Ausgangssperren nach Unruhen in USA

Die Welle der Gewalt könnte Trump in die Hände spielen

08:35 Minuten
Ein Arbeiter beseitigt die Schäden der nächtlichen Unruhen.
Nach den nächtlichen Unruhen wird vielerorts versucht, die Schäden zu beseitigen. © picture-alliance/newscom/Kevin Dietsch
Martin Thunert im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
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Der Zorn der Demonstranten in den USA richte sich gegen Donald Trump, sagt der Politologe Martin Thunert. Dem US-Präsidenten gehe es nur um seine Wiederwahl, deshalb ist die Sorge vor weiterer Eskalation groß.
Nächtliche Ausgangssperren in 40 US-Städten, darunter in New York und in der Hauptstadt Washington. Die Fernsehsender berichten in Dauerschleife und zeigen Bilder von immer neuen Gewalttaten, Plünderungen und brennenden Häusern.
Solche Unruhen hätten die USA seit den Zeiten des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King 1968 nicht mehr gesehen, sagt Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies. Der Politologe glaubt, dass der Ausbruch aus Zorn über den Umgang mit Schwarzen und anderen Minderheiten ohne das Zusammenfallen mit der Coronapandemie weniger heftig ausgefallen wäre.

Dilemma der Demokraten

Der Zorn richte sich gegen den US-Präsidenten Donald Trump, so Thunert. Die Plünderungen und Brandschatzungen könnten allerdings Trump auch in die Hände spielen, da sie überwiegend in Städten und Bundesstaaten passierten, die von Demokraten kontrolliert würden. Die örtlichen Bürgermeister und Polizeipräsidenten hätten jetzt das Problem, dass sie, wenn sie zu hart durchgreifen, die demokratische Wählerschaft verschrecken könnten oder aber, wenn sie zu wenig tun, die weißen Bewohner der Vorstädte verlieren, die "Recht und Gesetz" wollten.
Thunert spricht von einem "Dilemma", mit dem Trump die demokratischen Bürgermeister und Gouverneure unter Druck setze. "Ihm geht alles um seine Wiederwahl", betont der Politologe. Trump sehe nicht nur eine Chance, von den Folgen des Coronavirus abzulenken, sondern wolle sich auch als "Law and Order Präsident" präsentieren. Die US-Amerikaner müssten sich zwischen ihm und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden entscheiden, der ein "Versöhner-Chief" sein wolle. "Das wird bei diesem Thema die Wahl sein."

Sorge vor weiterer Eskalation

Größer als die Gefahr eines Bürgerkrieges in den USA sei jetzt, dass die Nationalgarde oder Teile des Militärs eingriffen, sagt Thunert. "Das kann dann kaum ohne Opfer abgehen und davor hätte ich jetzt kurzfristig mehr Angst, als dass bewaffnete Bürger aneinander geraten."
Allerdings sei mittelfristig auch ein Bürgerkrieg nicht ganz auszuschließen. Sollte die Lage bis zu den Präsidentschaftswahlen im November weiter eskalieren oder Trump verlieren, dann könne man auch schlimmere Szenarien erwarten.
Es gebe nur wenige Zeichen für Versöhnung. So hätten sich beispielsweise in kleineren US-Städten Polizisten von der Tat ihrer Kollegen in Minneapolis distanziert und sich friedlichen Demonstrationen gegen die Ermordung von George Floyd angeschlossen.
(gem)
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