Info: Die Sonderausstellung "Bukowski 100 plus" ist noch bis zum 31. Oktober 2021 in der Stadtbücherei Andernach im historischen Rathaus geöffnet. Zu sehen sind dort etwa 26 Exponate des Schriftstellers Charles Bukowski, die fast alle Leihgaben der Charles-Bukowski-Gesellschaft sind. Darunter Gemälde, Fotos, Originalmanuskripte und handsignierte Bücher.
Der Whisky-Literat vom Rhein
05:02 Minuten
Heinrich Karl Bukowski, geboren in Andernach am Rhein, ist besser bekannt unter dem Namen Charles Bukowski. An dem Schriftsteller scheiden sich nach wie vor die Geister. Seine Geburtsstadt widmet ihm nun eine Ausstellung mit seltenen Exponaten.
In den Räumen der Stadtbücherei fällt der Blick sofort auf eine Bronzebüste in einer Vitrine am Eingang. Charles Bukowski mit zerfurchtem Gesicht, verquollenen Augen und einem Lächeln im Gesicht. Ein Werk seiner langjährigen Freundin und Bildhauerin Linda King, mit der er, wie Roni von der Charles Bukowski Gesellschaft weiß, eine turbulente Liebesbeziehung hatte.
"Immer, wenn sie sich gestritten hatten, hat derjenige, der die Büste hatte, sie dem anderen vor die Tür gestellt, um damit zu dokumentieren, jetzt ist es ein für alle Mal aus und beim nächsten Mal hat die Büste wieder den Weg in die andere Richtung gefunden, das hat er in einem seiner Romane beschrieben, das Liebesleben der Hyäne, im englischen Original heißt es ‚Women‘."
Etwa 26 Exponate sind in der Ausstellung zu sehen. Wertvolle handsignierte Bände, Gemälde und Originalmanuskripte, erklärt der Vorsitzende der Charles-Bukowski-Gesellschaft, der nur Roni genannt werden möchte.
"Das sind ganz besondere Schmuckstücke, was Sie hier in der Vitrine sehen, es sind Publikationen aus den frühen 60er-Jahren, ‚It catches my heart in its hands‘, hier ist das Cover aus Kork und die gesamte Auflage ist von Charles Bukowski signiert, das ist wirklich ein absoluter Höhepunkt zum Hinknien, wenn man dieses Stück für sich haben kann."
Existenzialistisches Verzweifeln am Menschsein
Ronis Begeisterung für Charles Bukowski ist ganz offensichtlich groß. So gut wie alle ausgestellten Stücke stammen aus seinem Privatbesitz. Mit 16 las er sein erstes Buch und die Faszination ließ ihn nicht mehr los.
"Ich habe auch damals schon erkannt, dass er eine tiefere Qualität hat, als nur Sex und Saufen und Bürgerschreck zu spielen, nämlich diese existenzialistische Verzweiflung am Getriebe der Menschen, an den Anforderungen der Gesellschaft, die Frage, wie man als Individuum seinen Platz innerhalb der Gesellschaft finden kann, ohne dabei komplett vor die Hunde zu gehen."
Bukowski sei so eine Art literarischer Schopenhauer, sagt Roni.
"Dieses existenzialistische Verzweifeln am Menschsein, was er auch mit Schopenhauer oder Nietzsche gemein hat, so diesen regelrechten Hass auf den Massenmenschen und im Gegensatz dazu das Hochhalten des Individuums, also des Einzelnen, der für sich sagt, ich möchte auf eine bestimmte Weise leben und es zerstört mich, mich den Massen unterordnen zu müssen."
Charles Bukowski ist in Amerika aufgewachsen. Er war dort ein Außenseiter, litt sehr unter seinem Vater, der ihn körperlich misshandelte.
Bukowski im Giftschrank der Stadtbücherei
In seiner Geburtsstadt Andernach ist der Blick auf ihn gespalten. Für die einen ist er ein Genie mit gesunder Seele, für die anderen einfach ein kaputter Typ, der zu viel Whisky soff und schlechte Geschichten schrieb.
Eine solche Sonderausstellung wäre vor 30 Jahren wohl noch nicht denkbar gewesen. Denn bis Ende der 1980er-Jahre soll es in der Andernacher Stadtbücherei einen Giftschrank mit seinen Werken gegeben haben, um die Schmuddelbücher unter Verschluss zu halten, erzählen sich die Andernacher.
Oberbürgermeister Achim Hütten hat bei der Ausstellungseröffnung eine ganz andere Erklärung:
"Er stand deshalb im Giftschrank, weil Charles Bukowski damals bei unseren Lesern und Leserinnen der Stadtbücherei so begehrt war, dass er nicht entliehen, sondern entwendet wurde."
Unter den Ausstellungsbesuchern ist auch Dagmar Feige mit ihrer Tochter Alicia. Alicia kennt Bukowski nicht, hat keines seiner Bücher gelesen. Das soll sich nach dem Willen ihrer Mutter ändern:
"Also ich würde nicht sagen, dass ich von den Bukowski fasziniert bin, aber es ist schon interessant, was der Mann so geschrieben hat oder gelebt hat, das muss man einfach mal mitgenommen haben, ob das einem gefällt und man später noch weiter Bücher von ihm lesen will, das muss dann jeder für sich selbst entscheiden."
Selbstporträt hinter Gittern
Besucher Dennje Faldung ist vor einer Vitrine stehen geblieben und studiert interessiert das Originalmanuskript des Gedichts "The Burning of the Dream". Über den maschinengeschriebenen Zeilen sind rote Markierungen und Verbesserungen. Dennje Faldung hat so gut wie alle Romane, Erzählungen und Gedichte gelesen.
"Er war vulgär und er hat einfach seinen Traum rausgelassen, ich habe das erst später begriffen, als ich das erste Buch von ihm gelesen habe, hat mich das auch fasziniert, ich liebe ihn, ganz einfach."
Was viele nicht wissen: Charles Bukowski hat nicht nur geschrieben und dabei gerne die fünfte Sinfonie von Beethoven gehört, sondern auch gemalt. Die Ausstellung zeigt ein seltenes Selbstporträt in Öl, das sein Gesicht hinter Gittern zeigt.
"Es ist ein bisschen abstrakt, aber auf jeden Fall deutlich erkennbar, das Eingesperrtsein im Leben ist ja eins seiner Themen, hier in der Ausstellung sind wir stolz, dass wir es zeigen können."
In der Ausstellung gibt es einige weitere Raritäten zu sehen, wie "The Big White Book", handsigniert und mit Originalfotos, alle fest verschlossen in Vitrinen, nur Hörproben des amerikanischen Schriftstellers sucht man vergeblich. Die Stadtbücherei bietet Führungen durch die Ausstellung an. Eine gute Gelegenheit, Charles Bukowski mal von einer anderen Seite kennenzulernen.