Auseinandersetzung mit dem Absurden
Schon als Student hatte der Schriftsteller Albert Camus in Algier ein Theater gegründet: Er blieb dieser Leidenschaft auch als Dramatiker treu. Im November jährt sich der 100. Geburtstag des Nobelpreisträgers von 1957 und aus diesem Anlass erscheinen jetzt seine sämtlichen Dramen.
Albert Camus' Romane "Der Fremde" oder "Die Pest" sowie sein Essay "Der Mythos des Sisyphos" sind vermutlich populärer als seine Theaterstücke, doch erfuhren diese in den letzten zehn Jahren mehr als siebzig verschiedene deutschsprachige Inszenierungen. Nun, zum einhundertsten Geburtstag des Nobelpreisträgers von 1957, liegen seine sämtlichen Dramen zum ersten Mal in deutscher Übersetzung vor.
Diese Stücke, die sich hervorragend zur Lektüre eignen, stehen ganz in der Tradition der Aufklärung, die dieses Medium nutzte, um ihre Ideen zu verbreiten, genau, wie es die Existenzialisten vor allem in und nach dem Zweiten Weltkrieg praktizierten. Trotzdem sind diese Bühnenwerke weder veraltet noch etwa reine Volksbelehrung. Zwar greift die Diskussion in "Die Gerechten", ob der Tyrannenmord auch unschuldige Opfer rechtfertige, einen Dissens zwischen Sartre und Camus auf, doch bleibt die Debatte auch heute aktuell, selbst wenn wir die konkrete Anspielung auf zeitgenössische Dispute nicht erkennen.
Stärker auf den historischen Kontext bezieht sich das erst 2006 posthum veröffentlichte Impromptu der Philosophen, in dem ein "Handelsreisender in neuen Lehren" einen Familienvater kurzerhand von seiner Philosophie überzeugt, sodass dieser meint, der Anwärter auf die Hand seiner Tochter solle seine Liebe statt in einem Heiratsantrag erst einmal damit beweisen, dass er sie unehelich schwängert. Es ist eine echte Trouvaille, die Camus unter Synonym geschrieben hatte und die nun zum ersten Mal auf Deutsch in der exzellenten Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel vorliegt.
Den Namen des Handlungsreisenden, Monsieur Néant, hat er geflissentlich im Original stehen lassen, denn er verweist auf niemand Geringeren als den Autor von "L'Être et le néant" ("Das Sein und das Nichts"), Jean-Paul Sartre. So amüsant die kleine Posse auch ist, sie bleibt letztlich doch zu stark in der spezifischen Polemik zwischen beiden Denkern befangen.
Seine ganz persönliche Auseinandersetzung mit dem Absurden setzt Camus in "Caligula" in Szene. Zwar endet auch dieses Stück mit dem Mord des Tyrannen, im Mittelpunkt stehen aber die Beweggründe von dessen Handeln. Caligula will den Mond, will ihn - oder genauer: Sie, denn es ist Luna, die er begehrt - buchstäblich. Er verlangt vor allem das "Unmögliche", denn "diese Welt ist so, wie sie gemacht ist, nicht zu ertragen". Und er demonstriert, dass die absolute Freiheit des Einzelnen zwangläufig zur Unterdrückung führt.
Dies mag plakativ erscheinen, wird aber durch szenische Einfälle - Caligula als groteske Venus, im Ballettröckchen oder beim Lackieren der Fußnägel - aufgelockert. Doch bewegend ist dieses Stück wie die anderen Stücke noch heute nicht allein durch die zeitlosen Fragen, die diese aufwerfen, sondern vor allem durch die Spannungen zwischen den Figuren und oft auch in ihnen selbst: so hasst eine der Figuren, Cherea, Caligula ob seiner Grausamkeit, spürt aber gleichzeitig, wie ein Teil dieser Suche nach dem Unmöglichen eben auch in ihm steckt - wie vielleicht in vielen von uns?
Besprochen von Carolin Fischer
Diese Stücke, die sich hervorragend zur Lektüre eignen, stehen ganz in der Tradition der Aufklärung, die dieses Medium nutzte, um ihre Ideen zu verbreiten, genau, wie es die Existenzialisten vor allem in und nach dem Zweiten Weltkrieg praktizierten. Trotzdem sind diese Bühnenwerke weder veraltet noch etwa reine Volksbelehrung. Zwar greift die Diskussion in "Die Gerechten", ob der Tyrannenmord auch unschuldige Opfer rechtfertige, einen Dissens zwischen Sartre und Camus auf, doch bleibt die Debatte auch heute aktuell, selbst wenn wir die konkrete Anspielung auf zeitgenössische Dispute nicht erkennen.
Stärker auf den historischen Kontext bezieht sich das erst 2006 posthum veröffentlichte Impromptu der Philosophen, in dem ein "Handelsreisender in neuen Lehren" einen Familienvater kurzerhand von seiner Philosophie überzeugt, sodass dieser meint, der Anwärter auf die Hand seiner Tochter solle seine Liebe statt in einem Heiratsantrag erst einmal damit beweisen, dass er sie unehelich schwängert. Es ist eine echte Trouvaille, die Camus unter Synonym geschrieben hatte und die nun zum ersten Mal auf Deutsch in der exzellenten Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel vorliegt.
Den Namen des Handlungsreisenden, Monsieur Néant, hat er geflissentlich im Original stehen lassen, denn er verweist auf niemand Geringeren als den Autor von "L'Être et le néant" ("Das Sein und das Nichts"), Jean-Paul Sartre. So amüsant die kleine Posse auch ist, sie bleibt letztlich doch zu stark in der spezifischen Polemik zwischen beiden Denkern befangen.
Seine ganz persönliche Auseinandersetzung mit dem Absurden setzt Camus in "Caligula" in Szene. Zwar endet auch dieses Stück mit dem Mord des Tyrannen, im Mittelpunkt stehen aber die Beweggründe von dessen Handeln. Caligula will den Mond, will ihn - oder genauer: Sie, denn es ist Luna, die er begehrt - buchstäblich. Er verlangt vor allem das "Unmögliche", denn "diese Welt ist so, wie sie gemacht ist, nicht zu ertragen". Und er demonstriert, dass die absolute Freiheit des Einzelnen zwangläufig zur Unterdrückung führt.
Dies mag plakativ erscheinen, wird aber durch szenische Einfälle - Caligula als groteske Venus, im Ballettröckchen oder beim Lackieren der Fußnägel - aufgelockert. Doch bewegend ist dieses Stück wie die anderen Stücke noch heute nicht allein durch die zeitlosen Fragen, die diese aufwerfen, sondern vor allem durch die Spannungen zwischen den Figuren und oft auch in ihnen selbst: so hasst eine der Figuren, Cherea, Caligula ob seiner Grausamkeit, spürt aber gleichzeitig, wie ein Teil dieser Suche nach dem Unmöglichen eben auch in ihm steckt - wie vielleicht in vielen von uns?
Besprochen von Carolin Fischer
Albert Camus: Sämtliche Dramen
Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel und Uli Aumüller
Nachwort v. H. Schmidt- Henkel
Rowohlt Verlag, Reinbek 2013
592 Seiten, 26,95 Euro
Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel und Uli Aumüller
Nachwort v. H. Schmidt- Henkel
Rowohlt Verlag, Reinbek 2013
592 Seiten, 26,95 Euro