Wie gefährlich sind Harry Potter und Pippi Langstrumpf?
Ausländische Kinderbücher haben es derzeit schwer, in China auf den Markt zu kommen. Offiziell heißt es, man wolle man die Marktbedingungen für heimische Kinderbücher verbessern. Kritiker befürchten eine ideologische Kampagne.
Die Kinderbuchabteilung im Wangfujing-Buchladen in Peking: Auf einem Fernsehbildschirm laufen westliche Disney-Comics mit chinesischen Untertiteln. Noch gibt es hier eine riesige Auswahl an ausländischen Kinderbüchern und -filmen. Die 29-jährige Wang Xiaoji kauft mit ihrer dreijährigen Tochter Bücher. Im Einkaufskorb: britische Autoren, Bücher über Dinosaurier. Auch die junge Mutter hat davon gehört, dass China die Einfuhr ausländischer Kinderbücher beschränken will.
"Ich bin im Ausland zur Schule gegangen und habe überhaupt kein Verständnis für solche Restriktionen: Kinderbücher sind etwas Gutes, warum sollten sie sich nicht verbreiten? Viele unserer Kinderbücher zuhause sind aus Großbritannien, Europa oder den USA. Ausländische Kinderbücher sind zugänglicher als chinesische, irgendwie kindgerechter geschrieben."
Experten aus der Verlagsbranche rätseln. Offenbar wurden einige Buchverleger angewiesen, in diesem Jahr die Importe ausländischer Kinderbücher zu beschränken. Mündlich, von der staatlichen Aufsichts- und Zensurbehörde für Presse und Publikationen. Eine schriftliche Verordnung dazu gibt es bislang nicht. Viele Gerüchte, aber auch konkrete Erfahrungen im Alltag.
Schutz des kulturellen Erbes
Li Yafen arbeitet in Peking bei einem Verlag für Kinderbücher, sie bemerkt staatliche Restriktionsversuche: "Wenn wir ein Buch veröffentlichen wollen, brauchen wir eine Registrierungsnummer. Aber die bekommen wir im Moment nicht. Ich bin für südkoreanische Kinderbücher zuständig und habe derzeit große Probleme, die Bücher auf den Markt zu bringen. Es hat vergangenes Jahr schon begonnen und die Restriktionen sind immer schlimmer geworden: Ich bekomme kaum noch die Registrierungsnummern."
Und ohne die Nummer der Aufsichtsbehörden gibt es keine Veröffentlichung. Kritiker befürchten dahinter eine ideologische Kampagne. Neben den Medien, den Schulen, den Universitäten und anderen Bereichen seien die Kinderbücher der neueste Versuch der chinesischen Führung, westliche Einflüsse zurückzudrängen. Laut Parteiblatt "Global Times" geht es nicht um Ideologie, sondern lediglich darum, die Marktbedingungen für chinesische Kinderbücher zu verbessern.
So sieht es auch der Pekinger Professor für Erziehungswissenschaft, Fang Ping. "Ich glaube nicht, dass die Regierung die Veröffentlichung ausländischer Kinderbücher in großem Stil unterbinden will. Mit der Öffnung Chinas der vergangenen Jahrzehnte sind ausländische Bücher, Filme und Technologie nach China gekommen. Aber wir dürfen unsere eigene Kultur nicht ignorieren. Derzeit gibt es ein starkes Bewusstsein dafür. Ausländische Kultur ist weiter wichtig, aber es wird ausgewählt, welche ausländischen Bücher in China verlegt werden dürfen. Das ist wichtig für unser eigenes kulturelles Erbe."
Kritiker befürchten ideologische Motive
Ausländische Kinderbücher beherrschen in China den Markt und sind extrem populär, besonders bei Eltern aus der Mittelschicht. Dazu gehört auch die 29-jährige Mutter Wang Xiaoji. Sie vermutet eine zunehmend ideologische Kontrolle: "Darum geht es. Die Quellen des Denkens und des Lernens der Kinder werden kontrolliert. Aber das funktioniert nicht. Die Menschen finden immer einen Weg, Bücher aus dem Ausland zu beschaffen. Bücher sind nichts, wo Restriktionen dauerhaft wirken würden. Ich werde Freunde bitten, mir Bücher aus dem Ausland mitzubringen."
Ob Pippi Langstrumpf, Pu der Bär, Harry Potter oder Petterson & Findus - diese Bücher sind in China genauso Bestseller wie in Europa. Laut Staatsmedien geht es nur darum, die einheimischen Kinder-Publikationen zu stärken. Aber es würde politisch ins Bild passen, wenn Chinas ideologischer Kampf unter Präsident Xi Jinping auch die Kinderbuchregale erreicht hat.