Kunstprojekt zur Flüchtlingskrise auf Samos
Exil, Diaspora, Identität - um diese Punkte kreist die Ausstellung "A World Not Ours", die noch bis Oktober auf der griechischen Insel Samos zu sehen ist. Zehn Künstler, Fotografen und Aktivisten stellen darin ihre Arbeiten zur Flüchtlingskrise vor.
Zu den zehn Mitwirkenden der Ausstellung gehören jedoch nicht nur Künstler, sondern auch Aktivisten, Filmemacher und Fotojournalisten, erläutert die in Brüssel lebende griechische Kuratorin Katerina Gregos ihr Konzept. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich bereits seit langem mit der Flüchtlingskrise beschäftigen:
"Sie haben auch als Aktivisten und Freiwillige gemeinnützig gearbeitet. Und sie verstehen die komplizierten Zusammenhänge, die sich mit dem Flüchtlingsthema verbinden. Sie sind einfühlsam und bringen sich selbst mit ein."
In der Ausstellung wird in vier begehbaren Black Boxes mit Foto- und Videoinstallationen das Elend von Menschen auf der Flucht weltweit wiedergegeben, erzählen Geflüchtete ihre Geschichte. Hinzu kommen in den tageshellen Ausstellungsräumen Flachbildschirme mit weiteren Videos und Fotografien. Einige der Bilder erkennt man sofort wieder, denn sie gingen um die Welt: etwa das eines syrischen Vaters, der im strömenden Regen, sein Kind auf dem Arm, eine leere Landstrasse entlanggeht. Der griechische Fotograph Yannis Behrakis hat es gemacht; er begleitet immer wieder Flüchtende, seit mehr als 25 Jahren.
Für seine berührende Arbeit wurde er mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Andere Ausstellungsbeiträge nähern sich dem Thema auf andere Weise: Eine Künstlergruppe um die Architekten Diller Scofidio & Renfro in den USA etwa zeigt bunte, computeranimierte Landkarten. Über hundert Quellen auswertend stellte sie fest, dass die immer größer werdenden Migrationswellen zunehmend nicht nur wirtschaflich und politisch, sondern auch durch Umweltschäden verursacht werden.
Donald-Trump-Satire darf nicht fehlen
Wieder anders: der alternative Nachrichten-Sender Juice Rap News in Australien. Das unterhaltsame Programm eines Rappers und eines Historiker brachte es auf immerhin 14 Millionen Clicks im Internet. Beide stellen weitverbreitete Aussagen zu Migration und Terrorismus - wie etwa fremdenfeindliche Bemerkungen von Donald Trump - auf satirische Weise in Frage. Gängige Nachrichtenformate persiflierend spielen sie grotesk kostümiert Argument und Gegenargument im Dialog durch.
Humorvoll geht es bei dem Thema jedoch nur selten zu. Die 83-jährige Sallie Latch aus San Francisco, Lehrerin und Friedensaktivistin, kam am 13. März 2016 ins griechische Samos:
"Ich kam mit der Vorstellung, Windeln zu wechseln, Babies zu füttern, Essen zu kochen und Leute mit trockener Kleidung zu versorgen und all dem was sie brauchen, wenn sie aus den Booten steigen. Ich dachte, ich würde direkt mit den Flüchtenden und Migranten arbeiten. Aber nichts davon geschah."
Denn zu der Zeit waren die Grenzen nach Norden bereits dicht; der Seeweg wurde durch das Abkommen zwischen der EU und der Türkei versperrt und die Flüchtenden in Lagern eingeschlossen. Sallie suchte nach einer neuen Beschäftigung und begann, Geflüchtete zu interviewen. Über ihre Gespräche, die in der Ausstellung zusammen mit Fotografien präsentiert werden, sagt sie:
"Ich war mein ganzes Leben lang Aktivistin, aber diese Erfahrung war sehr hart. Denn es ist so, als würde ich die Macht der Mächtigen spüren, die überhaupt nicht daran interessiert sind, das Leid der Menschen zu lindern, der unschuldigen Menschen, die Opfer eines Krieges sind. Ich fühle mich sehr hilflos."
Menschenschmuggel als Wirtschaftsfaktor
Eine Erfahrung, die auch die österreichische Künstlerin Tanja Boukal machte. Für ihre gezeigte Dokumentation recherchierte sie drei Monate lang Flucht-Stationen in der Türkei und in Griechenland. Sie wollte die praktischen Fluchtumstände und den Menschenschmuggel als Wirtschaftsfaktor erkunden. Unter dem Motto "Ich will es wissen" lernte Tanja Boukal unter anderem, Schwimmwesten auf Haltbarkeit zu prüfen und vertrauenerweckende Schmuggler ausfindig zu machen - Dinge, von denen sie rückblickend hofft, dass sie sie "nie brauchen werde".
"Ich habe ganz viel darüber gelernt, was es heißt auch, zu flüchten. Ich habe ganz viel gelernt darüber, was es heißt, Dinge aufzugeben und eigentlich ins Blaue zu fahren und zu hoffen, dass es besser wird. Gleichzeitig wussten diese Leute alle, dass es nicht besser wird. Weil es nach dem EU-Türkei-Deal war, die wussten alle, dass sie kommen, dieses Stückchen weiter, wenn sie's überleben; sie wissen aber nicht, was sie dann machen, wenn sie auf den Inseln sind. Also, ich glaube, eines der Dinge, die ich gelernt habe, ist, dass man es aushalten können muss zu warten. Und das ist was, was ich nicht kann."