Ausstellung "Contemporary Muslim Fashions"
Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main
5. April - 15. September 2019
Kleidung mit Konfliktpotenzial
05:38 Minuten
Schon vor ihrer Eröffnung sorgte die Ausstellung "Contemporary Muslim Fashions" in Frankfurt für aufgeregte Debatten: Sie zeigt die Vielfalt muslimischer Mode, so das Museum. Sie mache sich zum Werkzeug rückwärtsgewandter Islamisten, sagen Kritiker.
Die Exponate waren gerade mal im Museum Angewandte Kunst eingetroffen, da hagelte es schon heftige Kritik. Eine Gruppe von Migrantinnen schrieb einen offenen Brief an Museumsleiter Matthias Wagner K., er biete dem Kleidungsdiktat eine Plattform.
Die Ausstellung sei ein Schlag ins Gesicht von Frauenrechtlerinnen und mache sich mit der Religionspolizei in islamischen Ländern gemein. Auch die iranische Frauenrechtlerin Monireh Kazemi gehört zu den Kritikerinnen:
"Als Iranerin müssen wir Schleier tragen. Wir haben die Erfahrung, dass wir uns verhüllen und unseren Kopf bedecken – gegen unseren Willen."
Kritik von "FAZ" bis "EMMA"
Mit der Darstellung von verschleierten Frauen übernehme das Museum das rückwärtsgewandte Frauenbild islamischer Staaten. Die Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates klagte in der "EMMA", die Veranstalter verkauften sich für viel Geld an die Textilindustrie und die Islamisten, die am liebsten alle Frauen dieser Welt verhüllen würden. Und auch die FAZ sah das Museum Angewandte Kunst auf Abwegen und schrieb von Toleranz, die blind mache.
Museumsleiter Matthias Wagner K. nimmt die Kritik durchaus ernst. Auch ihm sei bewusst, dass es Unterdrückung gebe und dass Frauen, die sich gegen Kleidungsvorschriften stellten, bedroht würden. Für ihn hat die Ausstellung aber eine ganz andere Intention:
Museumsleiter Matthias Wagner K. nimmt die Kritik durchaus ernst. Auch ihm sei bewusst, dass es Unterdrückung gebe und dass Frauen, die sich gegen Kleidungsvorschriften stellten, bedroht würden. Für ihn hat die Ausstellung aber eine ganz andere Intention:
"Insgesamt kann man sagen, dass alle, die in diesem Bereich arbeiten und das sind Designerinnen aus dem mittleren Osten, Malaysia, Indonesien, aus den USA und Europa, dass ihnen gemein ist, eine Mode vorzustellen, bei der es ganz klar um die Selbstbestimmung der Frau geht."
Und Selbstbewusstsein kommt deutlich rüber, etwa bei der syrisch-amerikanischen Rapperin Mona Haydar. Die Ausstellung zeigt ihr Video. Darin besingen Frauen mit Hijabs genau dieses umstrittene Kleidungsstück – also das islamische Kopftuch, das die Haare bedeckt, aber das Gesicht frei lässt. Die Frauen kritisieren, dass es ständig darum gehe, wer wie und warum Hijab trägt.
Kopftuch ist nicht Zentrum der Ausstellung
Dafür, dass schon im Vorfeld so viel über die Bedeckung muslimischer Frauen gesprochen und geschrieben wurde, steht das Kleidungsstück nicht unmittelbar im Zentrum der Ausstellung. Auf etwa 1000 Quadratmetern sind fast 80 Schaufensterpuppen mit muslimischer Mode unterschiedlichster Stilrichtung und unterschiedlichster Herkunft zu sehen: lässige Streetwear, romantisch-verspielte Kleider im Stil von 1001 Nacht oder haute couture für die Abendgarderobe; oft, aber nicht immer ergänzt mit einem Kopftuch, einem Turban oder einem Hut.
Insgesamt sind die Schnitte fließend bis wallend. Modest fashion ist das Stichwort. Und weil die wörtliche Übersetzung mit "bescheiden" oder "sittsam" oft daneben liegt, bleibt Koordinatorin Mahret Ifeoma Kupka bewusst beim englischen Begriff:
"Modest Fashion beschreibt eine weniger körperbetonte Bekleidung. Das heißt, es gibt keine tiefen Ausschnitte, keine tiefen Schlitze bei Röcken, dass alles etwas körperumfließender und nicht hauteng ist."
Protest gegen Bekleidungsvorschriften
Neben den Kleidungsstücken sind auch viele Fotos und Videos zu sehen. Darunter Aufnahmen von Protesten iranischer Frauen. Sie demonstrieren gegen strenge Bekleidungsvorschriften – und zwar nicht nur in den späten 70er Jahren, sondern auch heute noch.
Und dann sind da noch die Fotos, die einen Teil der Proteste im Vorfeld der Ausstellung befeuert haben: Die Fotoserie Al Kouture des irakisch-amerikanischen Fotografen Wesaam al-Badry zeigt jeweils großformatig einen Kopf. Nur die Augen sind zu sehen, der Rest ist verhüllt von Seidentüchern, versehen mit den Labels westlicher Luxus-Modefirmen. Eine Arbeit, die sich mit der Ausbreitung von modest Fashion auseinandersetzt.
Und zwar von beiden Seiten: Einerseits die Frage stellt: Werden Burka und Niqab besser im Westen verdaulich, wenn sie bunt ist. Andererseits auch der Einfluss, den der westliche Modemarkt auf muslimische Bekleidungstraditionen hat. Interessant ist, dass gerade diese Arbeit für eine Kritik an der Ausstellung genutzt wurde, obwohl genau diese Arbeit das kritisiert, was wiederum die Kritik an der Ausstellung kritisiert. Wo also eine ganz spannende Dopplung entsteht.
Und zwar von beiden Seiten: Einerseits die Frage stellt: Werden Burka und Niqab besser im Westen verdaulich, wenn sie bunt ist. Andererseits auch der Einfluss, den der westliche Modemarkt auf muslimische Bekleidungstraditionen hat. Interessant ist, dass gerade diese Arbeit für eine Kritik an der Ausstellung genutzt wurde, obwohl genau diese Arbeit das kritisiert, was wiederum die Kritik an der Ausstellung kritisiert. Wo also eine ganz spannende Dopplung entsteht.
Stereotype sollen hinterfragt werden
Mahret Ifeoma Kupka wünscht sich, dass die Ausstellung stereotype Sichtweisen hinterfragt und dass sie zeigt, wie gerade im Bereich der Mode Grenzen verschwimmen. Und das könnte durchaus funktionieren.
Die Ausstellung wirkt einerseits auf einer ästhetischen Ebene: Sie zeigt phantasievolle und hochwertige Mode, die auch in die Schaufenster deutscher Großstädte passen würde, ohne zwingend als muslimisch aufzufallen.
Auf der anderen Seite wird deutlich, wie viel Konfliktstoff die Kopfbedeckung muslimischer Frauen nach wie vor birgt: Da sind einerseits die Bilder selbstbewusster junger Frauen, die es leid sind, sich für ihre Kleidung rechtfertigen zu müssen.
Und auf der anderen Seite Frauen, die nach wie vor für die Freiheit kämpfen müssen, einfach das anziehen zu können, was sie wollen. Und so lange das so ist, wird auch die Diskussion über das Kopftuch weiter gehen.