Ausstellung "Fast Fashion"

Die Folgen des Billigmode-Wahnsinns

Frauen und Männer arbeiten in der Textilfabrik "One Composite Mills" in Gazipur, einem Vorort der Hauptstadt Dhaka in Bangladesch.
Sie zahlen den Preis des globalen Modegeschäftes: Frauen und Männer in einer Textilfabrik in Bangladesch. © picture alliance / dpa
Von Anette Schneider |
Tödliche Gifte, unmenschliche Arbeitsbedingungen, Hungerlöhne: Die Ausstellung "Fast Fashion" im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt die Schattenseiten der Textilindustrie – und wie wir den kurzlebigen Modewahn überwinden können.
In der Ausstellung steht eine Litfaßsäule vollgeklebt mit Modeplakaten: Junge Leute präsentieren da T-Shirts, Blusen und Jeans für ein paar Cent. Doch statt eines Firmenlogos stehen neben den Bildern kurze Zitate von Textilarbeiterinnen: über ihre Arbeitsbedingungen, über Mindestlöhne, die zum Leben nicht reichen, über tägliche Menschenrechtsverletzungen im Betrieb.
Die Künstlerin Susanne A. Friedel enthüllt so den wahren Preis des globalen Modegeschäfts. Und schon fühlt man sich etwas unwohl in seinen Klamotten.
Kuratorin Claudia Banz: "Die so genannte Fast Fashion kostet ja teilweise weniger als ein Eisbecher oder eine Kinokarte. Und diese ganze Produktion von Mode - das macht man sich gar nicht so klar - ist mit so vielen ökologischen und sozialen Problemen verhaftet. Und das wollen wir versuchen, in dieser Ausstellung transparent zu machen."
Erstaunlicherweise gelingt ihr das, ohne je didaktisch zu werden. Gleich am Eingang etwa läuft ein Film, der auf den flüchtigen Blick eine ganz normale Modenschau zeigt: In glamouröser Szenerie stolzieren schick gekleidete Hungerhaken über einen Catwalk.
Claudia Banz: "Und dann schleichen sich so langsam die Schattenseiten ein: Man sieht, wie Näherinnen in der Fabrik rackern. Man sieht, wie die Arbeiter ungeschützt in irgendwelchen Färbetrögen rumwaten. Man sieht, wie Tiere gequält werden."
Der schöne Schein wird entlarvt
Immer mehr Raum nehmen diese Bilder ein - bis der schöne Schein hinter der Realität verheerender Produktionsbedingungen verschwindet.
Die werden von Unternehmern geschaffen, damit ihr Profit stimmt. Und wir nehmen sie hin, denn Geiz ist angeblich geil. Außerdem setzen Werbestrategen alles daran, dass wir immer schneller immer mehr konsumieren.
Eigens für die Ausstellung entstand ein so genanntes "Beutevideo": Es zeigt ein junges Mädchen, das zwischen riesigen Einkaufstüten auf einem Bett hockt.
"Das ist ein Phänomen, dass man ja auch auf YouTube beobachten kann: Wie junge Leute shoppen, dann die Tüten in ihrem Kinder- und Jugendzimmer ausbreiten, und dann heben sie die ganzen Kleidungsstücke hoch und zeigen: 'Ho, das hat nur zwei Euro gekostet, das fünf. Und das zusammen nur drei.' Und man merkt: Es geht einfach nur um die Masse."
Ein paar Schritte weiter - und man steht vor den verheerenden Folgen dieses Billigmode-Wahnsinns: Eine Fotoserie dokumentiert die Katastrophe, die vor zwei Jahren in Bangladesch über 1000 Menschen das Leben kostete. Und zahlreiche Videos, Film-Reportagen und Installationen enthüllen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der global agierenden Textilindustrie: So erzählen indische Arbeiter und Arbeiterinnen von lebensgefährlichen Chemikalien, mit denen sie zu tun haben. Gifte, die bei uns längst verboten sind. Den deutschen Unternehmen, die dort produzieren lassen, ist das egal.
Pestizide mit tödlichen Folgen
Ohne leselastig zu werden schafft die Ausstellung mit oft simplen Mitteln Erkenntnis. An einer Kleiderstange etwa hängen Jeans, T-Shirts und Jacken, deren Preisschilder eine ganz besondere Rechnung aufmachen. Eines informiert zum Beispiel darüber, dass an den Pestiziden, die weltweit auf Baumwollfelder gesprüht werden, jährlich zwei bis drei Millionen Menschen sterben.
Claudia Banz: "Es geht ja immer darum, möglichst kostengünstig zu produzieren. Es geht um maximale Gewinnspanne."
Die Folgen: 80 Stundenwochen. Löhne unter dem Existenzminimum. Menschen, die zum Schlafen in einem winzigen Raum sitzen, hocken, übereinander liegen müssen. Die Aktivistin und Fotografin Taslima Akhter zeigt dies in einer beeindruckenden Fotoserie. Und sie zeigt Widerstand! Indische Arbeiterinnen etwa, die streiken, obwohl das Militär Maschinengewehre auf sie richtet.
"Wir sind ein Museum, wir haben einen öffentlichen Bildungsauftrag, und da sehe ich unsere Ausstellung auch in der Mission, das Publikum aufzuklären. ... Mal zu sagen: 'Schaut her. Ihr kauft euch immer sorglos eure Klamotten. Aber habt ihr euch eigentlich mal Gedanken gemacht, was damit alles zusammenhängt, mit der Produktion?'"
Was sind die Alternativen?
Spätestens am Ende der ungewöhnlichen Ausstellung wird sich wohl jeder ziemlich unwohl fühlen in seiner Kleidung. Doch genau dort stellt die Ausstellung einige Alternativen vor: Recycling-Mode etwa, oder alternative Materialien wie Milchfasern oder Lachsleder.
"Das sind die Häute. Also wenn sie Lachse nehmen, dann werden die Häute weggeschmissen, das ist Abfall. Und aus diesen Häuten wird Leder hergestellt, und das kann dann ganz normal verarbeitet werden."
Dabei ist sicher: Im Gegensatz zu den vorgeführten barbarischen Folgen kapitalistischen Wirtschaftens stinkt das garantiert nicht zum Himmel!

Die Ausstellung "Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode" ist vom 20.3. bis 20.9.2015 Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zu sehen.

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