Info: Die Ausstellung "Empört Euch! Kunst in Zeiten des Zorns" ist bis zum 10.1.2021 im Kunstpalast Düsseldorf zu sehen.
Zwischen Agitpop und Dada
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Wut kann zerstörerisch sein. Oder Veränderungen bringen. Wie sich dieses Gefühl in Kunst ausdrückt, wird in einer Gruppenausstellung in Düsseldorf gezeigt. Die Bandbreite reicht von Agitationskunst bis Dadaismus mit eingelegtem Gemüse.
Ein schwarzer Container steht auf dem Vorplatz des Museums. Wer die Ausstellung "Empört Euch" besucht, muss daran vorbei. Hier können Bürgerinnen und Bürger ungeliebte Nazi-Reliquien einwerfen. Der japanische Konzeptkünstler Yoshinori Niwa führt vor, wie das geht.
Niwa öffnet die Klappe. Es sei wirklich einfach: Bücher, Uniformen, Medaillen, Fotos, Briefe, Postkarten. Jede Art von Nazi-Erinnerung könne hier entsorgt werden, sagt er. Er habe auch schon mal eine Ausgabe von Hitlers "Mein Kampf" darin gefunden.
Niwa hat Anzeigen geschaltet, in denen er die Menschen aufruft, mit der dunklen NS-Vergangenheit Schluss zu machen. Der Ort passt. Oberhalb des Containers thront eine Arno-Breker-Skulptur auf dem Dachfirst des Museums.
Vor zwei Jahren in Österreich, wo der japanische Künstler seine Kunstaktion zum ersten Mal durchgeführt hat, kam die Idee nicht so gut an. Manche Menschen seien wütend geworden, vielleicht weil er die Stücke am Ende zerstört habe oder auch, weil er als Japaner nichts von der NS-Geschichte verstehen würde, sagt er.
Gleichgültigkeit ist gefährlich
Yoshinori Niwas schwarzer Container ist eins von rund 60 Kunstwerken der Ausstellung "Empört Euch". Die Kuratoren Linda Peitz und Florian Peters-Messer wollen damit zeigen, wie aktuell Stéphane Hessels Aufruf von 2010 ist.
"Die Grundthese ist die, dass er die Männer und Frauen, die das 21. Jahrhundert gestalten werden, daran erinnern möchte, dass Wut und Empörung der Motor gewesen ist, der die Résistance dazu gebracht hat, sich gegen Nazideutschland zu erheben und Widerstand zu leisten. Das ist zum einen das. Und er will auch gleichermaßen ermahnen, dass Gleichgültigkeit genau das Gefährliche ist für unsere Gesellschaften, weil sie Demokratien und soziales Zusammensein gefährden", sagt Peters-Messer.
Verfolgt in der Nacht
Kaleidoskopartig nähern sich die Künstlerinnen und Künstler in der Ausstellung den Themen Demokratieverlust, soziale Ungerechtigkeiten, Finanzkapitalismus, Rassismus, Geschlechterklischees.
Ein beklemmendes Video stammt von der US-Amerikanerin Signe Pierce. Anzüglich bekleidet wie ein Porno-Star und mit einer silbernen Maske über dem Gesicht spaziert sie durch nächtliche Straßen. Und wird so zum vermeintlichen Freiwild. Am Ende verfolgen und attackieren sie Männer und Frauen gleichermaßen.
Gleich daneben hängt ein gigantisches Porträt der bosnischen Künstlerin Šejla Kamerić. Darauf steht auf Englisch die Beleidigung: "Keine Zähne, ein Schnurrbart, Geruch wie Scheiße: bosnisches Mädchen". Ein niederländischer Blauhelm-Soldat hatte das während des Bosnienkriegs auf eine Kasernenwand in Srebrenica geschmiert.
"Ursprünglich geplant als eine Plakatserie im öffentlichen Raum, haben wir in Abstimmung mit der Künstlerin, die hier gewesen ist, dieses monumentale Werk eben in 10 Meter Höhe und 6 Meter Breite anbringen lassen. Davor befindet sich eine Palette mit den Originalplakaten, die zur Mitnahme gedacht sind, sodass der Besucher und die Besucherin sich etwas mit nach Hause nehmen kann", sagt Kurator Peters-Messer.
Empörung nach Herkunft
Wie und worüber sich die Künstler und Künstlerinnen empören, unterscheidet sich je nach Herkunft, nach Geschlecht oder auch nach Beschäftigungsfeld. Der Niederländer Erik van Lieshout reiste durch Deutschland und fühlte der deutschen Befindlichkeit auf den Zahn, inklusive Fremdenfeindlichkeit und offenem Antisemitismus.
Der französische Künstler Kader Attia interviewte Nachfahren von Sklaven, Natasha A. Kelly klärt in ihrer Sound-Installation "Giftschrank" darüber auf, welche Wörter vom Kolonialismus vergiftet wurden.
"Viele Wörter haben eine rassistische Bedeutung und wirken wie Gift, wenn sie bewusst oder unbewusst empört ausgesprochen werden. Welche das sind und warum, wird im Giftschrank erklärt. Diese Fremdbezeichnungen können ersatzlos gestrichen werden", erläutert Peters-Messer.
Installationen, Videos, Fotografie – der gesamte Werkzeugkasten der zeitgenössischen Kunst kommt zum Einsatz. Manche Werke prangern explizit Missstände an, andere versuchen es mit Humor. Das Künstler-Kollektiv Slavs and Tatars tapezierte eine Wand mit Plakaten von sauren Gurken, die an weibliche Brüste erinnern sollen. Davor sieht sich der Betrachter selbst in einer überlebensgroßen Kämpferfaust aus Spiegelglas. Warum bloß? Politische Mobilmachung mit eingelegtem Gemüse – auf die Idee muss man erst mal kommen.