Ein Minimalist schaut auf sich selbst
Der Beuys-Schüler Imi Knoebel gehört zu den wichtigsten Vertretern der Minimal Art in Deutschland. Anlässlich des 75. Geburtstags Künstlers zeigt das Kunstmuseum Wolfsburg eine umfassende Werkschau: "Imi Knoebel. Werke 1966 - 2014" , inszeniert vom ihm selbst.
Er studierte unter den Fittichen von Joseph Beuys - und entschied sich doch für einen ganz anderen Weg. Wovon Imi Knoebel in den Sechzigern beeindruckt war, zeigt der Auftakt dieser Schau: Mit seinen Leinwänden eiferte er dem Schwarzen Quadrat von Malewitsch nach oder malte unentwegt senkrechte Linien.
Werke unterschiedlicher Phasen im Dialog
Und sein Atelier an der Düsseldorfer Kunstakademie war zugleich Installationsraum: Gestapelte Hartfaserplatten, Kuben und Holzzylinder erinnern in Wolfsburg an jenen legendären "Raum 19". Doch chronologisch streng geht es im Kunstmuseum nicht weiter:
"Ja, das ist die Besonderheit dieser Ausstellung: dass wir zu Beginn die Anfänge zeigen, danach aber ist alles 'durcheinander' - so der Künstler. Imi Knoebel hat ja die Ausstellung selber inszeniert, und ihm war es ganz wichtig, danach die Werke der unterschiedlichen Phasen in den Dialog zueinander treten zu lassen."
Die Kuratorin Marie-Amélie zu Salm-Salm. In die riesige Halle hat man schräg drei Wandreihen gebaut, an und zwischen denen das Œuvre des Künstlers seine Wirkung nicht verfehlt. Den Eindruck beherrschen dabei jene bunten Bilder und Reliefs, mit denen Knoebel bekannt geworden ist: monochrome farbige Tafeln oder Hintergründe, die mit Aluminiumstreifen und -bändern überspannt sind - alle Teile bemalt mit grellen Acrylfarben. Oder da sind Holzstücke, die in alle Richtungen weisen, auf eine Fläche montiert.
Wirklichkeitsgehalt Kunstwelt
Immer mal spielen die Werke des interviewresistenten Künstlers auf die Seligkeit der Primärfarben bei Piet Mondrian an oder auch auf Barnett Newman. Der Wirklichkeitsgehalt von Knoebels Arbeiten ist aus der Kunstwelt gespeist, das soziale und politische Leben bleibt draußen vor.
Eines seiner schönsten Bilder besteht aus einem orangefarbenen Rechteck, gerahmt von Randflächen in silber, türkis und rot. Es gehört zu Knoebels berühmter Serie "Grace Kelly" - da möchte man schon wissen, wie der Titel entstanden ist:
"Imi Knoebel sagt immer, die Titel seien unwichtig, er müsse halt dem Baby einen Namen geben. Natürlich rufen sie Assoziationen auf, wie z.B. 'Grace Kelly'. Der Künstler erzählt, er habe bei diesem Bild an ein Fenster gedacht, und dann an Hitchcocks Film 'Fenster zum Hof'. Wir kennen ihn alle, hier war Grace Kelly ein Sinnbild der Schönheit. Und so hat er diese Serie Grace Kelly gewidmet."
Auf der Suche nach dem "idealen" Bild
Wer Ausstellungen Knoebels immer wieder besucht, weiß, dass die serielle Buntheit einzelner Werkgruppen auch eintönig wirken kann. In Wolfsburg hat man diese Form der Erschöpfung souverän vermieden: durch die Begegnung unterschiedlicher Arbeiten aus fast 5 Jahrzehnten, großzügig im Raum inszeniert.
Und immer neue Vorstöße und Versuche auf dem Weg zum "idealen" Bild werden sichtbar, mit einer Aufsplitterung der Formen und einer Auffächerung der Farben. Knoebel entdeckte zum Malen sogar den Reiz eines Rostschutzmittels. Museumspädagogin Ute Lefarth:
"Es ist eine elementare Ausstellung. Es geht in die Linie, in die Fläche, dann in die freie Form. Von Holz, Weiß und Schwarz geht es in die Unterschiedlichkeit der vielen Farben. Das finde ich in der Ausstellung so toll, dass man ein unglaublich gutes Gefühl für die Entwicklung von elementaren Formen bekommen kann, aber auch für die Qualität. Imi Knoebel ist ein Künstler 'pur'."
Mit dabei sind neue oder wiederentdeckte Wandarbeiten, z.B. die von 1976: eine Folge vielfältiger Flächen heißt wegen der schrägen Farben "Ein schwules Bild".
"Eigentum Himmelreich"
Dass Imi Knoebel auch mit Fundstücken arbeitete, zeigt die umfassende Installation "Eigentum Himmelreich" von 1983: mit Fenstern, Rohren, Blechen und mit Leitern - mit denen er an den Suizid des Freundes Rainer Giese erinnert.
Aus 54 Fototafeln ist an anderer Stelle ein Bild des Sternenhimmels entstanden, wobei Knoebel der himmlischen Realität einen winzigen leuchtenden Punkt hinzugefügt hat - keiner weiß genau, wo. Marie-Amélie zu Salm-Salm:
"Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass Imi Knoebel einer der frühen Künstler war, die sich des Mediums Fotografie in der Malerei angenommen haben. Es sind Aufnahmen des Sternenhimmels, die er einem Atlas entnommen hat. Einen Stern hat er hinzugefügt. Sie kennen ja die alte Sitte, man sagt: wenn ein Kind geboren wird, geht ein Stern am Himmel auf. Und so ist diese Arbeit seiner Enkeltochter Lola gewidmet."
Wunderbare Einblicke ins "künstliche Reich" des Imi Knoebel
Fast wie ein kleiner Gag wirkt gegen Ende eine Installation namens "Kontor", zu der, auf Paletten gestapelt und noch eingeschweißt, Pakete mit dem Reinigungsmittel "Imi" gehören. Sollte der selbst gewählte Vorname des Meisters doch mit der schnöden Haushaltsware zu tun haben?
"Imi ist ein Künstlerpseudonym, das in den 60erJahren entstanden ist. Er und sein Freund Rainer Giese haben sich gemeinsam 'Imi' genannt: Imi und Imi. Das war eigentlich eine freie Lautform, in der die Künstler später die Aussage 'Ich mit ihm" entdeckt haben. Und sehr viel später kam die Assoziation zum Putzmittel, die Knoebel lustig fand. Das er dann um 1990 bestellt hat und das zum Bestandteil dieser Arbeit 'Kontor' wurde."
Wunderbare Ein- und Ausblicke überall im Kunstmuseum: Wer nach oben schaut, entdeckt einen Fries aus farbigen Wandsteilen. Und wer in die erste Etage steigt, erlebt eine ungeahnte Aussicht, schaut auf das künstliche Reich des Imi Knoebel, auf die Kraft der Kunst durch Form und Farbe.