Hören Sie hier den Bericht unseres Landeskorrespondenten Christoph Richter:
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Der Demokratie hilft nur mehr Selbstvertrauen
Weil man nicht zum Austragungsort politischer Agitation werden wolle, hat das Bauhaus Dessau das dort geplante Konzert von Feine Sahne Fischfilet abgesagt. Die Absage sei auch eine unlautere Einmischung der Politik, kommentiert der Journalist Carsten Probst.
Vor zwei Wochen, in den frühen Morgenstunden des 3. Oktobers, rückten in Kassel die Bagger an, um einen Obelisken vom Königsplatz zu entfernen, den der Künstler Olu Oguibe anlässlich der letzten documenta aufgestellt hatte und dessen Botschaft, ein Zitat aus dem Neuen Testament, als Mahnung an die christlichen Werte in der Flüchtlingsdebatte verstanden werden konnte.
Dieser Fall kommt einem unweigerlich in den Sinn, da nun das Bauhaus in Dessau das Konzert der Band Feine Sahne Fischfilet abgesagt hat, das das ZDF in den Räumen der Weltkulturerbestätte aufzeichnen wollte.
Die Musiker waren vom ZDF für eine Konzert-Übertragung eingeladen worden. Die Bauhaus-Stiftung teilte mit, rechte Gruppierungen hätten in sozialen Netzwerken gegen das Konzert mobil gemacht. Man wolle nicht zum Austragungsort politischer Agitation und Aggression werden. Die Stiftung mache vom Hausrecht Gebrauch und habe das ZDF aufgefordert, das für den 6. November geplante Konzert abzusagen.
Kuschen vor der AfD
Die Stiftung Bauhaus-Dessau begründet die Absage mit der Furcht vor Neonazi-Aufmärschen. Die sachsen-anhaltinische Staatskanzlei von Ministerpräsident Haselhoff (CDU) sekundiert und hält die Einladung der Punkband für "kaum bis nicht nachvollziehbar". Zur Erinnerung: Die AfD sitzt mit 22 Prozent als zweitstärkste Fraktion im Magdeburger Landtag. Auf ihrer Homepage wütet sie ausgiebig gegen das Konzert von "Feine Sahne Fischfilet". In der Kasseler Stadtverordnetenversammlung ist die AfD mit 11 Prozent zwar nicht ganz so stark vertreten, doch dass der Kasseler Bürgermeister, ein SPD-Mann, das documenta-Kunstwerk in einer Nacht- und Nebelaktion entfernen ließ, wäre ohne die Agitation der AfD auch dort nicht denkbar gewesen.
Missratene Planung
Man kann sich schon fragen, was ausgerechnet das ZDF dazu bewogen hat, eine Band mit "Bullen-in-die-Fresse-" und "Deutschland-ist-Scheiße"-Texten derart zu promoten. Vielleicht als zeitgeistiges medienpolitisches Selfmarketing nach Chemnitz? Schließlich haben ja schon Bundespräsident und Bundesaußenminister die Band indirekt nobilitiert. Trotzdem hätte man sich in Mainz denken können, dass man dem Bauhaus kurz vor dem 100-jährigen Bauhausjubiläum mit so einer Ansetzung keinen Gefallen tut.
Aber die Beflissenheit, mit der sich die Staatskanzlei in die Programmautonomie des ZDF einmischt, wirft ein seltsames Licht auf die Begründung des Bauhauses Dessau. Es beruft sich dafür ausgerechnet auf die demokratische Tradition dieser Institution. Politisch extreme Positionen, so heißt es nun, spalten und gefährden dagegen die Demokratie.
Mehr Selbstvertrauen statt sich wegducken
Gibt es etwa zwei grundverschiedene Arten von Demokratie in diesem Land? Die eine, vertreten durch die Magdeburger Staatskanzlei oder den Kasseler Bürgermeister, duckt sich lieber weg: Nur keine schlafenden Hunde wecken! Die andere, in diesem Fall das ZDF, meint, Demokratie wird ihre Gegner schon aushalten.
Wenn man die Zufriedenheit über die Konzert-Absage auf einschlägigen Facebook- oder AfD-Seiten im Internet sieht, wird klar: Kultur und Demokratie hilft nur eines – mehr Selbstvertrauen!