"Außerhalb der katholischen Kirche kein Heil"

Von Nikolaus German · 12.03.2009
Als der Deutsche Joseph Ratzinger vor vier Jahren auf den päpstlichen Thron kam, titelte die "Bild"-Zeitung wie im Rausch "Wir sind Papst!" .Eine Welle des Stolzes ging durchs katholische Kirchenvolk, katholisch sein galt wieder was in Deutschland.
Das hat sich inzwischen gründlich geändert. Dass Benedikt XVI. die erzkonservative Pius-Bruderschaft in die katholische Kirche zurückgeholt hat, auch den exkommunizierten Holocaust-Leugner Williamson, war für alle Benedetto-Fans ein Schlag vor den Kopf. Katholische Kirchenführer versuchten in Talkshows der allgemeinen Bestürzung mit Erklärungen zu begegnen: Der Papst habe vom Antisemitismus Williamsons und der Piusbrüder nichts gewusst; versagt habe das vatikanische Management, ein bedauerlicher Betriebsunfall.

Und das soll man glauben? Nein, etwas ganz anderes wird hier deutlich: Mit der Rückholung der Pius-Brüder, denen der Papst schon mit der Wiederzulassung der alten lateinischen Messe entgegengekommen war, wird der konservative Flügel der Kirche gestärkt. Das passt zur Politik des Papstes, die eine Restituierung der römischen Kirche nach dem alten Grundsatz anstrebt "Extra ecclesiam nulla salus" - "Außerhalb der katholischen Kirche gibt es kein Heil". Man braucht dazu nur den aktuellen "Katechismus der Katholischen Kirche" von Benedikt XVI. zu studieren. Da finden sich Sätze wie:"Niemand kann Gott zum Vater haben, der die Kirche nicht zur Mutter hat."

Die Rückwärtsgewandtheit des Papstes kann niemanden verwundern, der die Karriere Joseph Ratzingers im Vatikan verfolgt hat. Zunächst als Chef der römischen Glaubenskongregation und dann als Papst fuhr er einen ausgesprochen restriktiven Kurs: strengste Kontrolle seiner Kirche in Glaubens- und Sittenfragen, Disziplinierung und Suspendierung missliebiger Theologen, Verbot der Ehe für Priester und der Priesterweihe für Frauen, Verurteilung von homosexuellen Partnerschaften, von Schwangerschaftsverhütung und Sterbehilfe - und ähnliches mehr.

Benedikts Rückwärtskurs hinter den Geist des Zweiten Vaticanums zeigt sich auch im Verhältnis zu den anderen Konfessionen. Er bezeichnet die katholische Kirche als einzig wahre Kirche Christi. Den protestantischen Kirchen spricht er ab, "Kirchen im eigentlichen Sinn" zu sein, ökumenische Abendmahlsfeiern von Katholiken und Protestanten untersagt er. Unter Ökumene versteht Benedikt nicht eine Gemeinschaft gleichwertiger Christen, sondern eher das Bestreben, die abtrünnigen Protestanten und Orthodoxen in die katholische Kirche zurückzuholen.

Selbstredend bestreitet der Papst erst recht den nichtchristlichen Religionen, einen wahren Weg zu Gott oder zum Heil zu haben. Immer wieder kommen von ihm entsprechende Äußerungen, die das Verhältnis zu anderen Religionen belasten. Die brüskierende Wiedereinführung des Karfreitagsgebets zur "Bekehrung der Juden" ist in diesem Zusammenhang zu sehen, auch seine umstrittene Rede in Regensburg mit despektierlichen Zitaten über Mohammed, von denen sich viele Muslime beleidigt fühlten.

Warum aber dieser konservative, ja fundamentalistische Kurs des Papstes? Dahinter steckt sicher die Angst, dass die katholische Kirche von den Entwicklungen der Moderne überrollt werden könnte, dass sie durch die Globalisierung der verschiedensten Religionen und Heilsangebote an Bedeutung verliert.

Aber das wird der Papst nicht verhindern können, indem er seine Kirche den Strömungen der Zeit verschließt und sich hinter einem heute nicht mehr glaubwürdigen Heils-Absolutismus und Alleinseligmachungs-Anspruch verbarrikadiert. Im Gegenteil verliert er so immer mehr an Akzeptanz. Denn längst ist eine weltweite "Individualisierung" des Religiösen und Moralischen im Gang, bei der die Menschen ihren eigenen, privaten Glauben leben, ihren je "eigenen Gott" haben, wie der Soziologe Ulrich Beck sagt – jenseits aller kirchenamtlichen Dogmen.

Nikolaus German, M.A., geboren 1950, Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Lebt als Autor und freier Journalist in München, schreibt v. a. für "Süddeutsche Zeitung", "Rheinischer Merkur", "Das Parlament"; zahlreiche Beiträge für Rundfunk und Fernsehen sowie mehrere Dokumentarfilme, darunter "Botschafter der Hoffnung - Sergiu Celibidache in Rumänien", "München unterm Hakenkreuz - Hitlers Hauptstadt der Bewegung", "Max Mannheimer - ein Überlebender aus Dachau".
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