Auseinandersetzung mit Gott
Eigentlich könnte es interessant sein. "Warum ich wieder bete" – ja, warum betet die erfolgreiche Journalistin Christine Eichel eigentlich wieder? Zu wem, wie, seit wann – und warum hatte sie vorher damit aufgehört? Ein Buch unter diesem Titel verspricht vielleicht nicht unbedingt brandneue Einsichten in das Wesen des Religiösen, aber einen interessanten Einblick in die Glaubensbiografie einer streitbaren und kritischen Frau.
Allein, Christine Eichel ist mehr an dem interessiert, was sie im zweiten Teil des Buchtitels das "Ende des Zynismus" nennt. Zynismus, Ironie, Zweifel und Beliebigkeit sind ihre Gegner. Eichel will sie entlarven als geradezu obszönen Luxus, der in gegenwärtigen Krisenzeiten endlich gekappt wird und dem der Glaube als Ruf zur Eigentlichkeit entgegensteht. Exemplarisch dafür sieht Eichel die eigene Biografie: Ihren lebensbejahenden Kinderglauben, entwickelt am Vorbild des ungebrochen positiven Pfarrervaters und seiner idealtypischen Pfarrfrau, habe sie an der Universität selber gegen das Gedankengeklingel eines geisteswissenschaftlichen Studiums in Zeiten der Spät-68er eingetauscht. Hedonistische Positionslosigkeit folgte, noch verstärkt durch die anschließende Arbeit fürs Fernsehen. Erst an persönlichen Krisen – vor allem dem umwälzenden Erlebnis, Mutter zu werden, später wird noch eine Ehekrise erwähnt – sei dieses Erfolgsmodell zerbrochen. In den Trümmern fand Christine Eichel das Gebet. Nicht nur das Stoßgebet in Verzweiflung, sondern auch das dankbare Lob des Schöpfers, in dem auch ein eigentlich banales Kirchenlied wie "Danke für diesen guten Morgen" zur Offenbarung werden kann (einer der sympathischsten Abschnitte des Buches). Seitdem setze sie ihren neu entdeckten Glauben gegen das hirnlose Lachen der Massengesellschaft, das für sie Ausdruck des Zynismus ist, aber genauso auch gegen offizielle Kirchenvertreter und Theologen, die sie als glaubensfern und anbiedernd empfindet.
Das könnte ein anregender – auch zur Kritik anregender – Debattenbeitrag sein. Doch um Debatte geht es Eichel nicht. Ganz im Gegenteil: Gerade die Bereitschaft, in kritischer Diskussion und in der Tradition der Aufklärung Argumente auszutauschen, ist für Christine Eichel die Wurzel alles geistigen Elends. "Wer betet, übt sich in Ehrlichkeit statt in Uneigentlichkeit." So formuliert sie es. Mit diesem Gegensatzpaar ist jede Diskussion im Keim erstickt und ein unhinterfragbares Urteil formuliert. Eichel gefällt sich als bekennender antiaufklärerischer Partyschreck – auch wenn sie von sich sagt, nicht geistfeindlich zu sein, scheint ihr Buch doch von der Überzeugung getrieben, mit dem Vernunftgebrauch im Sinne der Aufklärung, das heißt, mit dem Mut zum eigenen, nicht durch Autoritäten gestützten Urteil sei die Beliebigkeit und damit die Wurzel allen Übels in die Welt gekommen. Vom performativen Selbstwiderspruch dieser Argumentation einmal abgesehen, führt das zu unfreiwillig komischen Fragen: "Warum erproben Theologen ihren Verstand ausgerechnet am Glauben?"
"Warum ich wieder bete" ist kein Beitrag zur Diskussion. Als radikal individuelle Glaubensbiografie kann das Buch allerdings auch nicht überzeugen. Dafür bleiben die Ausführungen zu allgemein. Christine Eichel setzt sich pauschal mit einem studentisch-beliebigen "wir" auseinander, Teil dessen sie war. Über die Krise der Mutterschaft spricht sie im persönlichen "ich", das sie leider schnell wieder verlässt, um sich im Licht des neugefundenen Glaubens vom zynischen "man" der Gegenwart abzusetzen. Das ist geschrieben im Schema der Bekehrung des Saulus zum Paulus, oder, wie sie selbst sagt, analog zum Gleichnis des verlorenen Sohnes. Dabei findet allerdings keine Erwähnung, dass Eichel sich zum Beispiel mitnichten vom so beißend beschriebenen modernen Medienbetrieb abgesetzt hat, sondern dort als Autorin und Redakteurin ungebrochen weiter arbeitet, ins verstärkte Interesse der Öffentlichkeit gerückt sicher seit ihrer Zusammenarbeit mit Eva Herman.
Wie überhaupt, und das ist eigentlich die drängendste Anfrage an Christine Eichels Buch, nicht wirklich fassbar ist, was Glaube und Gebet denn nun inhaltlich bedeuten. Die Auseinandersetzung mit den scheinbaren Gegnern des Glaubens nimmt erheblich mehr Raum ein als die positive Füllung dessen, was Gebet für eine gebildete, erfolgreiche, selbstbewusste Frau heute sein könnte. Liebe, Dankbarkeit, Demut werden von ihr als neue Leitbegriffe behauptet – im Text spürbar sind sie nicht. Der widerspruchsfreie Charismatiker Jesus Christus, den die Autorin aus ihrer Bibellektüre an den Ablenkungsmanövern der Theologen vorbei gefunden hat, bleibt blass und allgemein. Stattdessen drängt sich ein gerade beim Thema Gebet und Reden mit Gott ärgerlich oberflächlicher Umgang mit Sprache in den Vordergrund. Von deutsch-englischen Manierismen wie dem "Gap zwischen Massenkultur und Individualbedürfnis" einmal abgesehen, kommt ausgerechnet die so hoch geschätzte Bibel schlecht weg. Nicht nur, dass Christine Eichels Ausgabe nur ein Buch Moses kennt statt deren fünf und aus dem Brief des Paulus an Titus ein "Buch Titus" macht: Ausgerechnet das sogenannte "Hohelied der Liebe", für Eichel "Herzstück einer Theologie, die diesen Namen verdiente", verlegt sie vom 1. Korintherbrief ins Matthäusevangelium. "Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle." Eben.
Besprochen von Kirsten Dietrich
Christine Eichel: Warum ich wieder bete. Das Ende des Zynismus
Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2009
189 Seiten, 17,95 Euro
Das könnte ein anregender – auch zur Kritik anregender – Debattenbeitrag sein. Doch um Debatte geht es Eichel nicht. Ganz im Gegenteil: Gerade die Bereitschaft, in kritischer Diskussion und in der Tradition der Aufklärung Argumente auszutauschen, ist für Christine Eichel die Wurzel alles geistigen Elends. "Wer betet, übt sich in Ehrlichkeit statt in Uneigentlichkeit." So formuliert sie es. Mit diesem Gegensatzpaar ist jede Diskussion im Keim erstickt und ein unhinterfragbares Urteil formuliert. Eichel gefällt sich als bekennender antiaufklärerischer Partyschreck – auch wenn sie von sich sagt, nicht geistfeindlich zu sein, scheint ihr Buch doch von der Überzeugung getrieben, mit dem Vernunftgebrauch im Sinne der Aufklärung, das heißt, mit dem Mut zum eigenen, nicht durch Autoritäten gestützten Urteil sei die Beliebigkeit und damit die Wurzel allen Übels in die Welt gekommen. Vom performativen Selbstwiderspruch dieser Argumentation einmal abgesehen, führt das zu unfreiwillig komischen Fragen: "Warum erproben Theologen ihren Verstand ausgerechnet am Glauben?"
"Warum ich wieder bete" ist kein Beitrag zur Diskussion. Als radikal individuelle Glaubensbiografie kann das Buch allerdings auch nicht überzeugen. Dafür bleiben die Ausführungen zu allgemein. Christine Eichel setzt sich pauschal mit einem studentisch-beliebigen "wir" auseinander, Teil dessen sie war. Über die Krise der Mutterschaft spricht sie im persönlichen "ich", das sie leider schnell wieder verlässt, um sich im Licht des neugefundenen Glaubens vom zynischen "man" der Gegenwart abzusetzen. Das ist geschrieben im Schema der Bekehrung des Saulus zum Paulus, oder, wie sie selbst sagt, analog zum Gleichnis des verlorenen Sohnes. Dabei findet allerdings keine Erwähnung, dass Eichel sich zum Beispiel mitnichten vom so beißend beschriebenen modernen Medienbetrieb abgesetzt hat, sondern dort als Autorin und Redakteurin ungebrochen weiter arbeitet, ins verstärkte Interesse der Öffentlichkeit gerückt sicher seit ihrer Zusammenarbeit mit Eva Herman.
Wie überhaupt, und das ist eigentlich die drängendste Anfrage an Christine Eichels Buch, nicht wirklich fassbar ist, was Glaube und Gebet denn nun inhaltlich bedeuten. Die Auseinandersetzung mit den scheinbaren Gegnern des Glaubens nimmt erheblich mehr Raum ein als die positive Füllung dessen, was Gebet für eine gebildete, erfolgreiche, selbstbewusste Frau heute sein könnte. Liebe, Dankbarkeit, Demut werden von ihr als neue Leitbegriffe behauptet – im Text spürbar sind sie nicht. Der widerspruchsfreie Charismatiker Jesus Christus, den die Autorin aus ihrer Bibellektüre an den Ablenkungsmanövern der Theologen vorbei gefunden hat, bleibt blass und allgemein. Stattdessen drängt sich ein gerade beim Thema Gebet und Reden mit Gott ärgerlich oberflächlicher Umgang mit Sprache in den Vordergrund. Von deutsch-englischen Manierismen wie dem "Gap zwischen Massenkultur und Individualbedürfnis" einmal abgesehen, kommt ausgerechnet die so hoch geschätzte Bibel schlecht weg. Nicht nur, dass Christine Eichels Ausgabe nur ein Buch Moses kennt statt deren fünf und aus dem Brief des Paulus an Titus ein "Buch Titus" macht: Ausgerechnet das sogenannte "Hohelied der Liebe", für Eichel "Herzstück einer Theologie, die diesen Namen verdiente", verlegt sie vom 1. Korintherbrief ins Matthäusevangelium. "Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle." Eben.
Besprochen von Kirsten Dietrich
Christine Eichel: Warum ich wieder bete. Das Ende des Zynismus
Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2009
189 Seiten, 17,95 Euro