert.
Kassel: Ich möchte kurz an dieser Stelle Gesine Lötzsch selber zitieren aus dieser Rede, zumindest aus dem Teil, der vorab veröffentlicht wurde. Sie sagt da Folgendes, Zitat: "Rosa Luxemburg hat zwei Ziele miteinander zu vereinen versucht: das Ziel der Herstellung der gemeinsamen Kontrolle der Arbeiter über die gemeinsamen Bedingungen der Produktion des gesellschaftlichen Reichtums, und zweitens das Ziel größtmöglicher Freiheit, Öffentlichkeit und Demokratie." Angesichts dessen, was Sie gerade schon über das berühmte Luxemburg-Zitat gesagt haben – ist das so korrekt, wie Frau Lötzsch das analysiert?
Winkler: Nein. Wenn man den Text von Frau Lötzsch liest, dann stellt man fest: Da wirken alle Behauptungen der kommunistischen Partei Deutschlands über die verratene Revolution nach Behauptungen, die ja auch von der SED kultiviert worden sind, und die eben offenkundig auch in der PDS und in der heutigen Linken ihre Anhänger haben. Es ist da ausdrücklich von der verratenen Revolution die Rede, also davon, dass die Sozialdemokraten durch die Zusammenarbeit mit bürgerlichen Kräften und auch mit dem Militär die Revolution verraten hätten. In Wahrheit ist es ja so, dass die Sozialdemokraten 1918 wussten, dass nur durch eine Zusammenarbeit mit gemäßigten bürgerlichen Kräften überhaupt eine Demokratie entstehen kann, eine parlamentarische Demokratie. Denn es gab keine Mehrheit für die sozialistischen Kräfte in Deutschland. Es ging darum, das parlamentarische Regierungssystem, die verantwortliche Regierung einzuführen. Es ging um mehr Demokratie, und nicht um die Errichtung einer Erziehungsdiktatur, einer Diktatur des Proletariats. Wer das forderte, der forderte den Bürgerkrieg, und Rosa Luxemburg bekannte sich zum Bürgerkrieg. Sie hat am 20. November 1918 in der "Roten Fahne", der Zeitung des Spartakusbundes, der späteren KPD, geschrieben: "Bürgerkrieg ist nur ein anderer Name für Klassenkampf, und der Gedanke, den Sozialismus ohne Klassenkampf durch parlamentarischen Mehrheitsbeschluss einführen zu können, ist eine lächerliche, kleinbürgerliche Illusion." Also da wird sehr, sehr deutlich, dass dieses revolutionäre Verständnis von Klassenkampf, Bürgerkrieg und Sozialismus nichts mit dem zu tun hat, wofür die Sozialdemokratie, eine Partei mit demokratischer Tradition, stand.
Kassel: Aber hat sich Rosa Luxemburg im Laufe der Jahrzehnte, die sie sich ja für linke Ideen, für den Kommunismus eingesetzt hat, da nicht gelegentlich selbst widersprochen? Sie haben sie gerade zitiert mit dieser bürgerlichen Illusion, dass man durch Wahlen den Kommunismus einführen kann, an anderer Stelle hat sie aber auch mal gesagt, dass man den Kommunismus aber auch nicht gegen die eigene Bevölkerung einführen könne und solle.
Winkler: Das ist völlig richtig. Der Widerspruch, den ich auch sehe, der löst sich aus ihrer Sicht dadurch auf, dass sie von der Mehrheit der Arbeiterklasse spricht und in diesen Kategorien denkt. Also eine Revolution kann erst dann gewagt werden, wenn die revolutionären Kräfte innerhalb der Arbeiterschaft die Mehrheit haben.
Kassel: Würden Sie sie denn heute eher als das einordnen, was man im modernen Sprachgebrauch eine Realpolitikerin nennt, oder doch aufgrund ihrer auch aufbrausenden Persönlichkeit eher genau das Gegenteil?
Winkler: Sie war keine Realpolitikerin, auch wenn sie den Begriff benutzt hat. Sie war allenfalls realistischer als Lenin, wenn sie davon ausging, dass eine Parteidiktatur oder die Diktatur einer Parteiavantgarde in einem Land wie Deutschland völlig unrealistisch sei, in einem Land, in dem es eben doch die Tradition einer breiten Massenteilhabe über das allgemeine Wahlrecht und die Gewerkschaften und die Arbeiterbewegung gab. Aber so ganz hat sie sich nie von den Prägungen lösen können, die mit ihrer Herkunft aus dem Zarenreich verbunden sind. Da konnte nur eine revolutionäre Arbeiterbewegung, eine Untergrundbewegung sich entwickeln. In Deutschland war das anders, die Sozialdemokratie hatte die Möglichkeit, durch Zusammenarbeit mit gemäßigten bürgerlichen Kräften ein neues, ein demokratisches Deutschland zu schaffen. Diese Einsicht, dass ohne Zusammenarbeit zwischen gemäßigten bürgerlichen Kräften und gemäßigten Kräften der Arbeiterbewegung eine Demokratie in Deutschland unmöglich war, die fehlte den Kritikern auf der linken völlig, und ich muss nach den Texten von Frau Lötzsch annehmen, dass auch bei ihr diese Einsicht noch nicht zum Zuge gekommen ist.
Kassel: Damit sind wir aber bei der interessanten Frage dieser Faszination, die die Luxemburg, wie ich sie jetzt mal ganz bewusst nenne, auf Linke immer noch ausübt. Da ist ja nicht nur Frau Lötzsch, da sind viele andere, gerade auch die gemäßigten und liberalen Linken führen ja Rosa Luxemburg immer wieder an. Und wenn man das zum Beispiel mal vergleicht mit der Rezeption von Karl Liebknecht in genau den gleichen Kreisen, der wird eher ja nicht als Lichtgestalt gehandelt, zumindest nicht annähernd in dem Ausmaß – die Luxemburg schon. Wir können ja nicht allen Linken absolute Unwissenheit über ihr wahres Leben und ihre wahren Äußerungen unterstellen. Was kann also der Grund sein für diese Faszination?
Winkler: Es ist die unstillbare Sehnsucht nach der Utopie, nach dem neuen Menschen, und diese Sehnsucht hat in der Geschichte immer wieder zu totalitären Regimen geführt. Der Anspruch auf den ganzen Menschen und der Wunsch, den neuen Menschen hervorzubringen, der ist immer wieder – ob von links oder rechts – ein Wegbereiter von Diktaturen gewesen, denn wer so sicher ist, dass er die richtige Lösung kennt und auf unterschiedlichen Wegen an ein utopisches Ziel kommen will, der macht Menschen zu Versuchskaninchen, der macht aus einer Gesellschaft ein reines Laboratorium. Und wenn ich den Text von Frau Lötzsch richtig verstehe und dann den Satz lese "Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung", dann kann ich nur folgern, dass auch hier dieser Laboratoriumsgedanke noch lebendig ist, auf dem Wege zur kommunistischen Utopie Experimente zu wagen, die möglicherweise außerordentlich kostspielig sein können, und in der Vergangenheit jedenfalls ungeheuer katastrophal gewirkt haben. Ein Versuch, aus der Geschichte zu lernen, ist das nicht, oder wenn es ein solcher Versuch sein sollte, dann müsste man ihn als gescheitert ansehen, ja, geradezu einen Ausdruck von Lernverweigerung in diesen Aussagen sehen.
Kassel: Der Historiker Heinrich August Winkler, das Gespräch mit ihm habe ich kurz vor der Sendung geführt, Anlass waren die Äußerungen der Die-Linke-Politikerin Gesine Lötzsch in einer für Samstag geplanten Rede auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin.
Beitrag von Winfried Sträter
Winfried Sträter über die Rede, die die Vorsitzende der Partei Die Linke, Gesine Lötzsch, am Samstag auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz halten will, eine Konferenz, die übrigens von der "Jungen Welt", der Tageszeitung, in der diese Rede vorab jetzt auch veröffentlicht wurde, veranstaltet wird. Ich habe mich kurz vor Beginn dieser Sendung mit dem Historiker Heinrich August Winkler über dieses Phänomen Rosa-Luxemburg-Verehrung unterhalten, über die Frage, warum die Luxemburg immer noch für so viele liberale Linke und andere ein Vorbild ist. Wir haben unser Gespräch begonnen mit dem ohne Zweifel berühmtesten Zitat von Rosa Luxemburg, mit diesem Satz: "Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." Ich habe Heinrich August Winkler gefragt, woher denn dieses Zitat überhaupt kommt und ob es in der Tat so umfassend gemeint ist, wie es klingt.
Heinrich August Winkler: Es ist ein Wort in einer Broschüre, die erst posthum erschienen ist, also nicht zu ihren Lebzeiten, in einer Broschüre, in der sie sich kritisch mit Lenin auseinandersetzt, und dieses Wort von der Freiheit der Andersdenkenden bezieht sich auf den sozialistischen Pluralismus, auf die Meinungsvielfalt des revolutionären Lagers. Nicht gemeint ist damit Freiheit für Gegner der Revolution, der – von ihr, von Rosa Luxemburg sogenannten – Halunken in der Mehrheitssozialdemokratie. Nein, dies ist kein liberaler, kein demokratischer Pluralismus, der mit diesem Wort angestrebt wird, es ist ein Plädoyer gegen die Diktatur einer Parteiführung oder auch einer selbsternannten Avantgarde, aber mehr als das ist es nicht. Und insofern wird dieses wunderbare Wort, das jedenfalls so eingängig klingt, meistens falsch interpretiert.
Kassel: Ich möchte kurz an dieser Stelle Gesine Lötzsch selber zitieren aus dieser Rede, zumindest aus dem Teil, der vorab veröffentlicht wurde. Sie sagt da Folgendes, Zitat: "Rosa Luxemburg hat zwei Ziele miteinander zu vereinen versucht: das Ziel der Herstellung der gemeinsamen Kontrolle der Arbeiter über die gemeinsamen Bedingungen der Produktion des gesellschaftlichen Reichtums, und zweitens das Ziel größtmöglicher Freiheit, Öffentlichkeit und Demokratie." Angesichts dessen, was Sie gerade schon über das berühmte Luxemburg-Zitat gesagt haben – ist das so korrekt, wie Frau Lötzsch das analysiert?
Winkler: Nein. Wenn man den Text von Frau Lötzsch liest, dann stellt man fest: Da wirken alle Behauptungen der kommunistischen Partei Deutschlands über die verratene Revolution nach Behauptungen, die ja auch von der SED kultiviert worden sind, und die eben offenkundig auch in der PDS und in der heutigen Linken ihre Anhänger haben. Es ist da ausdrücklich von der verratenen Revolution die Rede, also davon, dass die Sozialdemokraten durch die Zusammenarbeit mit bürgerlichen Kräften und auch mit dem Militär die Revolution verraten hätten. In Wahrheit ist es ja so, dass die Sozialdemokraten 1918 wussten, dass nur durch eine Zusammenarbeit mit gemäßigten bürgerlichen Kräften überhaupt eine Demokratie entstehen kann, eine parlamentarische Demokratie. Denn es gab keine Mehrheit für die sozialistischen Kräfte in Deutschland. Es ging darum, das parlamentarische Regierungssystem, die verantwortliche Regierung einzuführen. Es ging um mehr Demokratie, und nicht um die Errichtung einer Erziehungsdiktatur, einer Diktatur des Proletariats. Wer das forderte, der forderte den Bürgerkrieg, und Rosa Luxemburg bekannte sich zum Bürgerkrieg. Sie hat am 20. November 1918 in der "Roten Fahne", der Zeitung des Spartakusbundes, der späteren KPD, geschrieben: "Bürgerkrieg ist nur ein anderer Name für Klassenkampf, und der Gedanke, den Sozialismus ohne Klassenkampf durch parlamentarischen Mehrheitsbeschluss einführen zu können, ist eine lächerliche, kleinbürgerliche Illusion." Also da wird sehr, sehr deutlich, dass dieses revolutionäre Verständnis von Klassenkampf, Bürgerkrieg und Sozialismus nichts mit dem zu tun hat, wofür die Sozialdemokratie, eine Partei mit demokratischer Tradition, stand.
Kassel: Aber hat sich Rosa Luxemburg im Laufe der Jahrzehnte, die sie sich ja für linke Ideen, für den Kommunismus eingesetzt hat, da nicht gelegentlich selbst widersprochen? Sie haben sie gerade zitiert mit dieser bürgerlichen Illusion, dass man durch Wahlen den Kommunismus einführen kann, an anderer Stelle hat sie aber auch mal gesagt, dass man den Kommunismus aber auch nicht gegen die eigene Bevölkerung einführen könne und solle.
Winkler: Das ist völlig richtig. Der Widerspruch, den ich auch sehe, der löst sich aus ihrer Sicht dadurch auf, dass sie von der Mehrheit der Arbeiterklasse spricht und in diesen Kategorien denkt. Also eine Revolution kann erst dann gewagt werden, wenn die revolutionären Kräfte innerhalb der Arbeiterschaft die Mehrheit haben.
Kassel: Würden Sie sie denn heute eher als das einordnen, was man im modernen Sprachgebrauch eine Realpolitikerin nennt, oder doch aufgrund ihrer auch aufbrausenden Persönlichkeit eher genau das Gegenteil?
Winkler: Sie war keine Realpolitikerin, auch wenn sie den Begriff benutzt hat. Sie war allenfalls realistischer als Lenin, wenn sie davon ausging, dass eine Parteidiktatur oder die Diktatur einer Parteiavantgarde in einem Land wie Deutschland völlig unrealistisch sei, in einem Land, in dem es eben doch die Tradition einer breiten Massenteilhabe über das allgemeine Wahlrecht und die Gewerkschaften und die Arbeiterbewegung gab. Aber so ganz hat sie sich nie von den Prägungen lösen können, die mit ihrer Herkunft aus dem Zarenreich verbunden sind. Da konnte nur eine revolutionäre Arbeiterbewegung, eine Untergrundbewegung sich entwickeln. In Deutschland war das anders, die Sozialdemokratie hatte die Möglichkeit, durch Zusammenarbeit mit gemäßigten bürgerlichen Kräften ein neues, ein demokratisches Deutschland zu schaffen. Diese Einsicht, dass ohne Zusammenarbeit zwischen gemäßigten bürgerlichen Kräften und gemäßigten Kräften der Arbeiterbewegung eine Demokratie in Deutschland unmöglich war, die fehlte den Kritikern auf der linken völlig, und ich muss nach den Texten von Frau Lötzsch annehmen, dass auch bei ihr diese Einsicht noch nicht zum Zuge gekommen ist.
Kassel: Damit sind wir aber bei der interessanten Frage dieser Faszination, die die Luxemburg, wie ich sie jetzt mal ganz bewusst nenne, auf Linke immer noch ausübt. Da ist ja nicht nur Frau Lötzsch, da sind viele andere, gerade auch die gemäßigten und liberalen Linken führen ja Rosa Luxemburg immer wieder an. Und wenn man das zum Beispiel mal vergleicht mit der Rezeption von Karl Liebknecht in genau den gleichen Kreisen, der wird eher ja nicht als Lichtgestalt gehandelt, zumindest nicht annähernd in dem Ausmaß – die Luxemburg schon. Wir können ja nicht allen Linken absolute Unwissenheit über ihr wahres Leben und ihre wahren Äußerungen unterstellen. Was kann also der Grund sein für diese Faszination?
Winkler: Es ist die unstillbare Sehnsucht nach der Utopie, nach dem neuen Menschen, und diese Sehnsucht hat in der Geschichte immer wieder zu totalitären Regimen geführt. Der Anspruch auf den ganzen Menschen und der Wunsch, den neuen Menschen hervorzubringen, der ist immer wieder – ob von links oder rechts – ein Wegbereiter von Diktaturen gewesen, denn wer so sicher ist, dass er die richtige Lösung kennt und auf unterschiedlichen Wegen an ein utopisches Ziel kommen will, der macht Menschen zu Versuchskaninchen, der macht aus einer Gesellschaft ein reines Laboratorium. Und wenn ich den Text von Frau Lötzsch richtig verstehe und dann den Satz lese "Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung", dann kann ich nur folgern, dass auch hier dieser Laboratoriumsgedanke noch lebendig ist, auf dem Wege zur kommunistischen Utopie Experimente zu wagen, die möglicherweise außerordentlich kostspielig sein können, und in der Vergangenheit jedenfalls ungeheuer katastrophal gewirkt haben. Ein Versuch, aus der Geschichte zu lernen, ist das nicht, oder wenn es ein solcher Versuch sein sollte, dann müsste man ihn als gescheitert ansehen, ja, geradezu einen Ausdruck von Lernverweigerung in diesen Aussagen sehen.
Kassel: Der Historiker Heinrich August Winkler, das Gespräch mit ihm habe ich kurz vor der Sendung geführt, Anlass waren die Äußerungen der Die-Linke-Politikerin Gesine Lötzsch in einer für Samstag geplanten Rede auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin.