Die Ausstellung "Design Gruppe Pentagon" im Museum für Angewandte Kunst Köln ist bis zum 26. April 2020 zu sehen.
Provokantes Anti-Design
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Die Kölner Gruppe Pentagon zählt zu den Protagonisten des Neuen Deutschen Designs. Die fünf Künstler arbeiteten mit rohen Materialien und waren politisch. 35 Jahre nach ihrer Gründung widmet das Museum für Angewandte Kunst Köln ihnen eine Ausstellung.
Bühne frei für Pentagons schräge Kreationen. Das Kölner Gestalter-Kollektiv gründete sich 1985 und wird nun in einer Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst Köln gewürdigt.
Ein Catwalk ist aufgebaut, eine Videocollage mit Michail Gorbatschow und Helmut Kohl, Fussballweltmeisterschaft, Fall der Mauer, Andy Warhol in Köln, die Grünen im Bundestag – davor wirken die gebogenen Stahlregale, die exaltierten Stehtische, die schnoddrigen Hänge-leuchten wie Performer aus einer vergangenen Zeit. Fünf Herren, die sich immer noch gut verstehen, betrachten die Szenerie mit einer gewissen Rührung.
"Alle Teile, die je verkauft wurden, sind von uns gefertigt. Und da finde ich dann schon die Auswahl, das sind jetzt zehn Prozent der Produktion, wenn man das dann so in diese sechs, sieben Jahre stellt, waren wir schon fleißig", erinnert sich Reinhard Müller, einer der Pentagon-Mitglieder. "Mit den Ausstellungen noch dazu, mit den Messepräsentation und mit der Documenta, also: es reicht. So eine intensive Zeit, danach müssen sich die Lebenswege trennen."
Respektlosigkeit der Postmoderne
Kein Zweifel, Puristen, wie jene von der Hochschule für Gestaltung in Ulm, hätten sich mit Grausen von diesen Möbeln abgekehrt. Da ist nichts mit reiner Form, mit Zweckökonomie, mit funktionalem Minimalismus. Das Neue Deutsche Design der 1980er-Jahre läutete mit rohen Materialien und zusammengekanteten Formen eine neue Ära ein: die Respektlosigkeit der Postmoderne, die vieles zitiert und nichts ernst nimmt.
"Laubersheimer hat da auch zum Beispiel ein Bett gemacht, was sich zwischen Boden und Decke verklemmt, auch ohne Befestigungsmaterial", so Müller. "Oder hier, bei diesem Patentregal, sind auch die Böden verstellbar und tragen nur durchs eigene Gewicht, durchs Verkanten. Und das war schon immer ein Thema bei uns, die physikalischen Gegebenheiten sichtbar zu machen. Das sieht man auch an dem, wo der Gerd jetzt grade dran ist, an der Lampe: Das ist die erste Magnetlampe, wo die Lichtelemente nur von Magneten gehalten werden und die Kontakte, also der Strom, über die Magnete läuft."
Ein "Diwan" besteht aus einem Untergestell mit zwei großen Speichenrädern, wie bei einer Rikscha. Darüber gelegt ist ein Orientteppich. Es sieht bequem aus, man begreift die ethnische Materialcollage. Bei diesem Diwan allerdings geht es nicht ums Faulenzen, sondern um Beweglichkeit. Um geistige Beweglichkeit, um Abkehr vom Materialfetischismus, von der polierten Oberfläche.
Dazu passen Pentagons politische Ambitionen. Die Gruppe versah ihre Ausstellungen mit Titeln wie "Gipfeltreffen", "Herbstmanöver" oder "Wirtschaftskriege". Anlässlich des zweiten Golfkriegs 1990 ließ sie ihren Stand auf der Internationalen Möbelmesse in Köln schlichtweg leer.
Aus Protest statt Design ein Telefon
"Damals ging es um den Irak-Krieg und ob wir mitmachen oder nicht mitmachen – das hat uns sehr betroffen. Und wir konnten uns auch zu dieser Zeit nicht darauf konzentrieren, jetzt einfach Geschäfte zu machen. Deswegen hieß das: No Business As Usual. Und dann haben wir ein Telefon hingestellt. Also wer noch Interesse hatte an uns, der konnte anrufen. Dann hätten wir uns mit ihm unterhalten", so Reinhard Müller.
Sein früherer Mitstreiter Wolfgang Laubersheimer ergänzt: "Wir fanden dann die Aufgeregtheit, die es auf einer Möbelmesse immer gibt und wo es um Tische, Stühle und Schleiflackschränke geht, angesichts dieser politischen Situation einfach zu viel. Und deshalb haben wir uns da verweigert."
Angesichts der aktuellen Ereignisse im Irak und Iran hatten die Pentagonier sogar erwogen, ihre Verweigerungsgeste in der jetzigen Ausstellung zu wiederholen: nur ein Telefon, sonst nichts. Deprimierende Erkenntnis nach mehr als 30 Jahren Zeitgeschichte: Die Menschen lernen einfach nichts dazu.
Aber vor einer leeren Bühne hätten wir Besucher nicht diesen großartigen Flashback erlebt, in eine Zeit, als selbst Möbel zu Botschaftern eines ungeschminkten, punkigen Lebensgefühls wurden. Und man sich von gewagten Grenzerfahrungen, von kalkulierter Unbequemlichkeit und ruppiger Materialität vor allem einen klaren Kopf versprach.