Don McCullin Exhibition
Tate Britain, London
5. Februar – 6. Mai 2019
Den Gedemütigten eine Stimme geben
Seine eigene Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen hat Don McCullin sensibel gemacht für das, was Armut und Krieg den Menschen antun. Und das zeigen die 250 Fotografien, die die Tate Britain in einer Ausstellung präsentiert, sehr deutlich.
"Ich habe Armut verstanden", sagt Don McCullin. "Ich habe verstanden, was Schmerz ist."
Don McCullin, einer der berühmtesten Kriegsfotografen der Welt, ist aufgewachsen in einem der ärmsten Teile Londons nach dem Krieg. Finsbury Park, im Norden der Metropole, noch über Jahre geprägt von den Zerstörungen durch Hitlers Luftangriffe. Elend, Kriminalität und Gangs beherrschten Finsbury Park, das sei ein Ghetto der Weißen gewesen, sagt Don McCullin:
"Wo ich als Junge aufgewachsen bin, da herrschte Gewalt. Ich wurde in der Schule geschlagen und musste um mein Leben kämpfen. Unser Haus war zerstört, wir schliefen zu viert in einem Zimmer. Ich hatte immer dieses Stigma der Armut. Aber ich habe sie verstanden."
Betrachter wird zum Zeugen
Die Menschen am unteren Ende der sozialen Skala haben Don McCullin nie wieder losgelassen, nicht in seiner britischen Heimat, und nicht in der Welt draußen. Exekutionen in Vietnam, verwundete Zivilisten in Kambodscha, lebende Skelette und sterbende Menschen in Afrika. Bei allen ist das Leben deutlich mehr schwarz als weiß.
"Wir mussten eine schwierige Auswahl treffen", sagt Kuratorin Aiche Mehrez, die sich oft mit Don McCullin getroffen hat.
"Wir haben die Geschichten, die Momente genommen, die ihn berühmt gemacht haben, aber dabei darauf geachtet, dass alles zusammenspielt, damit man das ganze Spektrum seiner Karriere sieht."
Es ist nicht leicht, diese 250 Fotografien in der Tate Britain auszuhalten. Sie erzählen von dem, was Krieg und Armut dem einzelnen Menschen antun. Die Kamera von Don McCullin hält nicht einfach drauf, sondern sie gibt den Verlorenen und Gedemütigten eine Stimme, sie macht den Betrachter zum Zeugen.
Mehrez: "Ich glaube, ihn hat dieser ganze Prozess, dieser Rückblick sehr bewegt. Einerseits hat er sich über die Ausstellung gefreut, auf der anderen Seite fühlt er sich sehr unwohl mit dem Status eines Kriegsfotografen. Er hasst den Gedanken, dass er vom Leid anderer profitiert. Er hat eine konfliktreiche Beziehung zu seinen Kriegsfotografien."
Don McCullin hat alle Abzüge, auch die für diese Ausstellung, immer selbst gemacht, in seiner eigenen Dunkelkammer. Er fühlt sich verpflichtet, die bestmögliche technische Übersetzung für die schrecklichen Inhalte zu finden. Spurlos ist dieses Leben nicht an dem Fotografen vorbeigegangen.
Momente der Scham
Don McCullin: "Ich bin in Biafra mal während des Krieges dort in eine Schule gekommen. Da lagen 600 sterbende Kinder. Und sie sahen einen Weißen reinkommen, und was brachte er ihnen? Zwei Fotoapparate, nicht die Hilfe, nicht die Medizin, die mit der Ankunft von Weißen verbunden wurde. Er gibt viele Momente des Bedauerns und der Scham."
Heute lebt der 84-Jährige zurückgezogen mit seiner Frau in Somerset, im Westen von England. Dort fotografiert er weiterhin seine unmittelbare Umgebung, Landschaftsbilder. Aber auch sie sind voller Wolken, voller Dunkelheit und voller Schwere.